16- der Typ, der einen Antrag macht

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16- der Typ, der einen Antrag macht

Ich weiß nicht, wie ich zu reagieren habe, als ich Güneys Grinsen und daneben Zamirs verwirrten Ausdruck erkenne. Am liebsten würde ich wegrennen, aber dafür ist es ein bisschen zu spät.

»Was für ein Zufall«, kommt es aus Güney und er ist so glücklich, dass ich mich entscheide, jetzt mitzuspielen und ihn erstspäter dafür zu quälen, was total dumm ist. Erstens, kann er nichts dafür, weil er nicht weiß, dass ich Zamir versuche vergeblich zu meiden und zweitens kann ich nicht nachtragend sein.

Zehra ist irgendwie nicht ganz überzeugt von diesem "Zufall". »Seid wann versteht ihr euch?« Meine Frage.
  »Seit heute«, antwortet Zamir und sein Blick gleitet ungehalten zu mir. Man merkt, dass er nicht wusste, dass ich hier sein würde und ich hoffe, dass es wirklich so ist. Er wollte sich schließlich fernhalten.

»Wir haben uns während der Partnerarbeit heute ausgesprochen«, fügt Güney hinzu.

Natürlich läuft es darauf hinaus, dass wie denselben Film ansehen wollen. Ich habe befürchtet, irgendwie neben Zamir sitzen zu müssen, aber das passiert nicht und dafür bin ich unendlich dankbar. Ich sitze ganz außen, neben mir Zehra, dann Güney und Zamir als letztes.

Der Film ist eigentlich interessant, aber ich kann ihn mir nicht ansehen, weil jemand bestimmtes mir eine Nachricht senden muss. Der Ton für Nachrichten ist angeschaltet gewesen und daher bekomme ich genervte Blicke zugeworfen. Ab heute sollte ich für immer mein Handy auf leise stellen. Für immer.
  Auch Zehras Blick gleitet reflexartig auf die Geräuschquelle und da kann man nicht anders als zu sehen, wer die Nachricht geschickt hat.
  Der Typ.

Verwirrt schießt ihr Kopf in Güneys Richtung, von dem ich behauptet hatte, er sei "der Typ".
  Zamir hat sein Handy schon weggelegt, also sieht sie nicht, dass er es war. Ich könnte fluchen. Wieso schreibt er mir wieder?

Zehra sieht wieder nach vorne, aber ich weiß, wo ihre Gedanken sind. Ich beiße mir auf die Lippe und traue mich nicht, die Nachricht zu lesen. Könnte sein, dass Zehra doch noch etwas zu viel mitbekommt.

Ich blicke auf die Uhr. Es ist jetzt so weit, dass ich Güney und Zehra mal allein lasse, so wie es mein Kindheitsfreund sich gewünscht hat. Wenn er es heute nicht sagt, bringe ich ihn um.

»Zehra, mir ist etwas dazwischengekommen. Ich muss sofort los«, flüstere ich.
  »Zu dem Typen?«, fragt sie und ich merke an ihrer Stimmlage, dass sie wütend ist. Sie versucht es zu verstecken, kriegt es aber nicht hin. Ich tue aber so, als würde ich es nicht merken. Im Moment ist das einfacher. »Meine Mutter.«
  »Kann sie mich auch mitnehmen?«
Die Frage ist reine Provokation, doch ich schlucke sie runter.
  »Ich fahre mit dem Bus. Aber du kannst mit mir kommen, wenn du willst.«
  »Nein, ich will dir Zeit allein mit deiner Mutter gönnen.«
  Ich gebe ihr einen flüchtigen Kuss auf die Wange und gehe raus. Vom Augenwinkel sehe ich noch, wie sie die Arme verschränkt und dann kann ich einen Moment kaum atmen.
 
Sie hat recht, sauer zu sein. Es ist eine kleine Lüge einer großen Lüge und sie ist meine Freundin seit gefühlten Lichtjahren. Das hat sie nicht verdient. Sie ist immer so ehrlich zu mir. Wenn etwas passiert, sind Jess und ich die ersten, die es erfahren. Aber ich kann ihr einfach nicht dasselbe geben, nicht beim Thema Zamir.

»Aklima! Aklima warte«, ruft Zamir hinter mir. »Verdammt, was mach ich bloß mit diesem Mädchen?«
  Ich merke erst jetzt, dass ich aus dem Kino stürme und nicht wie jeder normale Mensch normal gehe. Ich will nicht stoppen, weil ich ihm mein Rausstürmen nicht erklären kann, aber Zamir ist einfach schneller als ich. Er steht schon vor mir, bevor ich mich weit vom Kino entfernen kann. »Was ist los?«
  »Ich lasse die Turteltäubchen alleine.«
 
Er versteht- oder besser- denkt nun, dass es kein Problem gibt. »Soll ich dich nach Hause fahren?«
  »Nein danke, ich nehme lieber den Bus«, winke ich ab und will mich zur Haltestelle begeben, aber Zamir hält mich am Arm, denkt wohl wieder ein Gentleman sein zu müssen.
  »Aklima, wieso tust du das?«, fragt er mich ernst. »Wieso läufst du immer davon, als sei ich ein Fremder, als sei ich die Gefahr?«
  Ich beiße die Zähne zusammen. Das wüsste ich auch gerne. Ich sehe ihm lange ins Gesicht. Die grünen Augen, die gebräunte Haut, markante Gesichtszüge und ein leichter drei Tage Bart, der sich zu erkennen zeigt. Es ist ein Gesicht, dass man nicht hassen kann.

Der Typ, der mein Verlobter sein sollWhere stories live. Discover now