10| Bleistift-Prioritäten

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Sam

Ich spürte seinen Blick geradewegs durch das Glas, welches seinen Schreibtisch von meinem trennte, in meinem Rücken brennen. Doch ich war gerade viel zu beschäftigt damit meine Stifte in eine penible ordentliche Reihe zu bringen, als dass ich ihm den Bericht bringen könnte, der nun schon seit einer knappen halben Stunde auf meinem Schreibtisch verweilte. Als ich den Bleistift feinsäuberlich neben meinem Füller platziert hatte, sackte mein Kopf mit einem frustrierten Seufzen und einem ungesunden plonk auf die Tischplatte. Ich ging ihm aus dem Weg. Ich war 28 Jahre alt und ich ging jemand aus dem Weg, als wären wir zurück in der siebten Klasse. Es war lächerlich.

Mein Boss hatte eine Tochter und ich hatte ihn verurteilt, weil er sich mal einen Freitag Nachmittag für sie frei nahm? Ich - Meine Stirn stieß erneut gegen das Holz des Tisches. Mein Job war es alles zu regeln. Den Überblick zu bewahren. Wie konnte mir gerade dieses Detail entgehen? Zudem hatte ich mich absolut kindisch verhalten. Statt mich seriös zu verhalten - eine Eigenschaft, mit der ich mich bis jetzt immer gebrüstet habe- war ich wie eine eingeschnappte Hausfrau gewesen! Ich stöhne frustriert gegen den Tisch. Was für eine seltsame Situation. Percival war -»Wow, keinen guten Tag?« Mein Kopf schoss augenblicklich nach oben. Percy.

Mein Boss lehnte gegen meinen Schreibtisch und sah grinsend auf mich hinab. Nachdem er mich gestern in seinem Büro stehen gelassen hatte, um seine ausgerissene Tochter nach Hause zu bringen, war ich ihm nicht mehr begegnet. Ich setzte mich aufrecht hin, tat so, als hätte ich nicht gerade mehrmals meinen Kopf gegen meinen Tisch gedonnert. »Sir?« Sein Blicke huschte von mir zu der Reihe Stifte. »Ich muss mit dir reden.« Fast schon gedankenverloren tippte er gegen meinen Füller und versetzte meine Ordnung zurück ins Chaos. Mein Blick verdüsterte sich drastisch, als sein Blick zurück zu meinem fand.

»Es geht um etwas vertrauliches.« Ich rückte die Stifte zurück, »Natürlich. Ist es dringend? Ich war hier gerade dabei-« Er nahm meinen Bleistift aus meiner Hand und wirbelte ihn zwischen seinen Fingern, »Zu arbeiten? Ja, es sah wirklich aus, als würdest du dir den Kopf zerbrechen.« Percival grinste über seinen eigenen Witz, während ich mir auf die Zunge biss um nicht meinen Job zu verlieren. Ich versuchte, ihm den Stift zu entnehmen, aber er schaffte auf eine beiläufige Art und Weise ihn aus meiner Reichweite zu befördern: er stieß sich ab und nahm ihn mit sich. Ich erhob mich ebenfalls.

»5 Minuten.«, befahl er und drehte sich zum gehen. »Mein Büro.«
»Sir!«, rief ich ihm hinter her, meine Hand erhoben, als würde ich ihn noch erreichen können. Fragend sah er über seine Schulter. »Mein Stift.«, erinnerte ich ihn kühl, doch er ging einfach weiter, als hätte er mich nicht gehört. Mit einem frustrierten Schnalzen der Zunge, ließ ich mich zurück auf meinen Stuhl sinken. Warum habe ich diesen Job nochmal angenommen?

•••

»Sir«, ich klopfte an seine Tür und betrat den Raum, »Sie wollten mich sprech-« Percival Moreau saß vertieft in verschiedenen Unterlagen an seinem Schreibtisch, das Jacket über der Lehne, die Ärmel hochgekrempelt und seine hellbraunen Haare provisorisch hochgesteckt - mit meinem Bleistift. Er sah auf, als er mich hörte und blinzelte mich ein paar Sekunden an, als hätte er vergessen, das er derjenige war, der mich hierher bestellt hatte. Räuspernd schloss ich die Tür hinter mir.

Ich blieb in der Mitte des Raumes stehen und wartete, dass er begann zu sprechen, doch er tat es nicht. Also war ich es, der das Wort ergriff: »Ich weiß mit vertraulichen Informationen umgehen, Sir. Ich werde also niemanden von Miss Darcy erzählen, wenn es dass ist, worüber Sie mit mir sprechen wollten. Wenn es Ihnen aber lieber ist, kann ich auch um eine Versetzung bi-«
»Du hast mit ihr Karten gespielt.«, stellte er fest als wäre es das Urteil einer Gerichtsverhandlung. Ich sah ihn stumm an. Was? »Anscheinend hast du sie nicht einmal gewinnen lassen?« Es war eine Tatsache, doch er formulierte es wie eine Frage. Unsicher wieso das relevant war nickte ich, »Hätte ich das tun sollen?« Percy schmunzelte, als hätte ich einen Witz gemacht. Langsam erhob er sich und legte seinen Kopfschief. »Die meisten Menschen hätten das.« Das bezweifelte ich stark. Ich verschränkte meine Hände hinter meinem Rücken. Darcy war grauenvoll in dem Spiel gewesen, ich weiß nich, wie es ihr geholfen hätte, hätte ich ihr zum Sieg unrechtmäßig verholfen. Das widerspricht den Prinzipien eines Kartenspiels. Aber das war sicherlich nicht der Grund, warum er mich sprechen wollte.

»Sir, wenn ich Ihnen damit zu nahe getreten bin, dann tut es mir leid.« Percy fuhr sich über seinen Kragen, zerrte daran. »Eigentlich wollte ich mich bei dir entschuldigen.«, stellte er fest und ich wusste nicht was ich antworten sollte. »Ich weiß, du tust dein Bestes, damit ich diesen elendigen Job bekomme und ich ...«, er brach ab, fuhr sich über sein Gesicht. »Letzten Freitag, da - ich hatte es ihr versprochen und - ich weiß, dass man als Führungsposition gewisse Priorität setzten muss, aber du hast Darcy jetzt kennengelernt, du weißt, wie sie sein kann. Aber ich wollte nie- es tut mir leid wenn ich mein Image und damit deine Arbeit-
»Sir,« unterbrach ich sein Gestammel und er holte tief Luft. »Sir, bei allem Respekt, aber sie sind ein Vater.« Percy schien zu erstarren, jedenfalls blieben seine Hände stockend in der Luft hängen. »Es war mein Versäumnis, dass nicht zu realisieren. Aber es wäre mir in egal welchem Fall nicht erlaubt gewesen, Sie wegen irgendwas zu verurteilen.« Sein Privatleben ging mich absolut nichts an. Ich sah für einen Moment auf meine Schuhe hinab, bevor ich wieder aufsah, seinem Blick begegnete. »Sie sollten wegen diesem Job nicht auf ihr Leben verzichten.«, seine Augen weiteten sich kaum merklich.

»Was-?«
»Sagen Sie mir nur in Zukunft rechtzeitig Bescheid, sollte Miss Darcy uns einen Besuch abstatten.«, merkte ich an und Percy entkam ein raues, kurzes Lachen. »Du hast dich also bereit erklärt, ihr Spanisch beizubringen?« Ich hob die Augenbrauen. Hatte ich das? Er drückte sich die Brille zurecht, sein Schmunzeln verweilte auf seinen Lippen. »Scheint so, als hätte ich das.«, raunte ich unter einem Atemzug. Percy kratzte sich fast schon verlegen am Hinterkopf, »Ich hätte dir von ihr erzählen sollen.«, begann er und drückte den Rücken durch. »Sie ist in dem Aspekt sehr dramatisch, aber sie ist kein Geheimnis. Wir halten Sie nur aus der Öffentlichkeit fern. Kindern sollten nicht in unserer Welt-«
»Ich verstehe.«, meinte ich. Er musste sich nicht erklären.

Bevor sich die Stille ausbreiten konnte, räusperte ich mich und senkte meinen Kopf wie zum Abschied, »Familie sollte immer die oberste Priorität sein.« Ich lächelte schwach als ich daran dachte, wie Darcy's Blick aufgeleuchtet hatte, als ihr Vater in dieses Büro gestürmt kam - wütend und völlig außer sich und mit einem Blick voller Sorge. Selbst dann, selbst so... »Selbst jemand wie ich, weiß das.«, murmelte ich kaum verständlich und wandte mich zum gehen. »Warte, Sam.«, hielt er mich auf und ich blieb stehen. »Was meinst du damit?« Fragend legte ich den Kopf schief, während das Grau seiner Augen einen seltsamen Ausdruck annahm. »Jemand wie du

Ich starrte ihn an. Vielleicht eine Sekunde zu lang. Manche Fragen brauchten keine Antwort.

»Darcy ist Ihre Tochter. Es ist selbstverständlich, dass sie Sie vermisst.«

Not your Secretary! [BxB]Where stories live. Discover now