30| Herzerweichend

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I'll Scream (All the Words)
Deyaz

Percy

Nervös starrte ich auf die Tür des Konferenzraums. Er hatte noch zwei Minuten. Zwei Minuten, bevor Sam Cortez zu spät für ein Meeting sein würde. Vivian zog den Stuhl neben mir hervor und setzte sich, ohne auch nur das Gespräch mit Mister Gollow zu unterbrechen. Dieser schien mich kaum zu beachten und darüber war ich auch sehr erfreut. Seitdem er - ein älterer Mann mit kaum noch Haaren am Kopf- dieses Zimmer betreten hat, hatte er von nichts anderem als seinem Golftunier am Wochenende gesprochen.

Unruhig sah ich hinab auf meine Uhr. Eine Minute und 20 Sekunden. Er war heute Morgen nicht im Büro gewesen. Hatte auf keinen meiner Anrufe reagiert. Ich spürte, wie Vivian immer wieder kurz zu mir hinüber sah, mich aber nicht auf meine Verfassung ansprach. Wahrscheinlich war es ihr lieber, dass ich wie halbtot - stumm und bleich - in meinem Stuhl saß und ihr diesen Deal nicht vereitelte. 50 Sekunden.

Sie klatschte in die Hände, »So, ich denke wir können beginn-« Die Tür öffnete sich erneut und ich atmete auf. Sam betrat stumm den Raum und setzte sich auf den letzten freien Platz. Mir gegenüber. »Schön das sie noch kommen konnten, Mister Cortez.«, stichelte Vivian, doch es schien, als hätte er sie nicht gehört. Penible höflich stellte er sich Mister Gollow vor, bevor er sich in den Dokumenten vor ihm vertiefte, meinem Blick gezielt auswich.

Vivian begann das Meeting zu leiten, doch ich hörte kaum zu. Ich starrte ihn an, ließ meinen Blick nicht von ihm weichen. Doch alles schien für ihn wichtiger zu sein, als in meine Richtung zu blicken. »Natürlich ist in diesem Stadtteil nicht unsere Gewünschte Zielgruppe vertreten.« Ich sah genau den Moment, in dem er sich wegen Vivians Worten kaum merklich verspannte. Und auch ich wurde hellhörig. »Aber wir sehen das hier mehr als eine Investition in die zukünftige Infrastruktur.« Sam klammerte sich nun praktisch an die Dokumente. Ich sah wie es ihm auf die Zunge lag. Die Worte, die er mir Gestern an den Kopf geschmissen hatte. Die Worte, die er in diesem Raum nicht aussprechen konnte. Weil er mein Assistent war. Mein Magen zog sich schmerzhaft zusammen.

»Wir setzten sozusagen den Grundstein.«, säuselte Vivian weiter, »Wir schaffen eine Umgebung in der die Jugend dort ebenfalls aufblühen kann. Und wer weiß? In ein paar Jahren handelt es sich dort bereits um eine zweite Upper East Side? Und das alles Dank Moreau und Rutledge.« Sams Blick schnellte zu mir und er sah mich zum ersten Mal seit diesem Meeting an. Seine Augen warren ausdruckslos. »Und natürlich auch Dank Ihnen, Mister Gollow.« Es war, als würde er mich gar nicht sehen. Nein, es war, als wären wir wieder am Anfang. Als wäre er gerade erst mit meinem Vater in mein Büro spaziert. »Tatsächlich haben wir Heute das beste Beispiel, was die richtige Umgebung mit einem Menschen machen kann, direkt unter uns sitzen.« Sam wandte den Blick ab und ich holte wieder Luft. »Einer von Moreaus besten Mitarbeitern - Mister Cortez - hat eine beeindruckende Entwicklung hinter sich.«

Erschrocken sah ich zu Vivian. Was redete sie denn da? Gekonnt ignorierte sie meinen verwirrten Blick und fuhr mit professioneller Stimme weiter fort: »Als Kind von Immirgranten landete er nach deren Tod in verschiedenen Pflegeheimen und hatte eine nicht ganz so glänzenden Zukunft vor sich.« Mein Blut rannte kalt. Woher wusste sie das alles? Warum ...? Ich sah zu erschrocken zu Sam. Sam, dessen Gesicht jegliche Farbe verloren hatte. Sam, der zu Vivian sah, unfähig etwas zu sagen, während sie ihn als ein Beispiel für etwas verwendete, von dem er nie Teil sein wollte. Sam, der - »Doch nach seiner Zeit mit Rutledge und Moreau - eine Umgebung die einen Menschen aufblühen lässt - ist er erfolgreicher denn je. Also sehen sie diese Wohnungen, doch als eine Art von-« Vivan brach ab, als sich Sam ruckartig erhob, sodass sein Stuhl krachend hinter ihm zu Boden fiel.

Jegliche Blicke legten sich auf ihn, doch er sah nur zu Vivian, die seinen Blick stumm erwiederte. Bevor sich die Stille unangemessen ausbreiten konnte, räusperte er sich, fuhr sich über die Krawatte, als wäre er nicht gerade für ein Verkausgespräch vorgeführt worden. Meine Hände ballten sich zu Fäusten, als ich merkte das seine zitterten. »Entschuldigen Sie mich bitte.«, raunte er mit einem gequältem höflichen Lächeln. »Ich fühlte mich nicht so besonders. Verzeihung.« Sein Blick huschte ein letztes Mal zu mir und - ich erhob mich ruckartig, doch da war er bereits aus der Tür.

Not your Secretary! [BxB]Where stories live. Discover now