88| Klartext

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Mom
Luke Hemmings
Darcy

Mom donnerte die Haustür hinter uns zu, als wir Zuhause ankam. Das war einer der schlimmsten Autofahrten meines Lebens. Nicht wegen dem was zuvor passiert war, sondern wegen der folternden Stille die zwischen uns hing. Dad hatte ohne ein Wort zu sagen, aus der Windschutzscheibe gestarrt. Als wäre er nicht Mal richtig anwesend. Und wenn Dad schwieg, war das ein Zeichen dafür, dass er sehr sauer war. Vielleicht hätte ich wirklich ein Zettel hinterlassen sollen. Aber ich hatte in dem Moment nicht darüber nach gedacht. Ich hatte in dem Moment gar nicht nachgedacht. Ich war einfach so...

»Was zu Hölle hast du dir dabei gedacht?«, zischte Mom, als wir die Küche erreichten. Müde sah ich zu ihr auf. Ich wollte jetzt nicht streiten. Am liebsten würde ich mich nur in meinem Bett verkriechen, so zu tun, als wären es nicht meine Probleme, die mir den Schlaf raubten, aber sie schien einen anderen Plan zu haben. »Du kannst nicht einfach so verschwinden!« Ich spürte, wie Dad sich demonstrativ hinter mich stellte, »Milena, vielleicht sollten wir Morgen darüber -«
»Nein!«, fiel sie ihm ins Wort. »Wir reden jetzt darüber!«

Angespannt sah ich zu Dad hinauf. Ich hätte erwartet, dass er derjenige sein würde, der die Standpauke anführen würde, aber ... Dad sah schrecklich erschöpft aus. Sein Blick lag leblos auf Mom. Es schien als wäre ihm ein Stück Leben verloren gegangen. »Deine Tochter benimmt sich absolut unverantwortlich! Ist dir das überhaupt schon mal aufgefallen? Sie beleidigt! Sie verschwindet einfach spurlos! Und ihr respektloses Verhalten!«, schimpfte sie. Ich griff unbewusst nach Dads Hand, verschränkte meine Finger mit seinen.

Milena sah schnaubend zwischen uns hin und her, verschränkte die Arme. »Ernsthaft? Habt ihr nichts dazu zu sagen?« Ich wartete drauf, dass Dad ihr zustimmte, aber er fuhr mir nur aufmunternd über die Haare und ich sah fragend zu ihm auf, hielt unvorbereitet inne. Keine Wut war in seinen Zügen zu finden. Alles okay?, fragte sein Blick. Erst dann realisierte ich, dass Dad wirklich nicht sauer auf mich war. Der Druck auf meinen Lungen löste sich, als ich merkte, dass er verstand warum ich verschwunden war. Und diese Erleichterung ließ meine Unterlippe zittern: Leicht schüttelte ich den Kopf, Nein.

Nichts war okay. Sam, er war...

»Darcy!«, forderte sie, als sie merkte, dass ich ihr kaum Beachtung schenkte. Trotzig hob ich meinen Blick, die Müdigkeit schlagartig verschwunden, »Was?«, keifte ich. Ich war das alles langsam echt leid. »Nicht in diesem Ton! Du schuldest uns eine Entschuldigung!«, mahnend hob sie einen Zeigefinger und ich hätte beinahe ausgelacht. »Für was?«
»Für was? Darcy, weißt du was wir uns eigentlich für Sorgen gemacht haben? Wir sind Mitten in der Nacht-« Etwas kaltes rannte mir durch mein Blut, legte sich auf meine Zunge. Ein Gefühl, das nach vergessenen Geburtstagen und falschen Versprechen schmeckte. Nach nächtelangem Grübeln und dem Gefühl nie gut genug zu sein. »Jetzt machst du dir also Sorgen?«, spottete ich, keine Träne mehr übrig.

Ich spürte wie Dad hinter mir unruhig wurde. Wie Milena erstarrte. Ich legte herausfordernd den Kopf schief, »Hat' ja lang genug gedauert.« Ich dachte, es würde leichter werden, wenn ich ihr nochmal eine Chance geben würde. Wenn ich verstehen könnte, warum sie uns damals verlassen hatte. Ich dachte, wenn ich diejenige bin, die ihr zuerst vergibt, wäre es leichter für Dad.

Aber ich war noch wütend. Die Enttäuschung - die Verachtung- hatte mich nie ganz los lassen können.

Dad hatte es nie einfach gehabt, dass wusste ich. Shit, ich hatte gesehen wie viel er für uns geopfert hat. Er wollte nie diesen verdammten Job! Er wollte nie dieses Leben! Er wollte nie ...!Deswegen dachte ich, dass wenn ich mitspielen würde, Mom mit offenen Armen empfing, er etwas von der Last ablegen konnte. Und ein kleiner Teil von mir, hat sich erlaubt, wieder an ein Leben mit einer Mom zu denken. Denn trotz allem, konnte ich nicht anders als sie all die Jahre zu vermissen.

Aber ich konnte es beim besten Willen einfach nicht mehr. Ich hatte es versucht. Wirklich. Aber dieser Zorn... Ich war ihr zu lange, zu oft egal gewesen, dass es vielleicht einfach zu spät war.

Vielleicht war ich zu alt für Wiedergutmachungen. Vielleicht war ich zu jung für Vergebung.

Und jetzt war sowieso alles egal. Sam ist weg.

»Darcy.«, hörte ich Dad hinter mir ermahnen. Ein letzter müder Versuch den Frieden zu wahren. Aber ich scheiß auf Frieden. Sie hatte das hier angefangen. Ich wollte nur schlafen. Kalt begegnete ich ihrem Blick. Hilfesuchend sah sie zu Dad, bevor sie entrüstet ihre Nase rümpfte, »Wie redest du denn mit mir? Dein Vater hat dich vielleicht lang genug solchen Dingen durchkommen lassen, aber-«
»Mit solchen Dingen?«, entgegnete ich fassungslos. »Denkst du etwa, du hast das Recht über meine Erziehung zu urteilen?«, zischte ich und stützte mich auf die Theke.

»Denkst du etwa, du kannst einfach so die Mom spielen, weil du ein paar Tage so getan hast als würde ich dir nicht am Arsch vorbei gehen?« Sie sah mich erschrocken an, ihr Gesicht eine Spur bleicher. Als würde sie sich sammeln, schüttelte sie sachte den Kopf, »Ich weiß dass du aufgebracht bist, wegen der Sache mit dem Assistenten, aber das gibt dir kein Recht so mit mir zu re-«
»Sein Name ist Sam!«, schrie ich eine sengende Wut in meinen Adern. Sein Name, war Samuel Cortez. Und er war kein verdammter Assistent.

»Er ist mehr mein Elternteil, als du jemals sein wirst!«, sprach ich aus, bevor ich es überhaupt realisierte. Ich hörte wie Dads Atmung stockte, ich sah wie Milenas Augen zu Schlitzen wurden. Aber es war die Wahrheit, und diese Erkenntnis ließ mich meine Hände zu Fäusten ballen.

»Er war derjenige, der mit mir Waffeln gekauft hat, wenn ich traurig war! Er war derjenige, der mir beigebracht hat wie man richtig zuschlägt, falls ich mich mal verteidigen muss! Er war derjenige, der-«, meine Stimme brach. Für ihn war ich nie nur ein Job gewesen. Keine Bürde. Keine Aufgabe. Für Sam, war ich Familie. Mit knirschenden Zähnen setzte ich erneut an, »Und Dad,« ich zeigte mit dem Finger auf ihn. »War derjenige, der mir beigebracht hat, wie man Fahrrad fährt! Der bei jeder einzelnen Ballettaufführung saß, auch wenn es hieß, dass er einen Notfall vortäuschen musste um aus einer Besprechung zu fliehen! Er war derjenige, der sich selbst durch Mathe quälte nur damit er mir mit meinen Hausaufgaben helfen konnte!«, Luft schnappen rutschten meine Arme von der Platte.

Einen Moment siegte die Stille über uns. Einen Moment hörte ich nur meinen rasenden Puls. Dann...

Moms Gesicht verzehrte sich, »Ich bin immer noch deine Mutter!« Ich sah Richtung Decke, schluckte den Kloß in meinem Hals hinab. »Bist du?«
»Natürlich, ich-«
»Du warst nie da!«, kreischte ich. »Nie! Du warst nie da! Du bist einfach gegangen und- Denkst du ich kann mich an jenen Abend nicht erinnern?« Ich spürte Dads erschrockenen Blick in meinem Nacken. Wir hatten nie darüber geredet, weswegen er wahrscheinlich annahm, dass ich noch zu jung war.

Aber wie immer: Ich war ein Kind, nicht dämlich.

»Ich wusste, dass es die letzte Chance war, die Dad dir geben würde! Ich hab' euch damals streiten gehört!« Sie dachten, ich wäre auf der Couch eingeschlafen, doch ich hatte ihre Stimmen in der Küche gehört. Ich hatte Alles gehört. Und als Mom dann fanatisch ihre Tasche gepackt hat, hatte ich etwas getan, dass mich bis heute nicht los lies: »Ich hab' dich angefleht zu blieben!« Ich war nur ein kleines verschlafenes, verzweifeltes Kleinkind gewesen, dass die Situation nicht mal wirklich verstehen sollte, doch selbst damals war es mir klar gewesen. »Ich hab' dich angefleht mich nicht wieder zu verlassen! Aber du-!« Eine Träne rollte mir über die Wange. Es tut mir leid, Süße. Aber ich kann nicht bleiben.

»Ich dachte, du würdest doch tatsächlich für mich entscheiden.« Ich dachte, ich wäre genug.

Milena hatte die Hand vor den Mund geschlagen und ich sah deutlich die Schuld in ihren Augen. Schuld, als würde das reichen. Doch keine Reue der Welt, konnte eine Kindheit ersetzten. Wütend wischte ich mir die Tränen von der Wange.

Schnaubend strich ich mir mein Shirt zurecht, als würde das meine Würde wiederherstellen, die ich gerade mit einem kindischen Aufstand geopfert hatte. Als ich erneut ansetzte, zitterten meine Worte nicht mehr:

»Ich und Dad sind bis jetzt gut allein klar gekommen. Wir brauchen dich nicht. Nicht mehr. Und wenn du nur hier bist, um dämliche Vorträge zu halten, dann tu' das was du am besten kannst.« ich deutete zur Tür.

»Verschwinde.«

Not your Secretary! [BxB]Where stories live. Discover now