43| Wie ich den Verstand verlor

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Lookaround
Edgehill

Sam

Ich sah ihn in der pechschwarzen Dunkelheit nicht, doch ich konnte hören wie er unruhig hin und her rutschte. »Was meinst du?«, fragte ich und versuchte mich in diesem winzigen Schuhkarton irgendwie zu orientieren. Percy seufzte, »Na was wohl? Die Tür geht nicht mehr auf.« Mit ausgestreckten Händen, navigierte ich mich durch den Raum, streifte ihn, bis ich das Holz der Tür unter meinen Fingern spürte. »Bitte, wenn du mir nicht glaubst..«, hörte ich ihn hinter mir grummeln, doch da ertastete ich gerade das kühle Metall. Ich rüttelte an der Klinke, drückte mit aller macht dagegen, rufte nach irgendjemanden, aber ich stellte frustriert fest, dass Percival Moreau Recht hatte. »Verdammter Mist!«
»Hab's dir ja gesagt.«

Ich lehnte meine Stirn gegen die Tür. Ich wollte nur mit ihm reden. Die Art wie er sich dort draußen gerade verhalten hatte... irgendwas war mit ihm los und ich wollte nur wissen, ob alles okay war. Unter keinen Umständen - auf gar keinen Fall- wollte ich mit ihm in irgendeiner lausigen Abstellkammer enden. »Hast du dein Handy dabei?«, fragte ich ihn und tastete meine Taschen ab, obwohl ich längst wusste, dass es noch in meiner Jackentasche steckte, die sich leider außerhalb dieser widerspenstigen Tür befand. Wir mussten jemanden Bescheid sagen, dass wir hier waren. Es war Sonntag, und jeder befand sich draußen. Wenn uns hier drinnen niemand findet, könnten wir hier noch bis Montag Morgen feststecken. Es war ein Albtraum! »Meins liegt noch im Wagen.«, gestand er und ich fluchte auf.

Darcy war nun alleine dort draußen. Was wenn sie uns suchte? Wir waren einfach von der einen auf die andere Sekunde verschwunden. Eine Weile wurde es still, einzig unsere Atemzüge durchzogen die Dunkelheit. »Was wolltest du eigentlich hier?«, flüsterte ich und löste mich von der Tür. Das mit den Servietten kaufte ich ihm beim besten Willen nicht ab. Die Art wie er verschwunden war... es war fast schon als würde er fliehen - vor mir. »Ich-«, Percy rang nach Worten und ich spürte wie sein Handgelenk meines streifte. Er war mir so viel näher, als ich dachte. »Ich hab' ehrlich gesagt keine Ahnung.« Ein tiefer Atemzug. »Ich glaube ich brauchte Abstand.«

Ich blinzelte in die Dunkelheit. Ich war es gewohnt, das Percival Moreau genau das aussprach was ihm auf der Zunge lag, auch wenn es uns oft in beschissene Situationen brachte, aber ich hatte beim besten Willen nicht erwartet, dass er genau in diesem Moment ehrlich war. Ich trat einen Schritt näher in die Dunkelheit. »Abstand... von mir?«, flüsterte ich, obwohl ich die Antwort bereits wusste.

Ich war nicht nur wegen Miss Darcy zu diesem Kuchenbasar gekommen. Ich ... ich wollte wissen, ob seit Freitag Nacht auch für ihn etwas anders schien. Ich hörte, wie er die Luft ausstieß, spürte seine Wärme, die von seinem Körper ausging. Er musste direkt vor mir sein. »Ja«, gestand er und seine Worte klangen erstickt, als wäre uns in der Dunkelheit der Sauerstoff ausgegangen, »Natürlich vor dir.«
»Warum?«

Ein Schnauben. »Ach, komm schon, Sam. Tu nicht so als hättest du es nicht mit bekommen.« Natürlich hatte ich das. Der Moment im Regen. Dieser eine winzige Augenblick. Wie wir seither die Anwesenheit des anderen spürten wie ein Feuer an unserer Seite. Ich dachte wirklich... Meine Lippen öffneten sich, die Worte zu fremd, als das sie aus meinem Mund stammen könnten. Doch da waren sie. Sie lagen mir auf meiner Zunge, so schwer, wie ein Geständnis. Ich wusste nicht, was über mich kam, als ich sie schlussendlich aussprach, in einem heißeren Flüstern das kaum nach meiner Stimme klang: »Ich dachte, du würdest mich küssen.«

Stille.

Es war so dermaßen still in diesem Raum, dass ich das Gefühl hatte, ich würde die Scham praktisch durch meine Adern rauschen hören können. Was tat ich da? Ich war, für was weiß ich wie lang, mit meinem Boss in einen Schrank gesperrt, und ich musste sowas aussprechen? Ich- »Ich wollte dich küssen.« sagte Percy.

Stille.

Ich wusste nicht, ob ich noch atmete. Was? Was hatte er da gerade gesagt? Atemlos öffnete ich den Mund, mein Puls schlug mir bis zum Hals, »Percy
»Ich weiß, was du jetzt sagst, okay! Ich weiß, die ganze Scheiße; du brauchst mir jetzt keine Predigt zu halten. Du - Du bist mein Assistent. Ich dürfte niemals auch nur so über dich denken. Das ist auf ganzer Linie unprofessionell und - Gott, ich weiß, okay!« Er holte tief Luft. »Aber ich tue es nun mal, verdammt! Himmel, wie du da im Regen standest, I-Ich dachte, nein ich wollte -und du- du bist so ordentlich und hältst dich an regeln und du würdest niemals-« Auf einmal schien ich genau zu wissen wo er war. Ich wusste, wo sein Hals war, als meine Hand ihn fand und ihn in meine Richtung zog. Ich wusste, wo seine Haare waren, als ich meine Finger darin vergrub. Und ich wusste wo seine Lippen waren...

Gott, und wie ich wusste, wo seine Lippen waren.
Seine Worte erstarben, als ich Percival Moreau küsste.

Ich spürte, wie er erstarrte, als wäre er Stein. Wie seine Muskeln sich anspannten, als wäre es meine Faust gewesen, die sein Gesicht berührte. Mein Hirn war zu berauscht, als das ich darüber nachdenken konnte, wie dämliche diese Aktion gerade eigentlich war. Ich küsste fucking Moreau. Ich küsste ihn, und er hatte sich seitdem nicht mehr gerührt. Shit. Ich- Bevor ich mich von ihm lösen konnte, fanden seine Hände mein Gesicht, hielten es an Ort und Stelle. Er küsste mich zurück. Vielleicht war ich zu stürmisch, oder er zu überrascht, doch wir schafften es gegen das Regal mit den Putz-Utensilien zu krachen, die daraufhin wie Regen auf uns hinab donnerten.

Schützend stemmte ich meine Arme gegen die Regelbretter, schirmte ihn ab, kesselte ihn ein. Und erst als ich mich keuchend von ihm löste, der letzte Glasreiniger auf dem Fußboden rollte, wurde mir das volle Ausmaß der Situation bewusst. Seine Hände lagen immer noch auf meinen Wangen, sein Atem streifte meine Lippen, als ich schwer atmend die Augen schloss. Ich wünschte ich könnte sein Gesicht sehen. Ich wünschte ich könnte seine Augen sehen, erahnen wie er sich fühlte. Ob ihm auch so verdammt schwummrig war?

Ich stieß mich vom Regal ab. Was zur Hölle tat ich denn da? »Fuck,« murmelte ich und setzte zu einer Entschuldigung an, als mich eine Hand am Kragen packte,

Bevor ich auch nur ein Wort aussprechen konnte, brachte mich Percy bereits wieder zum schweigen.

Und in dem Moment in dem er mich erneut küsste, hatte ich bereits vergessen, was ich eigentlich sagen wollte.

Not your Secretary! [BxB]Where stories live. Discover now