19- der Typ, der der Sohn des Apartmenteigentümers ist

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19- der Typ, der der Sohn des Apartmenteigentümers ist

»Nichts«, antworte ich und blicke dabei Güney direkt in die Augen. Wie oft muss ich noch irgendwem erklären, dass zwischen mir uns Zamir nichts läuft?
  Güney scheint nicht ganz überzeugt von meiner einsilbigen Antwort. Er hebt eine Braue und steckt dann sein Handy wieder ein.
  »Ich hab gefragt, wieso wir ein Gruppenfoto machen«, fügt Zamir meiner Antwort hinzu. »Ich wusste schließlich nicht, dass das die letzte Stunde mit der Lehrerin ist.«
 
Vielleicht hat Zamir Recht. Vielleicht mache ich es auffällig, indem ich es versuche unauffällig zu machen. Wenn wir Freunde wären, dann wäre ein Blick, ein Foto, ein Gespräch, das alles überhaupt kein Problem. Aber wenn wir uns nie sehen, nie ein Wort wechseln, dann macht es andere natürlich stutzig, wenn so ein Foto auftaucht oder wir in einem leeren Gang alleine reden.

Güney nickt. Natürlich. Zamir wird geglaubt, aber der Kindheitsfreundin nicht. Typisch.

»Was glaubst du eigentlich, dass du mich für einen Blick in Rechenschaft ziehen kannst, wobei du nicht einmal in deiner eigene Beziehung etwas auf die Reihe kriegst?«
Ich gehe einfach an ihm vorbei und verlasse den Gang, was schwieriger getan ist, als gesagt, denn eine Horde von Fünf- bis Sechsklässler gerade hineinströmt.

Meine Worte waren hart und ich bereue sie beinahe. Nur ist es einfach unfair, dass er bei mir ankommt, wenn er irgendein Problem hat, aber nicht einmal Vertrauen aufweisen kann.

Ich seufze.

Jetzt muss ich erst einmal Zehra finden und die ganze Sache zu klären. Gut ist, dass ich genau weiß, wo sie sich befindet, wenn sie traurig ist. Es ist der etwas abgelegene Bereich hinter den Fahrradständern. Früher, als sie noch mit dem Fahrrad hergefahren war, hat sie oft dort gestanden, wenn sie nach der Schule nicht nach Hause wollte, weil sich ihre Eltern damals oft stritten.

»Hey«, nuschele ich, weil ich nicht genau weiß, was ich genau sagen soll. Ich stelle mich zu ihr an den Zaun und lehne mich daran. »Es tut mir leid.«
Mein Blick wandert auf den Boden, wo ich mit der Schuhsohle kreise auf die trockene Erde zeichne. »Ich wollte dich nicht verletzen.«
  »Es ist okay. Ich hab überreagiert«, meint Zehra. Erst als ich hochsehe, merke ich, dass ihre Augen glasig geworden sind. Sie lächelt dabei. Das tut sie immer, wenn sie weint. »Du kennst mich. Ich bin entweder extrem glücklich oder tiefdepressiv.«

Sie atmet tief ein. »Ich war nur sauer, weil ich mich verarscht gefühlt habe. Es hat sich so angefühlt, als würdest du mir nicht vertrauen und deshalb lügen.«
  »Du weißt, dass es nicht so ist«, murmele ich. »Ich wusste nicht, was ich sagen soll. Die Person, die ihr als der Typ, in den ich verschossen bin, interpretiert habt ist eigentlich der Typ, der mir die letzten Nerven abschlachtet.«

Sie muss lachen. »Darin bin ich gut. Dinge falsch verstehen, meine ich.«
  »Ja«, stimme ich zu und nicke dabei kräftigend. »Genauso wie Jess und ich. Wir sind alle so. Und trotzdem hätte ich es sofort sagen sollen, anstatt zu denken, ihr würdet es falsch verstehen.«

Sie umarmt mich kräftig und ich sage ihr später, dass sie warten soll und ich uns heiße Schokolade hole.

In der Pausenhalle sitzt Güney. Er steht auf, als er mich sieht.
  »Was tust du hier?«, frage ich ihn. Ich stemme die Hände in den Hüften. Langsam reicht es mir.
  »Zehra und du ward nicht im Unterricht, also-«
  »-also musstest du herkommen? Als wer? Als mein bester Freund oder der hoffnungslose Fall, der seine Liebe immer noch nicht gestehen konnte?«
  »Aklima«, nennt er meinen Namen in einem Ton, der mich schlecht fühlen lassen würde, wäre ich nicht gerade wütend auf ihn.
 
»Ehrlich, Güney. Wie viele Gelegenheiten willst du noch? Ich würde ja sagen, mach, was du willst und lass mich da raus, aber Zehra ist meine Freundin-«
  »Du hast ja Recht«, unterbricht er mich. »Ich hatte so oft die Gelegenheit, aber ich will, dass es perfekt wird. Es soll eine schöne Erinnerung für sie sein.«

Der Typ, der mein Verlobter sein sollWhere stories live. Discover now