13- der Typ der nicht da ist

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13- der Typ, der nicht da ist

Ich bin noch geschockt über das, was im Büro des Direktors geschehen ist, als ich in der Pausenhalle sitze. Zum Glück habe ich eine Freistunde und warte auf Jess und Zehra. Den Schulstoff würde ich jetzt sowieso nicht verstehen können. Das Ganze muss ich erst einmal verdauen.

Das Blut in meinen Adern pulsiert so schnell. Ist es wegen der Angst? Was wird jetzt geschehen? Wieso hat er es gemacht? Ich seufze.

Zamir hat mich nach seinem Geständnis, dass ich seine Verlobte bin, aus dem Büro gezerrt und dann ist er aus der Schule gerannt. Ich sitze seitdem auf einem dieser Bänke, die heute viel zu unbequem scheinen. Jess und Zehra waren hochgegangen, aber hatten vor dem Kursraum erklärt bekommen, dass die Stunde ausfällt.

»Jetzt ist die Stunde der Wahrheit!«, begrüßt mich Zehra und zeigt ihre Faust in Kopfhöhe. Sie denkt wohl immer noch, ich wäre gerade abgehauen, weil ich nicht zugeben wollte, dass "der Typ" Güney ist.

Ich bin noch total vernebelt wegen dem Gespräch beim Direktor und will eigentlich nur nach Hause und mich unter meiner Decke verkriechen. Aber ich weiß genau, dass ich nicht schlafen könnte, deshalb Schafe zählen werde und spätestens was dann passiert, ist mir hundert Prozent klar. Die Schafe werden schummeln.

»Erde an Aklima!«, ruft Jess und wedelt mit der Hand vor meinem Gesicht.
»Was?«, frage ich und versuche jegliche Gedanken an Zamir in die letzte Ecke in meinem Kopf zu verdrängen.
»Sollen wir etwas essen gehen, hab ich gefragt«, erklärt Zehra wieder. »Wir können auch "den Typen" mitnehmen, wenn du willst.«
»Ihr übertreibt total. Ja, "der Typ" ist Güney. Aber ich habe ihn so abgespeichert gehabt, weil ich sauer auf ihn war. Das ist alles. Und jetzt lasst uns etwas essen gehen. Ich hab Hunger.«

Die Ausrede funktioniert und somit werde ich von dem beiden zumindest heute von neuen Anschuldigungen verschont. Zamir ist den ganzen Tag nicht da.

Selbst zu Hause, als ich vor dem Fernseher sitze, muss ich an ihn denken. Ich frage mich, ob ich ihm eine Nachricht schicken soll, aber selbst wenn ich mich dazu entscheiden sollte, weiß ich nicht, was ich ihm schreiben soll.

»Dieses Weib ist so hässlich«, kommentiert Ilayda, die sich auf dem Sofa breitgemacht hatte. »Schau sie dir doch an.«
Dabei wirft sie sich ein Stück Schokolade in den Mund. Sie ist einer der Menschen, die nie zunimmt, egal, was und wie viel sie isst.
»Fast genauso wie du«, erwidere ich und lehne mich weiter nach hinten.
»Und fast so fett wie du«, feixt sie und macht sich schon an die zweite Packung Schokolade.

»Hört auf«, fordert meine Mutter, während sie sich in unsere Mitte setzt. Sie hat in der Hand eine Schüssel Chips, welches ziemlich einladend wirkt. Sie wird übrigens auch nie dick. Nur ich hab nicht das Glückslos gezogen.
»Wieder ein Vampirfilm?«, fragt sie zu Ilayda blickend.
»Das sind Wölfe, Anne (Mutter)«, korrigiert Ilayda sie.

»Was ist los?«, fragt mich meine Mutter und nimmt meine Hand in ihre. Sie streicht dabei mit dem Daumen über meinen Handrücken.
»Alles gut«, behaupte ich.
»Albanische Probleme?«, fragt sie mich dann und legt den Kopf schief. Sie ist so einfallsreich.
»Nein«, gebe ich sofort von mir und spüre den Blick meiner kleinen Schwester auf mir. Sie weiß schließlich nichts von Zamir, soll auch nie etwas über ihn erfahren. »Mirjana und ich gehen uns einfach aus dem Weg«, sage ich also und stehe auf.

Meine Mutter aber hält mich am Arm, sodass ich sie wieder ansehe. Ihr Blick ist eindringlich. »Mirjana ist ein toller Mensch. Du siehst es nur nicht. Ich kenne dich doch gut, Aklima. Jede Kleinigkeit wird dir zum Dorn im Auge, weil du es genau so sehen willst. Du willst dir nicht eingestehen, dass sie doch nicht so schlecht ist.«
»Wer ist Mirjana?«, fragt Ilayda.
»Sieh dir deine Wölfe an«, entgegne ich und deute auf den Fernseher.
Ilayda wendet sich beleidigt ab und ich gehe schließlich auf mein Zimmer.

Der Typ, der mein Verlobter sein sollWo Geschichten leben. Entdecke jetzt