Kapitel 7

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Eric

Das Nachsitzen scheint sich immer mehr in die Länge zu ziehen. Ich bin längst mit dem Aufsatz fertig, den ich schreiben sollte, doch ich darf erst in 15 Minuten gehen. Genervt sehe ich alle paar Minuten auf die Uhr.

Herr Maison ging schon die ganzen zwei Stunden irgendwelche Unterlagen durch und beachtete mich nicht. Erst als ich vor ein paar Minuten gehen wollte, hatte er mir kurz ein Blick zugeworfen und mir befohlen, noch kurz zu warten.

Ich bin der Einzige, der Nachsitzen hat, also ist mir nun extrem langweilig.

Punkt 14 Uhr stehe ich auf und lege Herr Maison meinen Aufsatz auf den Pult. Als ich gerade gehen will, hält er mich freundlich zurück.

,, Mr. Scott. Warten Sie bitte kurz. Ich möchte mit Ihnen reden."

Nervös sehe ich ihn an. Was hatte ich denn noch getan ?

Herr Maison schenkt mir ein kurzes aufmunterndes Lächeln, was mich nur noch mehr verwirrt.

,, Ich habe es vorhin in der Pause erfahren. Das mit Miss Gilbert. Kamen Sie deshalb gestern zu spät ? Waren sie bei ihr im Krankenhaus gewesen?"
Ich nicke einfach, denn es fällt mir schwer darüber zu reden.

,, Das habe ich mir gedacht. Sie sind sonst immer pünktlich und zuverlässig. Ich hatte mich gewundert. Es tut mir leid, dass ich Ihnen Nachsitzen geben musste, aber ich kann die Regeln leider nicht für manche Schüler ändern," entschuldigt sich Herr Maison aufrichtig bei mir.

,, Das verstehe ich," willige ich ein und lächele ihn kurz an.

,, Ok gut. Wie geht es Miss Gilbert ? "

Ich schlucke einmal schwer.

Was soll man darauf antworten?
Es geht ihr nicht gut und dennoch weiß ich, dass sie will, dass alle genau das Gegenteil denken sollen.

,, Es geht ihr wieder besser," versuche ich zu lügen und versuche ein Lächeln aufzusetzen, doch es misslingt mir. Herr Maison scheint es mir allerdings abzukaufen, denn er nickt mit einem kurzen Lächeln.

,, Das freut mich. Sie dürfen jetzt auch gehen. Sie wurden schon genug gequält. Richten Sie Miss Gilbert bitte eine gute Besserung von mir aus. "

,, Mach ich," erwidere ich, verabschiede mich und laufe dann durch die leeren Flure der Schule nach draußen auf den Parkplatz. Langsam steige ich in meinen Wagen und atme tief durch, denn Evelyns Krankheit belastet mich.

Ich wünschte ich ķönnte irgendetwas für sie tun, doch es gibt nichts und das macht mich fertig.

Ich kann sie einfach nicht verlieren.

Langsam starte ich den Motor und versuche mich während der Autofahrt ein wenig zu beruhigen. In weniger als zehn Minuten bin ich am Krankenhaus und suche mir einen Parkplatz.

Ich stelle den Motor ab und schaue auf meinen Beifahrersitz.

Da liegt er noch. Ungeöffnet und ungelesen.
Der Brief von Harvard.

Ich will ihn öffnen, wenn Evelyn dabei ist.

Ich hoffe, sie hat es geschafft.

Ein kleines bisschen schaffe ich es, die Sorgen um sie beiseite zu schieben und nehme den Brief und steige aus dem Wagen.

In der Cafetaria sehe ich mich nach ihr um, doch ich kann sie nicht finden. Auch in ihrem Zimmer ist sie nicht, weshalb mir nur noch ein Ort einfällt, an dem sie sein kann.

Deshalb begebe ich mich nach unten und betrete den großen Garten.

Ein langer Steinweg führt 100 Meter bis zu einem kleinen Bach und um den Weg ist eine große Wiese mit vielen Blumen angerichtet, auf der einzelne Bäumen gepflanzt wurden. Die strahlende Sonne verleiht diesem Garten etwas magisches. Auf einer Bank neben dem Weg sitzt Evelyn. Sie ist wieder in eines ihrer Bücher vertieft und ein kleines Lächeln zeichnet sich immer auf ihren Lippen ab, wenn sie in die Welt des Buches eingetaucht ist. Ihre langen blonden Haare wirken in der Sonne fast golden und ihre blauen Augen leuchten. Ich hatte nie etwas schöneres als sie gesehen.

Ich gehe näher auf sie zu, wodurch sie mich bemerkt und sich ein Lächeln auf ihrem Gesicht abzeichnet. Schnell  legt sie ihr Buch beiseite und rennt mit einem Lächeln auf mich zu.

Ich fange sie lachend auf und hebe  sie nach oben, sodass ihre Füße über dem Boden schweben. Als ich sie wieder absetze, sehe ich sie aufgeregt an.

,, Und ?," frage ich sie außer Atem, weil ich ihre Antwort kaum abwarten kann.

Sie strahlt übers ganze Gesicht, wodurch Erleichterung  mich durchflutet.

,, Ich hab es," schreit sie aufgeregt und ich hebe sie wieder überschwänglich noch oben und drehe mich mit ihr.

,, Ich wusste es," erwidere ich erleichtert und drücke sie an mich, als ich sie loslasse.

Danach sieht sie mich aufgeregt an.
,, Und du ?"

Ich ziehe den Brief aus meiner Jackentasche und zeige ihn ihr.

,, Finden wirs heraus."

Ich grinse und die Nervosität hat mich wieder.

,, Nun mach schon." Evelyn wird schon ganz hektisch.

Ich lache leise und öffne den Brief mit zittrigen Händen, was gar nicht so einfach ist. Dann beginne ich zu lesen und ein Lächeln breitet sich wieder auf meinem Gesicht aus.

Evelyn wirft sich mir sofort glücklich um den Hals, denn wir haben es beide geschafft.

                             ***

Evelyn

Die ganze Zeit über hatte ich über den Tod nachgedacht und daran gezweifelt, dass ich es noch bis nach Harvard schaffen würde. Doch dann war Eric aufgetaucht und all meine Sorgen waren für einen Moment vergessen. Er schaffte es, mich zum Lachen zu bringen und mir alle Sorgen zu nehmen. In dem Moment, als ich sah, dass er es ebenfalls geschafft hatte, war ich glücklich. Wir würden beide nach Harvard gehen und dort unseren Abschluss schaffen und alles gemeinsam durchstehen. Ich hatte ihn und das gab mir Kraft. Kraft und Hoffnung, dass ich es schaffen würde. Ich würde nicht aufgeben, solange er bei mir war und mir Halt gab und ich konnte daran glauben.

Daran, dass irgendwo da draußen ein Herz auf mich wartete...

Mit jedem HerzschlagWhere stories live. Discover now