15- der Typ der spontan Interesse für Türkisch entwickelt

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15- der Typ, der spontan Interesse für Türkisch entwickelt

Sie atmet tief aus. »Ein Elternteil zu verlieren ist, sowieso schwer genug. Aber du hattest doch zumindest eine Mutter, die versucht hat, alles zu regeln. Sein Vater war damals beinahe nur auf Geschäftsreisen. Er war allein mit dem Hausmädchen, das nicht einmal die Sprache richtig beherrscht hat. Das mit den Drogen hat sein Vater erst dann bemerkt, als es ziemlich spät war.«

Sie will nicht mehr darüber reden, daher schließt sie die Tür auf und öffnet diese. Ganz zufällig steht Ilayda dahinter und tut so, als hätte sie nicht versucht zu lauschen. Das Pfeifen macht alles natürlich unauffälliger.

»Erst letztens Mirjana, jetzt Zamira, was hast du für ein Problem mit deinen Freunden, Aklima?«, fragt Ilayda und stemmt dabei die Hände in die Hüften.
  »Gar keins.«
Ich kneife ihr in die Wange und verschwinde dann in meinem Zimmer.

Ich fühle mich schlecht, weil ich nie an Zamirs Umstände gedacht habe. Das sein Vater weg ist, wusste ich ja, aber darüber nachgedacht, dass er gerade wahrscheinlich allein im Haus ist, das habe ich nie realisiert. Ich sehe jeden Tag meine Mutter und egal was passiert, ich weiß, dass sie es gerade biegen kann. Selbst das Dasein meiner kleinen Schwester ist so kräftigend.
Die Mutter tot.
Der Vater verhaftet.
Ganz allein im Haus.
Vielleicht kam er deshalb zu uns. Weil er allein ist.

Ich denke selbst darüber nach, als ich am nächsten Morgen in der Schule sitze.
  »Partnerarbeit«, verkündet unser Lehrer und ich mache mich mental bereit, mit jemandem zusammenzuarbeiten, den ich nicht leiden kann. Unser Lehrer steht auf sowas. »Ihr da, ja Güney unf Zamir. Ihr habt letztens gekämpft, oder? Ihr macht zusammen.«
Ich bete innerlich, dass die beiden nicht streiten, als sich Mirjana zu mir setzt. Sie legt ihre Sachen auf den Tisch.

»Die Aufgaben gibt ihr am Ende ab«, ruft unser Lehrer noch, setzt sich auf seinen Thron und entspannt sich.
  »Ich denke, du schreibst«, schlägt Mirjana vor. Sie schiebt sich das Haar hinters Ohr und schlägt die Seite im Buch auf. Wir werden eine gute Note für die Aufgaben bekommen, das weiß ich jetzt schon. Mirjana ist nicht nur wunderschön, sie ist auch ziemlich intelligent. In jeder Hinsicht ist sie eine gute Partie. Konnte mir gut vorstellen, wieso Zamir Interesse an ihr zeigt.

Ich muss zu ihm schielen bei dem Gedanken. Das bringt Mirjana zum Grinsen. »Läuft da etwas zwischen dir und Güney?«
Wieso- wieso denkt jeder, ich würde auf Güney stehen?
  »Wir sind nur Freunde«, erkläre ich und sie nickt. Sie kann gleichzeitig mit mir reden und den Text durchlesen. »Tut mir leid, wollte nicht aufdringlich sein.«
  »Bist du nicht«, erwidere ich und spiele mit meinem Kugelschreiber.
  »Ihr ward nur so süß früher, dass man meinen konnte, dass ihr gut zusammen passt. Weißt du noch, als Uğur dem Lehrer deinen Spicker zeigen wollte? Ich fand es unglaublich toll, wie er ihn dafür bestochen hat, damit er es nicht sagt.«
  Er hat was?

Mirjana grinst vor sich hin. Ihr Text ist schon mit bunten Textmarker verziert worden, während ich noch kein Wort gelesen habe. »Oder wie er Stunden mit dem Lehrer diskutiert hatte, weil deine Note nicht gerechtfertigt war. Ich weiß nicht, wieso ihr euch nicht mehr so nahe stehr. Ist ja irgendwie schade.«
  »Ja, das ist es.«
Ich kaue auf der Unterlippe. »Wir waren früher Nachbarn, wir sind praktisch zusammen aufgewachsen. Wir sind dann umgezogen...« In eine kleinere Wohnung und weil wir damals so wenig Fächer zusammen hatten, sind wir ein wenig auseinander gegangen.
  »Das kenne ich«, sagt sie und merkt, dass ich mich unwohl fühle. Daher machen wir die Aufgaben oder besser gesagt, macht sie die und erklärt es mir, weil es doch etwas kompliziert ist und mein Kopf bei Güney ist.

»Was denkst du über Zamir?«, fragt sie dann und ich höre abrupt auf zu schreiben. Ich sehe sie nicht an und will weiterschreiben, habe aber mein Konzept verloren. Mir fällt der Satz, den ich schreiben wollte, erst wieder ein, als Mirjana fortfährt. »Ich meine, manchmal denke ich, er könnte mich mögen, aber im nächsten Moment habe ich den Gedanken, dass er mich wie jede andere behandelt.«

Der Typ, der mein Verlobter sein sollDove le storie prendono vita. Scoprilo ora