100. Kapitel

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Sophias Sicht:

Zuhause angekommen machen ich es mir auf der Couch gemütlich, während ich Francos Oberschenkel als Kissen missbrauche. Auch Oli hat sich zu uns gesetzt. Keiner redet, wir genießen alle einfach die Ruhe und den Moment.

Leider währt die Ruhe nicht lange, als die Haustür aufschwingt und zwei grimmig dreinblickende Herren das Haus betreten. Ich mustere sie genauer und muss feststellen, dass sie komplett durchnässt sind.

,,Was ist den mit euch passiert?", frage ich lachend.

,,Mal aus dem Fenster geschaut?", mault Paul und wird seine nassen Klamotten so schnell wie möglich los. Auch Stephan zieht seine Jacke aus und verschwindet im Badezimmer.

,,Man! Ich wollte zuerst ins Bad!", schlecht gelaunt lässt er sich auf eines der Sofas fallen und mustert uns skeptisch.

,,Hattet ihr einen besseren Tag?", fragt er in die Runde.

,,Mhh, also abgesehen davon, dass Linus, der neue Notarzt, fast verreckt wäre und sich von mir gar nich hat helfen lassen wollen, ich für Bio ein Projekt vorbereiten muss und wenn wir schonmal dabei sein: Mit meiner Hausarbeit habe ich noch nichtmal angefangen. Also, ja ich denke schon", gebe ich zufrieden zu bedenken.

,,Ach du heilige Makrele" Stephan kommt nur mit einem Handtuch um die Hüften aus der Wellness Fabrik und macht somit Paul platz der sofort aufsteht und sich ebenfalls dorthin begibt.

,,Klingt nach einem spannenden Tag" Stephan begibt sich die Treppen hoch, wahrscheinlich. besser gesagt hoffentlich, um sich etwas anzuziehen.

,,Ich glaub die Jungs hatten wirklich keinen guten Tag. Dann werde ich mich mal ums kochen kümmern."

Oli steht auf und macht sich auf den Weg in die Küche, kurz darauf kommt er mit langezogenem Gesicht wieder. ,,Okay, Planänderung, um zu kochen müssten wir erstmal einkaufen gehen. Willst du mitkommen Sophia?", erklärt Oli.

Hm, eigentlich habe ich nicht wirklich Lust. Aber so könnte ich mich wenigstens vor dem Bio Projekt, der Hausarbeit und meinen Gedanken um Linus drücken. Ich wäge die Pro und Contra Argumente noch eine weile ab bis ich schließlich zu dem Schluss komme: ,,Ich gehe mit!"

Schon stehe ich auf, laufe in den Flur und renne dabei promt Paula um, die gerade ebenso nass wie Paul und Stephan das Haus betritt.

,,Huch, aufpassen." Wir bekommen uns beide gegenseitig an den Armen zu fassen und bewahren uns so vor einem Sturz. Ich mustere Paula ein, zwei vielleicht auch drei Sekunden und füge meiner Contra einkauf Liste einen Punkt hinzu: Regen = nass = eklig = Sollte ich es mir doch anders überlegen?

,,Komm schon Sophia, ich will nicht ewig warten, die Jungs wollen was essen wenn sie nach Hause kommen." Oli steht schon fertig angezogen an der Haustür und dreht die Autoschlüssel in der Hand. Ohne nochmal darüber nachzudenken schnappe ich mir meine Schuhe und eine Regenjacke, ziehe sie im gehen an und marschiere zur Haustür.

Oli lacht, schüttelt den Kopf, sagt aber nichts mehr und wir verlassen gemeinsam das Haus.

,,Welcher beschissene Idiot hat sich Regen ausgedacht!", schimpfe ich auf dem Weg zum Auto, was Oli noch einen Lacher beschert.

Ich lasse mich auf dem Beifahrersitz nieder während Oli den Motor und somit auch die Sitzheizung startet. Er lässt das Radio laufen indem heute irgendwie nur Müll kommt und das macht die Atmosphäre draußen nur noch unerträglicher.

,,Ich hasse das Wetter." ich verschrenke meine Arme vor der Brust und ziehe demonstrativ das Gesicht.

,,Was ist denn heute mit dir los? Du bist heute ja total negativ eingestellt. Ist da etwas jemand auf Liebes Entzug?", lacht Oli und leider trifft er damit genau ins schwarze. Ich drehe meinen Kopf zur Fensterscheibe und beobachte die Regentropfen.

Und als wäre heute nicht schon genug passiert spielt das Radio jetzt DAS Lied.

Photograph von Ed Sheeran.

"Loving can hurt, loving can hurt sometimes, but it's the only thing that I know." Ich fühle mich direkt an den Tag vor anderthalb Jahren versetzt.

Ich sehe alles genau vor mir.

,,We keep this love in a photograph, we made these memories for ourselves."

Alles spielt sich direkt vor meinen Augen ab. Ich kann nichts tun. Ich sitze im Auto neben meinem jüngeren Ich und kann nur zuschauen wie ich erneut meine Eltern verliere.

Plötzlich verspüre ich einen heftigen ziehenden Schmerz in meiner Brust Gegend, erst denke ich es ist das Gefühl als ich realisierte, dass ich meine Eltern verlor, bis ich eine Stimme an meinem Ohr wahrnehme.

,,Hey, hey, hey. Stopp. Atme mal bitte. Sophia! Atmen!", die Stimme klingt besorgt und sie kommt mir bekannt vor, doch ich sehe und spüre nichts.

Ich sitze im Auto am 26.02.2022.

Auf einmal drückt jemand meinen Brustkorb zusammen, kurz habe ich das Gefühl er würde zerspringen und ich mit meinen Eltern am 26.02 sterben, aber dann holt mich die Realität wieder ein.

Olis Sicht:

,,Scheiße!", stoße ich mit einem zittrigen Atemzug aus und fasse nach Sophias Handgelenk.

,,W-was ist passiert?", fragt sie mit ebenso zittriger Stimme und schaut sich verstört um. Wir sitzen beide auf der Rückbank meines Autos. Ich habe sofort angehalten als ich bemerkt habe, dass etwas nicht stimmt und sie schluss endlich auf die Rückbank gezogen um mich besser um sie zu kümmern.

Auf der Straße ist es dunkel und nur vereinzelt fährt ein Auto vorbei. Sie lehnt sich mit dem Rücken gegen meine Brust und genießt meine kraulenden Finger in ihren Haaren.

,,Ich weiß auch nicht was genau passiert ist. Wir haben uns unterhalten und aufeinmal hast du erst hyperventiliert und danach komplett aufgehört zu Atmen. Du hast nichtmal auf meinen Schmerzreiz reagiert. Ich hatte solche Angst um dich."

Ich nehme sie fester in den Arm und beruhige auch meinen Puls langsam wieder um ihr besser Ruhe und Sicherheit zu vermitteln, denn ich weiß, das sie sich in solchen Situationen gerne an der Atmung und am Herzschlag vertrauter Personen orientiert.

,,Ich... das Lied. Es war so real", versucht sie irgendwie ihre Gefühle in Worte zu fassen.

,,Was war mit dem Lied?", frage ich sanft, nicht drängend. Es muss für sie gerade sehr schwer sein, ihre Gedanken zu ordnen und sie zu formulieren.

,,Es ist okay, wenn du noch einen Moment brauchst. Wir haben Zeit. Wir können ja später Essen bestellen und morgen einkaufen gehen."

Wir verweilen einen Moment in der Stille, als es an der Fensterscheibe meines Wagens klopft und wir beide erschrocken zusammenzucken.

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Wer könnte das denn jetzt sein? Auf einer verlassenen Straße Kölns 😬

Hab euch alle lieb ;-)

(Asds) Von der Glücklichen Familie zum WaisenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt