08- der Typ, der meine Nummer missbraucht

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08- der Typ, der meine Nummer missbraucht

»Sag mir dann, wer das mit dem Buch war«, sagt Zamir knapp und dann geht er zu seinen Freunden. Ich bin übrigens immer noch erstarrt, weil ich nicht weiß, was ich tun soll. Unsere Lehrerin hat schon lange ihre Kamera zurück und verabschiedet sich von allen, weil es schon zur Pause schellt.

»Ist alles okay?«, fragt Jess. Ich nicke und versuche mir die Sache klein zu reden. Zwei Menschen gucken sich an. Das ist doch nicht schlimm.
Doch das ist es.

»Ich fand das Ende scheiße«, meint Zehra. »Das hätten man noch besser hinkriegen können.«
  Ich nicke bekräftigend und das erste, was in meine Sicht springt, als ich den Gang runter gehe, ist der pinke Haftzettel, der übrigens an Zamirs Rücken klebt. Mit meiner Schrift. Erstarrungsmodus an.
 
Immer, wenn etwas auf ein Plakat oder auf die Folie muss, soll ich schreiben, weil ich angeblich die bessere Schrift habe. Alle sind zu faul dafür. Ich tue es eigentlich nur, weil ich dann nicht mehr präsentieren muss.
  Ob jemand die Schrift erkennt?
Nein, sicher nicht. Aber was wenn?

Ich laufe etwas schneller, erreiche ich und nehme den Zettel runter, worauf er und seine Freunde zu stehen beginnen. Ich deute auf den Haftzettel, den ich zusammen geknüllt habe und lächle leicht. Das ist nicht auffällig. Einen Gefallen kann jeder tun und so laufen sie weiter.

Meine Freunde aber laufen nicht weiter, sondern sehen mich erwartungsvoll an.
  »Ich hatte Mitleid«, erkläre ich und schmeiße den Zettel weg. Selbst wenn er es nicht merkt, bringt der Typ mich in Schwierigkeiten.
  »Das verstehe ich ja«, sagt Jess. »Aber wieso trägt er Simges Jacke?«
  Natürlich war mir nicht eingefallen, dass die beiden ihn nicht mit dem Teil sehen würden. »Es war seine. Er meinte, ich hätte gezittert.«
  »Oh mein Gott, ist das süß!«, kreischte Zehra fast schon.
  »Oha, wieso denkt er wohl gerade an dich«, stupst mich Jess mit dem Ellenbogen an.
  »Ich sah so hässlich aus ohne Schönheitsschlaf, dass er Mitleid hatte.«
Das ist eigentlich keine große Sache. Aber erst als die Mädels so überreagieren, merke ich, wie aufmerksam das eigentlich von ihm war.

»Nein! Da muss mehr sein!«, findet Zehra und schreibt schon Szenarien in ihrem Kopf.
  »Ja, er schenkt dir viel Aufmerksamkeit«, stimmt Jess zu und beide nicken vielsagend.
  Ich schüttele lachend den Kopf und versuche es locker zu nehmen, während mein Blut in Vollgeschwindigkeit gepumpt wird. Wenn sie was ahnen, bin ich tot. »Ihr seid echt aufgedreht. Ehrlich, der Typ ist doch zu jedem so.«

  »Zu mir nicht«, schmollt Zehra.
  Jess nimmt sie in den Arm. »Das liegt wahrscheinlich daran, dass du zu wenig Mitleid erregend bist.«
Für den Kommentar schlage ich sie und das Thema ist zu ende.

Außerdem stellt sich heraus, dass meine kostbaren Freundinnen mir das Buch geschenkt haben. »Wieso macht ihr denn so ein Geheimnis daraus?«, frage ich sie kopfschüttelnd.
  »Na was dachtest du denn? Ein secret Lover?«, zieht Jess mich auf. »Zehra hat's wohl einfach vergessen, hinzuschreiben.«
  Danke auch, Zehra. Wegen dir hab ich Zamir gefragt. Und er hat das Gruppenfoto verunstaltet. Was soll ich eigentlich dagegen machen? Das Foto ist geschossen, die Frau ist weg. Ich hoffe, sie zeigt es keinem aus der Stufe, was sie garantiert machen wird.

Nach der Pause haben wir Englisch. Ich verstehe den Akzent meiner Lehrerin nicht, was das Ganze noch unerträglicher macht.
  »Früher hat dich nie jemand angeguckt«, flüstert Jess mir zu. Auch wenn das eine Art Beleidigung ist, überspringe ich es, sie zu schlagen und verdrehe die Augen. »Zamir sieht mich nicht an.«
  »Zamir ist nicht einmal im Kurs. Ich rede von Güney.«
  Mein Blick huscht sofort zu ihm und ich erwische ihn, wie er herschielt.

»Bist du sicher, dass er mich anguckt?«, frage ich unsicher.
  »Ob das was für den Armen bringt, weiß ich nicht. Dein Kopf ist ja bei Zamir.«
  »Ist er nicht«, protestiere ich zu laut. Zehra merkt erst jetzt, dass etwas nicht stimmt, weil sie vertieft in Englisch war. Man muss sich immer hundert Prozent konzentrieren, um diese Frau zu verstehen.

Der Typ, der mein Verlobter sein sollDonde viven las historias. Descúbrelo ahora