57- der Typ, der mich erwischt

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57- der Typ, der mich erwischt

Ich sehe mich in der Damentoilette um. Niemand sonst ist hier. Niemand, der diese kleine Tüte gesehen hat. Zweifellos sind das Drogen. Was sollte es sonst sein?

Ich schlucke kräftig, doch der Kloß in meinem Hals ist hartnäckig. Mein Herz rast so schnell, ich kann die Szenarien in meinem Kopf nicht verbannen.
Eine Frage wiederholt sich dauernd in meinem Kopf.
Was, wenn wir in der Schule geblieben wären?

Und diese Frage löst eine Kettenreaktion von Fragen.
Würde ich dann als Schuldige dastehen? Würde mich die Polizei mitnehmen? Würde ich für eine Schuld büßen müssen, die ich nicht begangen habe?

Ich schlucke wieder und zum ersten Mal begreife ich, dass Shane doch nicht so eine Witzfigur ist. Wahrscheinlich ist das das schlimmste. Er wirkt mit seinem Verhalten so ungefährlich- und das bietet ihm alle Gelegenheiten, das zu tun, was er will. Er tut das mit Absicht, damit man sich nicht vorsieht. Man fühlt sich sicher, man lacht über ihn und am Ende lacht er über dich.

Ich möchte weinen. Meine Beine zittern genauso wie meine Finger- gleich fällt mir die Tüte aus der Hand.
Ich muss es loswerden.

Hecktisch rolle ich die Tüte mit Papierhandtüchern ein und werfe sie in den Mülleimer. Würde da jemand hingucken? Sind da meine Fingerabdrücke?

Eine Frau betritt den Raum und ich drehe mich um unauffällig zu wirken extrem auffällig zum Spiegel und sehe mich selbst an. Ich hab mich nicht unter Kontrolle.

Es wäre aus. Ganz einfach aus. Das wäre das Ende. Meine Mutter hätte das nicht verkraftet. Niemals hätte sie erwartet, dass die Sache bis zu so einem Punkt kommt.

Ich durchsuche wieder meine Tasche, die Taschen meiner Jacke und Hose- als wäre die erste Tüte nur ein Trick, damit ich mich in Sicherheit wiege.

Ich bekomme Angst und ich weiß nicht, ob ich das Zamir erzählen soll. Er beschuldigt sich doch sowieso schon für alles. Das würde ihn kaputtmachen.

Wo bin ich da nur hineingeraten? Ich kann es nicht fassen. Das ist zu viel für mich mit einem Mal wird mir übel. Mein Gesicht ist kreidebleich. Zamir wird niemals glauben, dass nichts ist.

Ich atme tief aus und frage mich, wie wir das heil überstehen sollen. Vor ein paar Stunden noch hab ich überlegt, wie ich Zamir da rausboxen soll. Ich fühle mich kindisch. Wie leichtfertig ich doch denken konnte, ich könnte etwas bewirken, wo ich doch mich selbst nicht einmal retten kann.

Ich schließe meine Tasche hektisch und verlasse die Damentoilette. Zamir sitzt dort, nichtsahnend. Er schaut auf sein Handy und seine Mimik enthält keine Spur von Unruhe. So will ich ihn sehen- immer.

»Was ist passiert?«, springt er von seinem Platz und kommt auf mich zu.
  »Ich fühle mich nur nicht gut«, sage ich und umarme ihn dann spontan, so als könne es das letzte Mal sein. Ich habe solche Angst.

»Aklima, was ist los?«, fragt er sachte und er streicht mir übers Haar. Ich fühle, dass er die Umarmung genießt und das tue ich auch.
  »Bringst du mich nach Hause?«, antworte ich ihm nicht. Diese Umarmung hat mir Kraft geschenkt. Er schenkt mir Kraft.
  »Wenn du mir dann sagst, was los ist.«

Ich seufze und löse mich von der Umarmung. Ein kleines Lächeln kann ich noch hervorbringen. »Ich weiß gar nicht, ob ich mein Abitur packe. Ich lerne nie und das stresst mich so.«
Zamir hebt die Brauen. »Und das fällt dir auf der Damentoilette ein?«
So ganz will er mir nicht glauben.

»Ich denke die ganze Zeit schon darüber nach«, gebe ich leise von mir und er lacht. Dann legt er den Kopf schief und betrachtet mich. »Du solltest dir weniger Kopf um mich machen und mehr um den Schulstoff.«
  »Danke, daran habe ich gar nicht gedacht«, nörgele ich und er bringt mich nach Hause.

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⏰ Last updated: Sep 18, 2017 ⏰

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Der Typ, der mein Verlobter sein sollWhere stories live. Discover now