12- der Typ der mich seine Verlobte nennt

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12- der Typ, der mich seine Verlobte nennt

Ich überlege ihm zu antworten, lasse es dann aber sein. Bis jetzt hat Reden bei ihm nie etwas gebracht, also sollte ich es mit Ignorieren versuchen.

Bis es zur Pause schellt, vergeht eine halbe Ewigkeit.
»Das Topmodell will noch mit dir reden«, deutet Jess zur Tür und ich seufze. Meine Biolehrerin steht so sehr auf Einzelgespräche, wie sie darauf steht, sich aufzubrezeln.

Ich betrete also den nun den Raum und sie sieht mich halb lächelnd an. Dabei bilden sich kleine Lachfalten. »Du bist heute zu spät und hast den Unterricht gestört. Was ist los? So kenne ich dich gar nicht.«
Sie hat die eine Hand auf die Hüfte gelegt und sieht mich fordernd an.
»Es tut mir leid«, gebe ich kleinlaut von mir. Dann tue ich das, wofür mich andere Lehrer ausgelacht hätten. Sie aber nicht. »Haben Sie abgenommen?«

Ehrlich. Offensichtlicher geht es nicht, aber diese Frau merkt das natürlich nicht. Stattdessen grinst sie breit. »Meinst du?«
»Ist es Sport oder Diät?«, frage ich sie gespielt interessiert.
»Es ist ein neues Shake. Das wirkt echt genial! Ich hab ja deine Mail, ich kann dir die Produktinformationen schicken!«
Heißt das, ich bin fett?
»Danke, das ist echt nett von Ihnen.«
»Aber Aklima. Dieses Mal bekommst du keinen Eintrag. Das nächste Mal solltest du besser aufpassen.«
»Natürlich.«

Als ich zur Pausenhalle laufe, kommt mir Güney rennend entgegen. Er ist aus der Puste und hält mich mit beiden Händen an der Schulter. »Hab gehört- du musstest- draußen warten- Lehrerin- wegen mir«, bringt er nur halbe Sätze hervor.
»Nein, alles okay. Ich war sowieso zu spät und sie hat mir noch einmal vergeben.«
»Erst gestern und jetzt heute. Ich bin eine Plage für dich.«
»Nicht du«, entgegne ich und erfasse die Bedeutung dieser Worte erst, nachdem sie ausgesprochen sind.
Aber Zamir, oder was?

»Klär das mit Zehra, dann verzeihe ich dir«, stoße ich hervor, als ich Jess und Zehras Blick spüre. »Sonst denkt bald jeder wir seien ein Paar.«
»Oh. Stimmt. Mach ich später. Ich will es nur im richtigen Augenblick sagen. Es soll ja besonders bleiben.«
Dann ist er weg.

»Was hast du denn mit ihm beredet?«, fragt Zehra vielsagend und wackelt mit den Augenbrauen.
»Er hat nur gefragt, ob ich Ärger bekommen habe. Wir sind Sandkastenkumpel. Sowas ist doch wohl normal.«
Ich verschränke die Arme und sehe extra beleidigt weg von den beiden.

Natürlich trifft mein Blick auf den von Zamir und er kommt auf mich zu. Was davon, dass er mich nicht in der Öffentlichkeit ansprechen soll, hat er nicht verstanden?
»Ist er "der Typ"?«, fragt Jess. Damit ist Güney gemeint. Ich schüttle den Kopf und versuche dabei Zamir mit einer Geste klar zu machen, dass er seinen Arsch ja nicht zu mir bewegen soll. Er hingegen scheint sauer zu sein.

»Ich muss kurz gehen«, sage ich zu den Mädchen und laufe ins Treppenhaus.
»Du kannst der Wahrheit nicht entkommen!«, ruft Zehra mir nach.

Ich sprinte hoch und höre kurz darauf, wie Zamir hinter mir die Treppen raufsteigt.
Als ich im nächsten Gang verschwinden will, holt er mich auf und stellt sich genau vor mich.
»Was soll das?«, frage ich ihn wütend schimpfend. »Wieso kommst du mir nach?«
»Wieso ignorierst du mich?«

Ich gebe ihm keine Antwort. Er hat mir schließlich auch keine gegeben. Das macht Zamir aber noch wütender, sodass er irgendetwas zornig zischt, wahrscheinlich auf albanisch. »Wieso antwortest du nicht meiner Nachricht? Wieso ignorierst du mich, aber nicht diesen Güney? Nicht ich habe den Kampf gestern abgefangen, sondern er.«
»Ich bin weder wütend auf Güney, noch auf dich. Aber Güney ist nunmal ein Freund und du bist nichts.«

Sein Kiefer spannt sich.

Ich beiße die Zähen zusammen. »Wir wollten uns doch sowieso aus dem Weg gehen, oder nicht? Also wieso denkst du, vor meinen Freunden, mich ansprechen zu können?«
»Übertreibst du nicht?«, fragt er mit ruhiger Stimme, aber seine Augen spucken dafür Feuer. »Wir können einfach befreundet sein. Niemand wird denken, dass du meine Verlobte bist.«
»Sprich das nicht laut aus.«
»Wir sind hier gerade allein, Aklima.«
»Wände haben Ohren.«
»Was?«

Ich seufze. »Das ist ein türkisches Sprichwort. Das was du sagst, könnte jederzeit gehört werden. Also sprich nicht so leichtfertig.«
»Türkisch«, nuschelt er, als läge das auf der Hand. Was denkt er sich jetzt schon wieder? »Weil er deine Muttersprache spricht, fühlst du dich ihm näher. Weil er dir ein Buch geschenkt hat und dir schöne Augen gemacht hat, bist du in ihn verfallen. Du hast keine Angst, dass deine Freunde dich mit mir sehen, sondern dass er dich mit mir sieht.«
Was hat sich der Albaner da zusammengereimt?

Ich suche nach Worten. Aber das ist nicht so einfach, weil er Müll redet. »Das stimmt nicht.«
»Ach, nein?«
Seine Muskeln spannen sich weiter und so scheint er irgendwie größer und breiter zu sein. »Wie ist es dann?«
»Erstens, natürlich ist Türkisch für mich die schönste und attraktivste Sprache der Welt, aber heißt das, dass ich jemandem eher verzeihe, weil er türkisch spricht? Frag Jess, ich kann nie auf sie wütend sein.« Weil ich nie wütend auf irgendwen sein kann. »Zweitens hat mir Jess und Zehra das Buch geschenkt und drittens ist Güney nur ein Freund.«

Wir schweigen beide eine Weile, was ziemlich unangenehm ist. Dann unterbricht er die Stille, was nicht wirklich angenehmer ist. »Weshalb soll es dann einen Grund geben, dass wir nicht einmal zusammen gesehen werden dürfen?«
Er wird mich nicht in Ruhe lassen. Das hat er bis heute ja auch nicht gemacht. Vielleicht hätte ich ihn denken lassen sollen, dass es wegen Güney ist.

»Der Direktor macht sich wohl Sorgen um dich«, beginne ich also. »Naja, eher Sorgen, dass ich dich in Schwierigkeiten bringen könnte.«
»Was meinst du damit?«
»Er hat mir gesagt, dass wenn er mich in deiner Nähe sieht, er mich aus der Schule wirft.«
Er blinzelt erst einmal. »Er hat dir gedroht?«

Ich zucke mit der Schulter, was sowas wie Ja bedeutet und Zamir fährt sich mit der Hand übers dunkle Haar. Dann packt er mich abrupt am Handgelenk und zieht mich mit sich hoch.
»Hey! Was hast du vor?«, frage ich hysterisch und versuche aus seinem Griff zu entkommen. »Lass mich los!«
Er macht keine Anstalten, mir zu gehorchen. Stattdessen hält er mich fester und zerrt mich die Treppen hoch.

»Keiner hat das Recht, dir zu drohen«, raunt er. Ich weiß nicht, ob es eher ein Gedanke war oder direkt mir sagt, weil er mich dabei nicht ansieht.
»Hör bitte auf«, rufe ich, als ich merke, in welche Richtung wir uns bewegen. »Du machst alles noch schlimmer.«

Zamir hört mir natürlich nicht zu und reißt die Tür des Direktors auf. Ich halte mich am Türrahmen fest. Die Hoffnung stirbt zuletzt. Zamir schnalzt mir der Zunge, als er das sieht und zieht mich mit einem Ruck rein.

So stehen wir dann vor dem Direktor, der beschäftigt auf seinem Platz sitzt und hochsieht. Zamir hält mich immer noch fest, seine Hand rutscht von meinem Handgelenk runter, wo er seine Finger in meine verschränkt.

Dieses Mal stehe ich genau neben ihm. Ich werde garantiert aus dieser Schule fliegen. Mitten im Abitur. Würde das einen schlechten Eindruck machen, wenn ich von der Schule fliege? Jap, definitiv. Ins Abi geschissen.

»Ich hab gehört, du hast Aklima gedroht«, holt mich Zamir aus meinen Katastrophenvorstellungen. Aber das Hier und Jetzt ist nicht besser.
Der Direktor hebt eine Braue, aber bevor er antworten kann, fährt Zamir fort. »Ich werde nie wieder sehen, dass du ihr drohst, hast du mich verstanden?«
Die müssen sich aber nahe stehen, dass er so mit ihm reden kann.

Der Direktor seufzt ganz ruhig. Als sei es das normalste der Welt, dass sich Zamir so verhält. »Ich will nur dein Bestes, mein Junge.«
»Mein Bestes? Das willst du, indem du meine Verlobte bedrohst?«

Ich reiße bei diesen meine Augen weit auf und starre ihn erschrocken an. Zamir aber lässt sich davon nicht beeinflussen, zieht mich sogar zu sich, sodass ich in seine Brust falle und er einen Arm um mich legen kann.

»Genau. Sie ist meine Verlobte. Sie gehört zu mir und wenn du sie bedrohst, bedrohst du gleichzeitig mich.«

Der Typ, der mein Verlobter sein sollWhere stories live. Discover now