65| Am Spielfeldrand

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Let You Down
NF

Darcy

Es war noch zu kalt um in den Pool zu springen. Der Frühling war bereits hier, aber das hieß in New York nur, dass man aufhörte zu heizen. Schnaubend vergrub ich meinen Kopf gegen meine Knie. Aber anscheinend war ich die einzige 12-Jährige die so dachte. Ich hatte mich in eine Ecke der Terrasse verzogen, wo ein Kind nicht im Weg stehen würde, und Verurteilte aus der Ferne, die Szene am Pool.

Es schien, als hätte nur jemand gewaltsam in den Pool geschubst werden müssen, um die Leute daran zu erinnern, dass er existierte. Die anderen Kinder der Anwesenden schienen daraufhin zu dem Wasser angezogen worden zu sein, wie Motten zum Licht. Das Gelächter und Platschen, mischte sich mit den Gesprächen der Erwachsenen.

Ich könnte auch hinüber gehen, mich ihnen anschließen, so tun als würde ich Spaß haben, aber ich bevorzugte meine Ecke. Ich krallte meine Hände in meine Jeans. Naja, was hieß bevorzugen... Mein Blick fiel zum gefühlt tausendsten Mal zu meinem Handy und am liebsten wollte ich es über die Reling pfeffern. Warum wollte ich überhaupt so unbedingt zu dieser dummen Party? Hier war es schrecklich. Ich seufzte in meine Jeans. Es wäre besser wenn-

Überrascht sah ich auf, als sich Sam neben mich auf dem Boden der Ecke setzte. Ich hatte nicht bemerkt, wie er gekommen war. Stillschweigend schob er einen Teller zu mir hinüber, der gefüllt mit dem Essen war, den die Kellner hier in Unmengen zu verteilen schienen. Ich hatte noch nichts gegessen, hatte nicht wirklich Hunger, aber diese Teigtaschen sagen wirklich gut aus. Fragend sah ich zu ihm hinüber, aber Sam saß neben mir, sah ebenfalls zum Pools, als hätte er gar nicht bemerkt, dass er sich genau neben mich gesessen hatte.

Ich schnappte mir eine Teigtasche und musterte ihn weiter von der Seite, »Solltest du nicht eher dort drinnen sein?« Sam lehnte sich zurück, streckte seine Beine aus. »Ich bevorzuge den Spielfeldrand.«, gestand er und ich schnaubte. Sam und am Rand stehen? »Du wirkst nicht wie jemand, der sich in Ecken verkriecht.«, mampfte ich, nach dem ich mir noch eine Tasche zwischen die Backen stopfte. Sein Blick huschte zu mir, »Du auch nicht.«

Ich atmete tief durch, als ich verstand, was das hier wurde. »Bin kein Fan vom schwimmen.«, raunte ich, und sah wieder zu ihm. Er sah mich stumm an und ich konnte nicht anders, als vor mich hin zu grummeln. Sein Blick war verständnisvoll, als würde ihm die Antwort voll und ganz genügen. Aber irgendwas an der Art wie er schwieg, brachte einen dazu, ihm die ganze Wahrheit sagen zu wollen. Als würde er es sowieso wissen - als würde er verstehen. Und das nervte. Seufzend schnappte ich mir noch eine Tasche. »Ich hab' nur keine Lust, so zu tun als ob.«
»So zu tun als ob?«
»Ja,« gestand ich seufzend. »So tun, als wäre ich genauso wie sie.«

Sam legte fragend den Kopf schief, lies sein Blick suchend über mich wandern, lehnte sich sogar nach vorne um mein Gedicht studieren zu können. »Was wird das?«, fragte ich von seinem Verhalten sichtlich irritiert.»Ich suche, was genau an dir anders ist. So wie ich das sehe, scheinst du genauso viel Arme zu haben wie sie, genauso viel-«
»Gott, Sam!«, genervt schubste ich ihn ein Stück zurück. »Seit wann bist du so albern?« Er lächelte versonnen, lehnte sich wieder zurück. »Du weißt genau was ich meine.« Er schwieg und ich wusste das ich Recht habe. »Ich gehöre einfach nicht dazu.«

Ich verschränkte dir Arme. So war es nun mal. Ich wusste nicht, wie ich es ihm erklären sollte. Ich hatte Freunde. Aber keiner von ihnen schien, sich wirklich für mich zu interessieren. Es war als würden sie gerne in meiner Anwesenheit sein, aber sie würden sie auch nicht vermissen. Als wäre man immer die letzte Wahl, der Notfall-Freund. Zu dessen Tisch man sich setzte, wenn man sonst alleine wäre.

Nur einmal in meinem Leben, wollte ich der Freund sein, der nicht die ganze Arbeit in die Freundschaft stecken musste.

Und ich weiß, dass schien albern, vor allem für Dad und Sam, die gerade mit viel größeren Problemen zu kämpfen hatten. Aber heute Abend hatte ich wirklich keine Lust so zu tun als ob. Ich war zu müde. Ich hatte keine Lust, mich den anderen Kindern vor zu stellen, um dann doch wieder überflüssig herum zu stehen. Erschöpft lehnte ich mich gegen Sam, »Ich will nur ein paar echte Freunde. Nur irgendjemanden dem ich wichtig bin.«
»Ich bin dein Freund.«, warf Sam ein und ich lächelte schwach gegen den Stoff seines Jacketts. »Ja, aber du bist alt.«
»Ouch
»Ich meine, du bist nicht gerade ein 12-jähriger Junge.«
»Ich kann so tun als ob, wenn das helfen würde .«, schlug er vor und ich sah skeptisch zu ihm hinauf. »Ach ja?«
»Für den Anfang könnte ich aufhören Deodorant zu benutzen und anfangen unausstehlich laut an öffentlichen Orten zu sein?« Ich sah prustend wieder zu der Szene vor uns.

Die Sonne verschwand langsam komplett hinter dem Horizont und die Lichter der Stadt schienen umso heller. Das Lachen der anderen Kinder klang nicht mehr ganz so weit entfernt. »Danke, Sam«, raunte ich und lehnte mich wieder gegen seine Schulter. »Aber ich glaube, ich komme klar.«

Für eine Weile saßen wir einfach nur da - am Spielfeldrand. Als die Nacht komplett hereingebrochen war, ergriff ich wieder das Wort, »Willst du nicht langsam wieder zu Dad?« Ich erkannte durch die riesigen Fenster, wie Dad nun schon seit gefühlten Stunden in einer Menge aus Leuten feststeckte. Sein Lächeln schien für jeden charmant und höflich, doch ich erkannte wie sehr er kämpfte. Über seine Schulter hinweg spähte ich heimlich zu Sam, dessen Blick ebenfalls auf dem Geschäftsmann im Inneren lag. Die Art wie er lächelte, ließ mich stocken: er sah aus wie ein Märchenprinz, der gerade die Prinzessin zum ersten Mal gesehen hat. Es war fast schon ekelhaft. Ekelhaft aber niedlich. »Oh, er kommt schon klar.«, meinte er und ich musste kichern. Er würde ihn dort drinnen noch eine Weile schmoren lassen, bevor er ihm zur Hilfe eilen würde. »Das ist deine Rache für die Pool-Aktion vorhin, oder?«
»Sowas von.«

Ich hatte die ganze Zeit nur Dad beobachtet. Die Art wie sein Lächeln sich veränderte, oder wie sein Blick immer zu Sam wanderte. Ich hatte nie realisiert, wie es von dieser Perspektive aus aussah. Ich hatte nie realisiert, wie Sam ihn ansah. Ich sah hinab zu meinen Händen. Er schien tatsächlich hin und weg. Aber...

Er wandte sich wieder zu mir, doch als sein Blick meinen fand, rutschte sein Lächeln von seinen Lippen. Es ging eben nicht nur um Dad. »Was ist los?« Ich sah gen Himmel, wich seinem Blick aus. »Du« begann ich brüchig. »Du wirst uns nicht auch verlassen, oder?« Sein Gesicht verzog sich und ich hasste den Blick in seinen Augen. »Darcy-«
»Nein«, meinte ich, bevor er etwas erwidern konnte. »Du verstehst nicht. Ich weiß, du magst Dad. Und er dich. Aber mit mir dazwischen ...wird es vielleicht zu viel?« Vielleicht ist Sam noch nicht bereit sich um ein Kind zu kümmern. Klar, als Dads Assistent hat er es ständig getan, aber für den Rest seines Lebens?

Sam beugte dich vor, nahm sanft meine Schultern und ich sah zu ihm auf, »Du hast mich vor wenigen Minuten noch alt genannt, schon vergessen?« Ich gluckste, doch es klang mehr wie ein hicksen. »Das heißt, ich bin schon sehr lange erwachsen. Damit meine ich, dass ich meine Entscheidungen - vor allem wichtig Dinge- nicht einfach so treffe, okay? Ich weiß was ich tue und vor allem was ich will.« Ich sah ihn an und spürte, wie meine Sicht verschwamm. Vorsichtig strich er mir ein paar Strähnen hinter die Ohren. »Und tu doch nicht so, Osito. Du weißt genau, dass ich dich«, er tippte mir gegen die Schulter, »viel eher mochte, als deinen Vater.« Ich wischte mir kichernd über die Wangen. Wenn ich das Dad erzählte, dann...

»Aber darum geht es nicht wirklich, nicht wahr?«, sagte er. Ertappt hielt ich inne. »Du wusstest meine Antwort bereits. Also? Warum das Ganze?« Ich stieß die Luft aus den Lungen. Er hatte Recht. Ich wusste, das Sam mich und Dad im Doppelpack akzeptierte. Er war nicht die Art von Person, die darin jemals ein Problem sehen würde. Ich griff nach meinem Handy, spielte damit eine Weile in meinen Händen, unsicher wie ich beginnen sollte.

Doch da war sie wieder. Sam's Stille. Und so rückte ich einfach mit der Sprache raus. »Ich hab vorhin eine Nachricht bekommen.« Ich sah auf, sah ihm in die Augen. »Von Mom.« Ich hatte ihre Nummer nicht mal eingespeichert, aber ich wusste es auch so. Ich wusste es immer sofort, wenn sie mir schrieb. Es war alle paar Jahre die selbe Nachricht. »Was hat sie geschrieben?«, fragte er und ich seufzte. »Sie wollte wissen, wie es mir geht.« Und das sie mich vermisst. Sam legte den Kopf schief, »Hast du geantwortet?« Die Frage war so simple, so einfach, doch sie sorgte dafür, dass mir Tränen in die Augen schossen. Frustriert versuchte ich sie weg zu blinzeln. »Nein,« presste ich mit belegter Stimme hervor. »Das würde eh nichts bringen.«

Ich hatte ihr früher oft geantwortet, aber nach ein paar Tagen, war es als hätte sie mir nie geschrieben. Nach ein paar Tagen hatte sie mich wieder vergessen. »Ich bin ihr ja doch egal!«, zischte ich und spürte wie mir eine Träne über die Wange lief. Wütend legte ich mein Handy beiseite. »Sie schreibt mir immer, als würden wir uns kennen. A-als... Als würde sie bald nach Hause kommen! Wie gehts dir? Wie läufts in der Schule? Und dann denke ich immer - aber dann meldet sie sich wieder nicht- für Jahre! Also wieso sollte ich ihr noch antworten? I-ich«
»Darcy-«
»Warum kann sie nicht einfach nach Hause kommen, Sam?«, schluchzte ich. »Wieso kann sie mich das nicht einfach persönlich fragen. W-warum«, ich holte hicksend Luft,

»Warum will sie mich nicht?«

Not your Secretary! [BxB]Where stories live. Discover now