58| Ein Geständnis

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Sam

Der Blick in seinen Augen war fast schon ehrfürchtig, und sorgte dafür dass eine Welle der Angst ä über meine Wirbelsäule rollte. Immer wenn er mich so ansah, fühlte ich mich schrecklich entblößt. Als würde er etwas sehen, dass ich nicht begreifen konnte. Räuspernd sah ich wieder hinab auf das Bild meiner Eltern.

Ich hatte es seit Jahren nicht mehr angesehen und als ich merkte wie meine Hände Klamm und mein Mund trocken wurden, erinnerte ich mich an den Grund. Es erinnerte mich an etwas vergangenes, an etwas dass mir niemals wieder gestattet sein würde. Und ich konnte mir nicht erlauben, an etwas zu hängen was sich nicht in meiner Reichweite befand. Percy reichte mir das Bild zurück und ich legte es sachte zurück.

Ich erhob mich vom Fußboden, und stellte den Karton zu den anderen Sachen, die sich bereites in meiner Box fanden. Aufgewühlt packte ich meine Sachen und brachte sie zurück ins Wohnzimmer. Irgendwas stimmte mit mir nicht, und ich meinte damit nicht meine Gehirnerschütterung. Percy folgte mir. Ich wusste nicht, warum ich ihm diese Bilder gezeigt hatte. Shit, ich war eigentlich so unglaublich wütend auf ihn, aber... ich drückte die Schultern durch. Ich schämte mich nicht für meine Vergangenheit. Es war kein Geheimnis. Dennoch war es nicht etwas, über da sich wirklich redete. Aber das lag vielleicht auch daran, dass es nie jemand gegeben hat, der zuhören würde.

Ich stellte die Box vor die Couch und verharrte für einen Moment. »Was ich Gestern im Krankenhaus gesagt habe, als ich...«, meine Stimme war seltsam zittrig, völlig fremd von den klaren Worten, die ich mir all die Jahre antrainiert hatte, völlig fremd von dem Geschäftsmann zu dem ich geworden war. »Meine Eltern starben als ich sehr jung war.«, begann ich und vergrub meine Hände in meinen Hosentaschen. »Autounfall. Von da an...«, meine Kehle schnürte sich zu, während ich immer wieder den Umriss des Kartons mit meinen Augen umwanderte, als würde ich dort die Worte finden, die mir zu fehlen schienen. Ich hatte das noch nie jemanden erzählt.

»Es gab viele Familien bei denen ich dachte, dass es diesmal klappen würde.« So oft dachte ich, dass ich diesmal länger bleiben würde, als ein paar Wochen oder Monate. Doch um so älter ich wurde, um so weniger Hoffnung hatte ich übrig, wenn ich erneut die Stufen der Verandas hinauf schritt, mich vorstellte oder mich erneut in meinem neuen Zimmer umsah. Irgendwann kam es mir heuchlerisch vor, die Adresse mein Zuhause zu nennen, so zu tun, als würden mich meine neuen Eltern interessieren und ich zählte nur noch die Tage, bis man mit mir das Gespräch führte und irgendwann...

»Nach so vielen verschiedenen Familien lernt man viele Dinge«, murmelte ich und verdrängte die Erinnerungen, die wieder an die Oberfläche schwappten. Immer ein zweites Handy besitzen, das Haus von Beginn an nach Waffen absuchen, niemandem vertrauen und... »Die menschliche Zuneigung ist begrenzt, Percy.« Vergänglich. Zerbrechlich. »Also wenn du nicht weggeschmissen werden willst, hast du besser etwas zu bieten das nützlich ist.«, raunte ich. Mach dich wertvoll, unersetzbar, wichtig oder lande schnell wieder auf der Straße. So lief das nunmal.

Ich wandte mich wieder zu meinem Schlafzimmer, dort wo Percy immer noch stand, mir schweigen zuhörte. Irgendwas an der Art wie er mich ansah, ließ mich weiter reden. »Dieser Job ist meine Absicherung, verstehst du das?« Der Grund warum ich in ihrem Leben belieben durfte, ohne ein Zeitlimit. »Du-«, ich fuhr mir über mein Kinn, zögerte, »Du weißt wie ich für dich fühle.« Er musste es gesehen, gespürt, haben. Ich wich seinen Blick aus. »Aber ich kann das nicht gegen etwas eintauschen, dass früher oder später...« Mein Arm schien erneut zu schmerzen. Die Schmerztabletten ließen nach. Ich fuhr mir über den Stoff meines Sweaters, setzte erneut an.

»Ich bin es leid, wieder vor die Tür gesetzt zu werden.«, gestand ich. »Ich kann nicht zulassen, dass du zu der selben Erkenntnis kommst wie alle anderen auch.«, ich schluckte schwer. Ich würde es nicht ertragen, wenn er irgendwann erkennt, dass er mich nicht mehr um sich haben will. Ich kann nicht auf den Moment warten, in dem dieser eine bestimmte Ausdruck in seinen Augen verschwinden wird. Ich hatte das schon zu oft erlebt. Und bei Percival würde es so viel schlimmer sein als all die Male zuvor. »Deswegen bin ich gegangen.«, endete ich meinen Monolog und begegnete endlich wieder seinem Blick. Deswegen kann ich das nicht zulassen.

Percy schwieg für eine Weile und ich dachte schon er würde gar nichts mehr erwidern. Er stand in dieser Tür in diesem Apartment, als wäre er schon immer hier gewesen und sah mich einfach nur an.

Mit jeder Sekunde die verstrich wurde ich unruhiger, bis er mich schließlich erlöste: »Und was ist mit mir?« Ich starrte ihn an, »Was?«
»Du kannst mir nicht Weiß machen, dass ich in irgendeiner Form nützlich für dich bin. Ich meine ich bin laut, anstrengend und so absolut chaotisch! Also ist es doch nur eine Frage der Zeit, bis du derjenige von uns bist der... geht, oder nicht?« Ich schüttelte den Kopf, »Nein, so läuft, dass nicht. Ich-« Ich würde niemals einfach so... Percy hob die Augenbrauen. »Du würdest niemals was? Einfach jemanden vor die Tür setzten, nur weil du keinen Nutzen aus ihm ziehst?« Ich presste die Lippen zusammen, als ich realisierte, was er da gerade tat. Er trat in den Raum, auf mich zu, »Aber ich würde?«
»Percy, ich-«
»Du hast Angst.«, raunte er und kam noch näher. »Und - shit! - wenn jemand ein Recht darauf hat, dann du, ich meine- ich kann mir gar nicht vorstellen wie das für dich gewesen sein muss, du- «, ein Blitzen huschte durch seine Augen, ein Schatten von einem unbändigen Zorn den ich schon Mal bei ihm gesehen hatte. »Niemand verdient es so behandelt zu werden, Sam. Und diese Menschen-«, er schnaubte verächtlich seine Hände zu Fäusten geballt.

»Ich habe keine Ahnung, wie das hier«, er deutete zwischen hin uns her, »enden würde. Aber du weißt es auch nicht. Ja, vielleicht enden wir in einer Katastrophe, vielleicht wäre es wirklich besser, wenn wir es niemals versuchen. Denkst du etwa ich habe keine Angst? Verletz zu werden? Ich kann dir nichts versprechen, Sam. Genauso wenig wie ich das von dir verlangen würde« er holte tief Luft. »Aber gottverdammt nochmal! Ich weiß, dass ich es dennoch versuchen will. Trotz dieser ganzen Scheiße. Weil ich weiß-« er schien nach den Worten zu ringen.

»Weil ich auch weiß, was ich hier und jetzt für dich fühle. Weil ich weiß, dass ich niemals nur dein Freund sein könnte, nicht nachdem ich weiß, wie es ist dich zu küssen.« Eine sengende Hitze kroch mir unter die Haut, als er auf mich zu kam, meine Hand in seine nahm. »Und wenn du lieber auf sicher spielen willst, dann ... tu es. Ja, rede dir weiter ein, dass es das ist was du willst. Ich respektiere das, lass dich ein für alle mal Ruhe. Aber ich will, dass du weißt, dass das für mich, für die Dinge die ich für dich fühle, nichts ändert. Shit, ich....«, er fuhr sich durch die Haare, kam noch einen Schritt auf mich zu, so dass ich seinen Atem spürte. Diesmal wich ich nicht zurück.

»Vielleicht habe ich es einfach noch nicht klar genug ausgedrückt«, sagte er. »Aber, ich will dich, Samuel Cortez. Und fuck, ich glaube ich habe noch nie jemanden so sehr gebraucht wie dich. Und ich rede nicht von deinen Berichten, oder -«

Ich packte ihn, klammerte mich an seinen Hals, bevor meine Lippen auf seine krachten.

Not your Secretary! [BxB]Where stories live. Discover now