99. Kapitel

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Ich springe vom Stuhl auf und gehe zu ihm auf die andere Seite des Schreibtisches. Mein Herz klopft mir bis zum Hals. Er liegt auf dem Boden und hält sich schwer atmend die Brust.

,,Was ist los?", frage ich betont ruhig und versuche ihn aufrecht zu lagern, wie es mir beigebracht wurde.

,,Hey, ganz ruhig atmen. Ich bin bei dir. Ich hole auch sofort Hilfe", versuche ich ihn irgendwie zu beruhigen.

,,Haben du eine Allergie?", es ist das erste was mir einfällt und auch mit seinen Symptomen passt. Außerdem wechsel ich zum Du um ihm in Gefühl von Sicherheit zu vermitteln. Es haben sich rote Flecken an senem Hals gebildet und er wirkt blass. Um ihm das Gefühl zu geben, besser Luft zu bekommen öffne ich sein Hemd en wenig.

,,Nur...N-N-Nuss", sagt er atemlos während seine Augenlieder beginnen zu flackern. Ich überprüfe erneut seinen Puls, er rast. Ich ziehe mein Handy aus der Tasche.

,,Schön bei mir bleiben!", mit letzter Kraft versucht er immer wieder mich von sich wegzudrücken und scheint meine Hilfe gar nicht annehmen zu wollen. Scheiße, scheiße, scheiße! Verflixtes Handy. Ich gebe es auf mein Hany zu bedienen und schreie einfach, der Aufenthaltsraum ist ja nur den Flur runter.

Alex Sicht:

Ich sitze schon im Aufenthaltsraum und habe Phil abgelöst, als auch Birgit hereinkommt um Oli abzulösen.

,,Hey, ich hab Sophia mitgebracht, die war ja bei uns. Du kannst sie bestimmt gleich mitnehmen oder Oli? Sie will noch was klären wegen einem Praktikum. Linus ist da oder?", begrüßt sie uns.

,,Jap, er macht noch einen ganz guten Eindruck, bin gespannt wie er sich im Einsatz schlägt." Nachdem Oli zugestimmt hat Sophia mit zu nehmen macht er sich auf den Weg zu den Umkleiden. Wir quatschen noch ein bisschen über einen gemeinsamen Einsatz der uns alle sehr mitgenommen hat, als ich einen markerschütternden Schrei wahrnehme.

,,Hilfe! Bringt einen Notfallrucksack mit und kommt in Linus Büro, schnell!", Sophias Stimme zittert vor unterdrückter Nervosität. Birgit und ich tauschen einen besorgten Blick und springen gleichzeitig auf.

Flo und Dustin (unsere Fahrer) folgen uns nur Sekunden später bewaffnet mit einem Notfallrucksack und einem C3-Monitor, man weiß ja nie. Als wir das Büro erreichen und ich die Tür aufstoße zittert meine Hand sichtlich. Ich kann auf den ersten Blick niemanden erkennen, doch dann sehe ich, dass Sophia mit Linus, der sich heftig wehrt unter dem Tisch befindet.

Seine Atmung geht hektisch und er fasst sich immer wieder panisch an den Hals und den Brustkorb. Ich stürze auf die beiden zu und versuche die Situation so schnell wie möglich zu erfassen.

,,Weißt du was passiert ist?", frage ich zuerst an Sophia gewandt, während ich Linus mit dem Monitor verkable.

,,Er hat während dem Gespräch angefangen immer schneller zu atmen. Irgendwann ist er dann vom Stuhl gefallen. Ich hab versucht ihm so zu hefen wie ihr es mir gezeigt habt, aber er hat sich total gewehrt. Ich vermute er hat einen Anaphylaktischen Schock. Ich habe nur aus ihm herausbekommen, dass er auf Nüsse Allergisch reagiert.", gibt sie mir so knapp wie möglich eine Übergabe.

Ich sehe richtig wie es in ihrem Kopf arbeitet und wie nervös sie eigentlich ist. Auch ich versuche mich trotz dem Stress nach außen hin ruhig zu geben um ihr Sicherheit zu vermitteln.

,,Übrigens da steht ein Kuchen der angefangen wurde. Ich weiß nicht von wem der ist, aber wenn er den gegessen hat und da Nüsse drinnen sind?", gibt Sophia noch zu bedenken und geht dann auf Abstand, damit wir besser Arbeiten können.

,,Sehr gut beobachtet, Sophia, danke. Flo Sauerstofftasche sofort. Dustin zieh mir 0,5 mg Adrenalin (i.m.), 250 mg Prednisolon (i.v.) und 4 mg Fenistil (i.v.) auf und bereite eine Infusion vor. Birgit leg mir bitte einen Zugang", werfe ich mit Anweisungen um mich.

Da ich als erster am Patienten war habe ich sozusagen die "Führung" über den Ensatz übernommen. Flo ist zum Glück schnell zurück und legt ihm die Sauerstoffmaske an.

,,8 Liter, schnell!", gebe ich die Anweisung. Zum Glück hat Birgit schon den Zugang gelegt. Ich Spritze Linus, der inzwischen bewusstlos geworden ist, erst das Adrenalin intramuskulär mit einem präzisen Stich in den Oberschenkel.

Die anderen Medikamente verabreiche ich ihm intravenös und hänge dann die Infusion an den Zugang. Sein Puls beruhigt sich schnell und der Blutdruck steigt auch langsam wieder. Das gibt mir einen weiteren teil meiner inneren Ruhe wieder. Ich atme einmal tief durch.

,,Okay, Dustin mach uns einen Einsatz auf, schnapp dir eine RTW-Besatzung und ab die Post in die Klinik", gebe ich letzte Anweisungen und habe mich selbst wieder auf einen normal Puls gebracht.

Ich schaue mich nach Sophia um und stelle fest, dass sie etwas verängstigt in der Ecke sitzt. Sie zittert, was wahrscheinlich von dem ausgeschüttetem Adrenalin kommt.

Die anderen bemerken sie auch, da sie jetzt aber bestimmt nicht vier besorgte Leute um sich rum haben will schicke ich die anderen vor: ,,Packt bitte zusammen und geht schonmal vor. Sonst kann ja vielleicht auch Birgit mitfahren, sie hat ja alles mitbekommen."

Die anderen machen sich zum Glück direkt daran zusammenzupacken und kurz darauf holen sie auch Linus mit der Trage raus. Birgit klopft mir auf die Schulter.

,,Kein Stress, ich fahre mit." Dankend lächelnd setze ich mich neben Sophia in die Ecke. Sie wirkt nicht traurig oder verstört, aber verängstigt und das kann ich auch verstehen. Ihre Pupillen sind etwas geweitet, als ich sie anschaue.

,,Alles gut? Komm mal her." Ich nehme sie einfach in den Arm und drücke sie an meinen Oberkörper. Ich setze sie nicht unter druck oder versuche mit ihr über den Einsatz zu sprechen und genau das scheint sie gerade zu brauchen, denn sie entspannt sich immer weiter in meinen Armen.

,,Danke", sagt sie schließlich und ich blicke sie verwundert an.

,,Wofür? Du hast eher ein danke verdient. Du hast eine gute Erstversorgung geleistet, hilfe geholt und mir noch eine perfekte Übergabe gemacht, obwohl du nicht auf diesen Einsatz vorbereitet warst und hast deine Nervosität im Zaum gehalten. Das war richtig Klasse", erkläre ich ihr.

Sie grinst daraufhin und legt sich wieder in meine Arme, bis Oli den Raum betritt. Er geht vor uns in die Hocke und streichelt über ihren Rücken.

,,Was ein Abenteuer. Kann man dich nicht mal eine Sekunde aus den Augen lassen, bevor du wieder Heldin spielst?", neckt Oli sie. Sie grinst weiter vor sich hin, antwortet aber nicht.

,,Kommst du mit nach Hause oder belagerst du Alex weiter?", fragt er schmunzelnd und zieht sie in seine Arme. Sie lässt es komentarlos geschehen und lehnt sich jetzt an seine Brust.

,,Nach Hause bitte", flüstert sie schließlich.

,,Okay, dann ruhigen Dienst dir noch Alex und bis später." Ich verabschiede mich ebenfalls von den beiden und gehe zurück in den Aufenthaltsraum.

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Ich muss sagen ich liebe dieses Kapitel. Ich hoffe es gefällt euch auch.

Ich habe ziemlich lange für dieses Kapitel recherchiert und hoffe, dass alles passt.

Soll ich öfter die Einsätze so detailliert beschreiben?

Hab euch alle lieb ;-)

(Asds) Von der Glücklichen Familie zum WaisenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt