47| Erkenntnisse

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Locksmith
Sadie Jean

Darcy

Mit viel zu viel Schwung zog ich die Tür zum Büro meines Vaters auf. »Good Morning, Vietnam!«, flötete ich und betrat den Raum. Dad saß hinter seinem Schreibtisch, sein Blick bereits verwirrt verzogen. Sam stand vor gerade diesem, immer noch über mehrerer Akten gebeugt. »Darcy?«, fragte Dad. »Wie bist du hierher gekommen? Wieso bist du hier?« Ich musste ihm nicht antworten, weil sich die Antwort auf all seine Fragen, geradewegs hinter mir durch die Tür schob. »Hallöchen!«

Genervt seufzte Dad auf, als er Onkel Lance entdeckte, der geradewegs auf den freien Stuhl zusteuerte. Nach einer kurzen Begrüßen in Richtung Sam, lies er sich fallen. »Ich war so frei, dein Teufelchen aus dem Höllenloch abzuholen.«, säuselte er und Dad fuhr sich über die Stirn, »Wie oft muss ich euch noch sagen, dass ihr nicht einfach so unter der Arbeitszeit hier auftauchen könnt!« Grinsend setzte ich mich in den Stuhl neben Lance, »Wer sagt denn, dass wir wegen dir hin sind?« Verwirrt verzog er das Gesicht, doch da hatte ich mich bereits nach rechts gewannt. »Ich persönlich, bin wegen Sam hier.«
»Ich schließe mich ihr an!«, rief Lance und legte seine Füße auf einen Stapel Akten, zwinkerte dem besagten Assistenten schamlos zu.

Dieser hob lediglich die Augenbrauen, bevor er sich zu mir wandte. »¿Como estuvo la escuela hoy? (Wie war es Heute in der Schule?)«, fragte er mich und ich setzte mich augenblicklich aufrechter hin. Er hatte mir in den letzten Monaten versucht ein paar Phrasen beizubringen, aber wie sich herausgestellt hat, war ich einfach nicht gut in Sprachen. »El clima es agradable.(Das Wetter ist schön)«, antwortete ich stockend und Sams Mundwinkel zuckten amüsiert, was mir als Kritik bereits voll und ganz ausreichte.

Seufzend erhob sich Dad von seinem Stuhl, »Ich bin ja gerührt, dass du meine Tochter aus ihrer teuren Bildungsstätte entführst hast, um mich bei meiner Arbeit zu belagern, aber wir waren gerade auf dem Weg zu einem Meeting.«, erklärte er und Lance stöhnte auf. »Das heißt wir sind umsonst hier her gekommen?« Dad schnappte sich seine Akten, strafte ihnen mit einem verurteilenden Blick, »Exakt

Er umrundete den Tisch und reichte Sam die Papiere. Dieser nahm sie entgegen und wich augenblicklich einen Schritt zurück, wie um Abstand zu gewinnen. Ich kniff beobachtend die Augen zusammen. So ging das jetzt schon einen paar Wochen. Um genauer zu sein, seit dem Kuchenbasar. Bereits dort hatten sie sich seltsam verhalten, aber auf eine andere Art.

Sam verabschiedete sich von uns und folgte Dad, der bereits zu dem Meeting stiefelte. Als die Beiden das Büro verließen, ließen sich mich und Lancelot in Stille zurück. Lancelot verschränkte die Arme und grummelte etwas, dass ich nur halb verstand: »Verdammter Feigling.« Ich beobachtete ihn aus den Augenwinkeln. »Du weißt etwas!«, stellte ich energisch fest und lehnte mich vor. Lance Blick flirrte zu mir, »Was meinst du?«
»Was da zwischen Dad und Sam los ist!«

Lancelot musterte mich ebenfalls, »Du weißt auch etwas.« Eine Weile starrten wir uns skeptisch an, bevor ich es nicht mehr aushielt. »Sag mir, was du weißt!« Er lehnte sich vor, »Du zuerst!« Ich schnalzte unzufrieden mit der Zunge, »Ach bitte! Die beiden sind seit Tagen richtig seltsam zusammen. Als würden sie sich vor dem anderen ekeln!« Seine Augen blitzten auf, »Ganz im Gegenteil, Darling.«

Fragend sah ich ihn an, doch er winkte ab, »Das ist nichts für deine kleinen Kinderohren.« Doch diese Worte bestätigten den Verdacht, denn ich nun schon seit Monaten hegte. Lance verfolgte meiner Erkenntnis mit großen Augen, als sich seine Mimik meiner Anglich, »Nein!«, entkam es mir. »Doch!«

»Dad ist verknallt?«, fragte ich, obwohl es mir bereits durchaus bewusst war. Doch die Tatsache, das ich in meinen Beobachtungen nicht allein war, fühlte sich aufregend an. Lance trommelte auf der Lehne des Stuhls: »Und wie! Und wenn du mich fragst, geht es Sam ähnlich.« Ich fuhr mir meine Haare hinter die Ohren, »Aber wenn doch beide - wieso sind sie dann nicht-?« Lance seufzte schwermütig. »Was denkst du wohl?« Ich tat es ihm gleich, »Erwachsene.«, grummelte ich und lehnte mich zurück in den Stuhl.

Lance nickte zustimmend, »Was du nicht sagst!«

...

Sam

Der Wagen fuhr holprig über den Asphalt. Heute war ich nicht der Fahrer - und so wie immer, wenn nicht ich hinter dem Steuer saß, schienen die Straßen holpriger denn je. Seufzend widmete ich mich wieder den Akten für das Meeting das bald beginnen würde. Heute würde Mr. Moreau anwesend sein, deswegen war es wichtig, dass wir gut vorbereitet waren.

Vorsichtig spähte ich hinüber zu Percy. Seine Haare fielen wie ein Schleier über seine Gesichtshälfte, während er vertieft in seinen Bericht starrte. Seitdem wir diesen Vorfall geklärt hatten, waren wir bemüht darum gewesen, dass alles wieder wird wie davor. Doch das schien schwerer als gedacht. Wir beide wussten, dass etwas anderes war. Etwas, dass man nicht einfach so wieder richten konnte. Eine Linie die verwischt wurde. Es war deutlich: Wie wir jeglichen Kontakt vermieden, wie wir uns weniger in die Augen sahen, wie wir versuchten, nicht daran zu denken. Doch für unser Beider Willen - für unser Beider Zukunft - war es besser zu vergessen.

Percy hob seinen Blick und begegnete meinem. Ich hatte ihn unbewusst angestarrt. Als das Grau seiner Augen meine fanden, dachte ich, ich würde weg sehen, so tun als wäre nichts, aber ... Percys Mundwinkel zuckten - unsicher, vorsichtig, zerbrechlich. »Wir sind gleich da.«, teilte uns der Fahrer mit, als er in die Parkgarage fuhr. Ich sah weg.

Mit klopfenden Herzen schloss ich meine Akte.

Ich schnallte mich ab, als der Wagen zum stehen kam, und trat in die Garage. Ich trat um den Wagen herum, dorthin, wo Percy ebenfalls gerade seine Tür öffnete. Gerade als ich vorangehen wollte, sah ich es: den Moment. Er verlor das Gleichgewicht. Fiel. Percy stolperte aus dem Wagen, geradewegs Richtung Asphalt. Ich handelte augenblicklich.

Ich schritt vor, mein Arm ausgestreckt. Seine Hand fand meine, half ihm seine Balance zu halten. Fluchend richtete er sich auf. Erschrocken starrte ich auf unsere Hände: seine Finger auf meinen, die Wärme, die... Mein Kiefer knirschte. Percy folgte meinem Blick und für einen Moment, verzerrte sich sein Gesicht, bevor er mich los lies und seinen Anzug glatt strich. »Sorry«, wisperte er, als er an mir vorbei schritt, als wäre nichts weiter passiert.

Ich sah immer noch hinab auf meine Hand. Streckte die Finger, als könnte ich so das Gefühl los werden. Doch es blieb.

Es schien mich einfach nicht los zu lassen. Wie ein Fluch. Oder eine Strafe, die man mir auferlegt hatte.

Meine Hände waren zu Fäusten geballt, als ich zu den anderen aufschloss.

Not your Secretary! [BxB]Where stories live. Discover now