38| Ketchup?

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Never Let Me Go
Florence + The Machine

Sam

»Als du sagtest du willst Burger, dachte ich, du ladest mich in ein Restaurant ein!«, lachte Percy, als er in seinen, in Alu verpackten, 3-Dollar-Burger biss. Mit meinen Wangen voll bis zum Anschlag, sah ich zu ihm hinüber. Es war ein seltsamer Anblick. Für mich jedenfalls. Für jeden anderen, der uns auf dem Gehsteig spazieren sah, musste es aussehen, wie zwei Geschäftsmänner, die sich nach Feierabend lediglich noch etwas zum Essen holten. Das war es theoretisch auch, doch für mich ... Percy ging ein paar Schritte vor mir, hatte sich zu mir umgedreht, und sah damit absolut nicht, wo er hin ging. Aber das schien ihn nicht Mal ansatzweise zu stören. Mit vollem Mund grinste er mich an.

»Bist du nicht der Multi-Milliardär von uns?«, warf ich ein und er legte den Kopf schief. »Verurteilst du mich gerade etwa?« Kopfschüttelnd sah ich wieder auf meinen, vor Fett triefenden, Burger hinab. Nicht gerade das Beste was ich jemals gegessen habe, aber es war besser als diese sogenannten Horsd'oeuvre, die aussahen, als wären sie schon mal verdaut worden. »Woher kanntest du den Laden?«, mampfte er und ich sah wieder zu ihm hoch. »Das Zeug ist unglaublich.« Ich kannte den Besitzer. Seine Tochter besuchte öfter das Gemeindezentrum, und ich hatte ihm in der Vergangenheit, bereits Mal mit der Miete geholfen. »Google.«, antwortete ich knapp und er nickte verstehend.

»Weißt du, ich hätte nicht erwartet, dass du derjenige bist, der freiwillig früher eine Gala verlässt.«, begann er und der Wind zerrte seine Haare aus seinem Zopf, zurück in seine Stirn. »Für jemanden, der so sehr darauf bedacht ist, alles-«
»Percy!«, erschrocken packte ich seinen Kragen zerrte ihn zurück, als er gerade dabei war, rückwärts gegen eine Laterne zu laufen. Schwunghaft krachte er gegen mich und wir taumelten einen Schritt zurück.

Blinzelnd sah mein Boss mich an, nur Zentimeter von mir entfernt, »Also«, raunte er, als wäre er nicht gerade fast blindlings in eine Metallstange gerannt, »Was ist Heute anders?« Mein Kiefer krampfte. Ja, das hatte ich mich auch schon gefragt. Diese Gala war wichtig um Kontakte zu knüpfen. Vielleicht war es Percy's Einfluss gewesen, doch ich wollte bereits nach 3 Minuten diesen Raum voller reicher Snobs wieder verlassen. Auch wenn ich wusste, dass ich eigentlich dafür sorgen sollte, das Percy weiter darin sein Gesicht zeigte, wie eine Schaufensterpuppe. Ihn den Blicken der Masse ausliefern. Aber ... Ich wollte an diesem Abend der einzige sein der...

Ich sah ihn an.

Das Licht der Straßenlaterne flackerte einen Moment, und es sah aus, als wären es seine grauen Augen, die für eine einzige Sekunde aufblitzten. »Sam?«, fragte er leise und ich merkte, dass ich ihn immer noch nicht geantwortet hatte. Was war anders? Ich wusste es beim besten Willen nicht. Seitdem Moment in dem ich beschlossen hatte, Percival Moreaus Freund zu sein, schien ich mich selbst nicht mehr zu kennen. Oder wenigstens die Person, von der ich dachte, das ich sie wäre. Ich schien alles in Frage zu stellen. »Ich...«, begann ich und sah hinab.

Entdeckte den Fleck Ketchup, den sein Burger während unseres Aufpralls auf meinem Hemd hinterlassen hatte. Roter Ketchup auf einem weißen Baumwollhemd. Percy folgte meinem Blick und sah erschrocken zu mir auf. »Shit!«, mit hektischen Bewegungen, begann er daran herum zuwischen, versuchte wahrscheinlich, den Schaden zu beseitigen. Seine Hände lagen auf meiner Brust. »Shit, shit, shit!« Er stand kaum einen Schritt vor mir und sorgte dafür, dass auch der Rest meines Hemdes nun einen leicht rötlichen Farbton bekam. »Ich kauf dir ein neues! Nein, 10!« Ich war wie erstarrt. »Percy!« Er war zu nah. »Das wollte ich wirklich nicht. Ich-!«
»Percival.« Zu panisch. »Der Fleck geht einfach nicht ra-« Ich packte sein Handgelenk und er erstarrte. Erschrocken sah er mich an. Ich spürte die Luft, als er stockend ausatmete. Spürte seine Haut unter meinen Fingern, »Es ist nur ein dummes Hemd.«, raunte ich.

Percy starrte mich an. Seine Lippen waren ein Stück geöffnet, als lag das Wort, das ich abgeschnitten hatte immer noch auf seiner Zunge.

Der Wind fegte erneut durch die Straße, zerrte an unseren Mänteln, doch ich spürte es kaum. Mein Blick huschte zu seinem Handgelenk, das immer noch in der Luft schwebte, zu meinen Fingern, die... Ruckartig ließ ich ihn los, trat nach hinten. Ein wenig benommen fuhr ich mir über mein Gesicht. Der Urlaub hatte mir echt nicht gut getan. Ich hatte doch für einen Moment wirklich meine Arbeitsmoral vergessen. Für einen Moment hatte ich alles vergessen.

Wie um dieses Gefühl auszuschütteln, setzte ich mich wieder in Bewegung und biss erneut ab. Kaute krampfhaft. Nach ein paar Schritten merkte ich, dass er mir nicht folgte und drehte mich wieder zu ihm um. »Kommst du?«

•••

»Nochmals sorry, wegen deinem Hemd.« Meinen letzten Bissen verspeisend, sah ich zu ihm hinüber. Wir hatten uns auf eine leere Parkband gesetzt, umgeben von einzig dem Lichtkegel der Lampen und den Schatten der Bäume. Percy war dabei, seine leere Alufolie in kleine Stücke zu zerfetzten. »Ist schon gut.«

Ich spürte wie er mich mit seinen Blicken durchbohrte. Seufzend lehnte ich mich zurück, »Wirklich, Percy.« Von meinen Worten nicht überzeugt, verdunkelte sich sein Blick und ich musste auflachen, »Was ist so witzig?«
»Nichts.«
»Sam

Ich streckte die Beine von mir, genoss den Geruch der Nacht, gab schließlich nach: »Ich dachte doch tatsächlich, als ich dir das erste Mal begegnet bin, dass du ein unnahbarer Arsch bist.« Percy stützte seine Ellbogen auf seine Knie, starrte nach vorne, »Das klingt, als würdest du jetzt nicht mehr so denken.« Ich hob die vielsagend die Augenbrauen und er stieß mich in die Seite, »Tu nicht so, mein Charme hat dich schon nach 5 Minuten auf meine Seite gezogen.«, zog er mich auf und ich schwieg. Sagte ihm nicht, dass er Recht hatte. »Also?«, fragte er, »Was denkst du denn nun jetzt von mir? Du warst noch nicht fertig?«

»Oh, doch.« raunte ich und verschränkte die Arme hinter meinem Kopf. »Ich wollte das einfach nur mal los werden.« Ein erneuter spielerischer Schlag gegen meine Nieren, »Du mieser Wichser.«

Ich grinste in mich hinein. Eine Weile schweig ich, beobachtete wie er die Folie weiter in Konfetti verwandelte. Damals dachte ich, sein Ego wäre zu groß, als das ich ihm wirklich zur Seite stehen konnte. Ich dachte, er wäre die Art von Person, die keine Hilfe annehmen konnte. Ich dachte, er hätte vor nichts und niemanden Angst. Ich dachte, er wäre unnahbar.

Dennoch hatte ich mich für ihn entscheiden. Als hätte ich es damals schon gewusst.

Denn dann war da so viel mehr. Die Unsicherheit in seinen Augen, wenn er seinen Sarkasmus als Schutzschild nutzte. Die Angst, bei jeder seiner Entscheidungen, einen Fehler zu machen. Seine Sorge um seine Tochter. Sein Mitgefühl, und die Art wie er alles zu einem Scherz machen konnte. So wunderbar unprofessionell.

Er war so unfassbar menschlich, dass ich fühlte, als wäre es mir auch gestattet.

Ich wandte mich wieder zu ihm und merkte, das sein Blick bereits auf mir lag. Ein sanftes Lächeln auf seinen geschwungenen Lippen.

»Weißt du«, murmelte er. »Manchmal würde ich mein ganzes Vermögen aufgeben, um zu erfahren, was in deinem Kopf vor sich geht.«

Not your Secretary! [BxB]Where stories live. Discover now