56- der Typ, der mir Pizza spendiert

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56- der Typ, der mir Pizza spendiert

Eine Zeit lang herrscht eine Stille und ich habe das Gefühl, dass die Welt still steht. Ich denke über den Namen nach, Aklima Mirakaj.
Das bin ich- und ich frage mich, wieso ich das irgendjemandem verheimlichen soll. Ich bin Zamirs Ehefrau und ich bin verdammt stolz darauf.

Jess Lachen bringt mich zurück zur Realität. »Tut mir leid, war eine blöde Wette.«
  Ich sehe zu ihr, genauso wie der Rest im Kurs. Sie zuckt einfach mit der Schulter. »Ihr seid Zeuge, Zehra schuldet mir zehn Mäuse. Hab die Pizza bestellt.«

»Ein Prank«, höre ich irgendjemanden hinter mir sagen und in Jess Augen erkenne ich, dass sie es nicht war. Sie hat mir aus der Patsche geholfen. Ich weiß nicht wieso, aber ich bin weder dankbar noch traurig. Dafür sind meine Gedanken viel zu durcheinander.

Ich sehe zu Zamir, der erleichtert scheint. Er kennt mich und er weiß, dass mir das normalerweise zu schaffen machen würde. Aber so ist es nicht mehr. Ich habe Angst, ihn zu verlieren. Ich weiß, dass er gehen wird und seitdem interessiert mich die Meinung anderer gar nichts.

Jess öffnet die Pizza und schneidet die Stücke kleiner. Auch wenn jeder nur ein winziges Stück abbekommt, lenkt es sie ab. Sie fragen nicht weiter nach, wieso denn gerade mein Name und Zamirs Nachname zusammengesetzt wurde. Sie fragen nicht, wieso nicht Zahras und Güneys oder der von irgendjemand anderem. Sie essen nur und ich habe gar keinen Appetit. Deshalb laufe ich die Treppen hinunter. Keine Ahnung, wohin ich will. Ich will nur klar nachdenken können, aber das kriege ich nicht hin.

»Aklima.«
Natürlich kommt er mir hinterher. Er tut es doch immer. »Alles gut?«
  Ich schüttele den Kopf, drehe mich zu ihm um und umarme ihn. Vielleicht sieht man uns von unserem Kursraum. Wir stehen auf dem Pausenhof und es verwundert ihn, dass ich alles so öffentlich mache.

»Du bist so emotional seit gestern«, flüstert er sanft in meinen Scheitel und schenkt mir einen flüchtigen Kuss.
  Ich drücke ihn näher an mich, wie ein kleines Kind. »Heirate mich.«

»Was?«, fragt er abrupt und löst sich verwirrt von mir.
  Ich zucke mit der Schulter. »Islamisch. Heirate mich islamisch.«
  »Das werde ich«, sagt er selbstverständlich und dennoch überrumpelt.
  »Jetzt«, dränge ich.

Zamir hebt die Brauen. »Jetzt?«
  »Ja jetzt! Ich will nicht so tun, als seist du nur mein Freund.«
  Ein schiefes Grinsen schleicht sich in sein Gesicht. »So so, das reicht dir also nicht.«
  Ich schlage ihn leicht gegen die Schulter. »Ich will stolz sagen können, dass ich zu dir gehöre.«

Zamir nimmt meine Hand und streicht über sie. »Ich dachte nur, die islamische Hochzeit veranstalten wir wie eine richtige.«
»Nein, eine richtige Feier machen wir, wenn du zurück bist«, erkläre ich und versuche zu lächeln. Der Gedanke bringt mich einfach um. Ja, ich werde auf ihn warten- aber das wird mir die Seele rausreißen. Ich habe ihn gefunden und nun muss ich ihn loslassen- für wer weiß, wie viele Jahre.

»Okay, machen wir es so, wie du es willst«, meint er. »Ich rufe kurz Feya an, damit sie das für uns klärt.«

Ich nicke und streiche Haar hinters Ohr, wie ich es immer mache, wenn ich verlegen bin.
  »Die Frage ist nur, wer das mit der Pizza war«, meint Zamir. Die Frage hab ich komplett ausgeblendet.
  »Ist doch egal«, sage ich deshalb und zucke mit der Schulter.
  »Nein, eben nicht«, drängt Zamir und in seinen Augen flammt Hass. »Das ist eine Vorwarnung-«
  »Ach komm-«
  »Nein«, Zamir fährt sich mit der Hand durch das Haar. »Das war Shane ganz sicher.«

»Und wenn?«, versuche ich ihn zu beruhigen. »Das ist einfach nur kindisch.«
  »Du kennst ihn nicht, Aklima.«

Ich nehme sein Gesicht in meine Hände und lächle ihn an. »Mach dir nicht so viele Sorgen.«
  Er schüttelt den Kopf.
  »Ich hab Hunger.«
  »Was?«, fragt er überrumpelt.
  Ich habe nicht einmal versucht, unauffällig das Thema zu wechseln. Also lächle ich. »Die anderen haben schön Pizza gegessen.«

»Wer hat dir gesagt, du sollst rausrennen?«, fragt er scherzend.
  »So ein winziges Stück macht mich doch nicht satt«, entgegne ich und erinnere mich daran, wie er nach der Eheschließung meinte, er hätte Hunger. »Willst du deine Ehefrau hungern lassen?«, benutze ich seine Worte in etwa- und das bringt ihn zum Grinsen. Zuerst gleitet der eine Mundwinkel hoch, dann kurz darauf der andere. »Niemals.«

Er nimmt mich bei der Hand und wir gehen zu seinem Wagen. Ich bin restlos glücklich neben ihm. Was bin ich nur für ein gesegneter Mensch. Wie kommt es, dass ich ihn bekommen habe?
Ich frage mich, ob ich ihn bemerkt hätte- irgendwie- irgendwann- wenn er nicht hätte abgeschoben werden müssen.

Ich muss bei dem Gedanken grinsen. Wahrscheinlich hätte er irgendetwas dummes getan und ich hätte ihn einfach beleidigt. Ich meine- unsere Geschichte muss doch mit Beleidigungen anfangen.

»Worüber denkst du nach?«, fragt Zamir und startet den Wagen.
  »Was wohl die Leute aus dem Kurs denken?«
  Er lacht. »Jess hat bestimmt groß herum erzählt, dass wir zusammen sind.«
  »Ja, sie hat nur darauf gewartet, dass wir es offiziell machen.«

Später setzen wir uns in eine Pizzeria und bestellen. Ich gehe zur Damentoilette, um mir mein Gesicht zu waschen. Vor Zamir kann ich es nicht sagen, aber ich mache mir schon Sorgen wegen Shane- und ich mache mir Sorgen darüber, dass Zamir sich Sorgen macht.

Mein Handy klingelt da und ich trockne rasch das Gesicht ab, bevor ich abnehme.

»Aklima, wo seid ihr?«, fragt Zehra am anderen Ende der Leitung. Ich beiße auf die Lippe und lehne mich an die Wand. »Hab total vergessen, euch Bescheid zu geben. Sind mit Zamir weg.«
  »Hab ich mir schon gedacht«, erklärt sie und wird dann leiser. »Wollte nur sagen, dass die Polizei hier war. Es wurde wohl gemeldet, dass in der Schule Drogen versteckt werden. Ist aber nichts bei rausgekommen.«

»Wirklich?«, frage ich und richte mich mit einem Mal auf. Meine Finger beginnen zu zittern, mein Herz pumpt rascher. Shane?
  »Ja, hab mir Sorgen gemacht. Klingt vielleicht dumm, aber zuerst die Aktion mit der Pizza- dann kommt die Polizei- das hat mich alles stutzig gemacht.«
   »Danke, dass du Bescheid gegeben hast«, nuschele ich. Angst packt mich.
  »Kein Ding. Ich störe dann nicht. Ciao«, verabschiedet Zehra sich.

»Ciao«, erwiderte ich und das nächste, was ich tue, ist es, meine Tasche aufzureißen. Ich muss nicht lange herumkramen, um eine kleine durchsichtige Tüte zu finden. Wann verdammt hat Shane die dort platziert?


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Ist bisschen kurz, muss noch reinkommen 🤗

Der Typ, der mein Verlobter sein sollWo Geschichten leben. Entdecke jetzt