55- der Typ, den ich nicht retten kann

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55- der Typ, den ich nicht retten kann

Meine Mutter sieht mich einen Augenblick lang an. »Du und Zamir also?«
Sie kann es noch immer nicht ganz fassen, aber das kann ich ihr nicht übel nehmen. Ich selbst habe das Gefühl, es sei ein Traum.

»Du wirst heute übrigens doch nicht mit Ilayda ein Bett teilen, sondern mit mir«, fügt sie nachdenklich hinzu und schnippst dann, als sei das eine Art Glanzidee. Die Befragung kann also heute Nacht beginnen.

Langsam nicke ich nur und beiße mir auf die Lippe.
»Ich hätte es ahnen müssen«, meint sie dann lachend. »Du hast anders zu ihm geguckt.«
  Ich werde rot und gehe schnell meine Sachen aus Ilaydas Zimmer holen.

Als Zamir zurück kommt, bin ich noch im Zimmer von meiner Mutter. Einerseits brenne ich darauf ihn wiederzusehen, andererseits ist mir das doch irgendwie vor meiner Mutter peinlich.
  Meine Mutter redet wie immer mit ihm, ganz sanft. Ich dachte, sie würde jetzt strenger zu ihm sein, aber da habe ich mich wohl getäuscht. Schade.

Als sie zurück ist, fängt die Befragung an. Wir liegen gemeinsam auf ihrem Bett und sie will alles bis ins kleinste Detail wissen. Ich erkläre ihr nur alles ganz grob, weil ich mich nicht konzentrieren kann. Zamir liegt auf meinem Bett. Wie komme ich weg von diesen Gedanken?

Meine Mutter schläft später ruhig. Sie umarmt dabei immer ihr Kissen, drückt es ganz fest an sich und das macht sie kindlich.
Ich hingegen kann nicht schlafen. Dauernd frage ich mich, wie es weitergehen wird. Ich frage mich, wie ich es aushalten soll, dass es einfach ohne ihn weitergeht- dass ich all die Jahre warten muss.

Die Gedanken rauben mir den Schlaf, saugen mir alle Energie- und machen mich durstig. Also schleiche ich mich leise aus dem Bett und tapse vorsichtig aus dem Zimmer. Ich lehne mich gegen die Wand und schiele dabei auf meine Zimmertür. Er schläft dort. Morgen wird mein Zimmer nach ihm riechen.

Ich verkneife mir den Wunsch, mein Zimmer zu betreten und ihn schlafend zu sehen. Um das ja nicht zu tun, laufe ich direkt zur Küche, wo ich mir mein Glas Wasser hole und gierig austrinke.

»Schenkst du mir auch etwas ein?«, kommt es von hinten und ich wirbele in die Richtung. Zamir steht dort, angelehnt am Türrahmen und betrachtet mich, die in ihrem Lieblingspyjama vor ihm steht.

»Du hast mich erschreckt«, sage ich und schenke ihm ein Glas Wasser ein.
»Ich weiß«, erwidert er, als er es nimmt.

»Konntest du nicht schlafen?«, frage ich. Vielleicht habe ich auch nur Angst zu versagen und ihn zu verlieren.
»Nope«, lacht er dieses unbeschwerte Lachen. »Du wohl auch nicht.«
»Hatte ein langes Gespräch mit meiner Mutter«, erkläre ich.
  »Hat sie geschimpft?«, will er wissen und wird nervös. »Mir hat sie einfach nicht gezeigt, was sie darüber denkt. Das ist schlimmer, als wenn sie wütend gewesen wäre.«

Ich muss darüber lachen. »Das macht sie mit Absicht- und nein, sie hat nicht geschimpft.«
  »Sollen wir uns kurz noch hinsetzen und reden?«, fragt er. Wie kann man da 'Nein' sagen?

Wir gehen ins Wohnzimmer und ich bete, dass meine Mutter nicht aufwacht. Das Gefühl durchflutet mich wieder, dass etwas schlechtes passieren wird. Es ist eine Art Vorahnung und das macht mir Angst.

»Woran denkst du?«, fragt er mich und ich fühle mich schuldig, denn ganz so tapfer bin ich nicht. Natürlich will ich auf ihn warten, trotzdem macht es mich fertig.
  »Daran, dass du gehen wirst«, gestehe ich und sehe auf meine Hände. »Daran, wie viel Zeit uns bleibt.«

Der Typ, der mein Verlobter sein sollDonde viven las historias. Descúbrelo ahora