Kapitel 28

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Eric

Müde wache ich am nächsten Morgen auf und stelle fest, dass Aiden nicht mehr im Zimmer ist, weshalb ich noch leicht verschlafen aufstehe. Zuerst werfe ich einen Blick in den Spiegel und starre mein Spiegelbild entsetzt an.

Meine Lippen sind angeschwollen und ein großer blauer Fleck zeichnet sich um mein rechtes Augen ab.

Na toll! Bis Montag ist das mit großer Sicherheit noch nicht weg.

Gereizt laufe ich nach unten in die Küche und finde Aiden bereits beim Frühstücken vor. Heute hat er anscheinend zu Müsli statt zu einer Pizza gegriffen. Definitiv eine bessere Alternative zum Frühstück. Während ich die Küche betrete befürchte ich, Aiden könnte eventuell gestern nur einen guten Tag gehabt haben und heute ist alles wieder wie vorher, denn er schenkt mir keinerlei Beachtung als ich mich ihm gegenüber setze.

,, Guten morgen," begrüße ich ihn als Erstes und sehe ihn abwartend an. Ein mulmiges Gefühl beschleicht mich, als Aiden mir immer noch keinerlei Beachtung schenkt. 

,, Morgen," murmelt er nur und sieht weiterhin auf den Display seines Handys, das auf den Tisch liegt und isst nebenbei den Rest seines Müslis.

Wenigstens ignoriert er mich nicht ganz.

Langsam bereite ich mir ebenfalls eine Schüssel mit Müsli zu und beginne zu essen, während keiner von uns ein Wort sagt.

Irgendwann steht Aiden auf und stellt seine Schale in die Spüle. Dann dreht er sich um, lehnt sich an den Tresen und zu meiner Verwunderung sieht er mich an.

,, Der Kerl hat dich wirklich übel zugerichtet."

Aiden mustert mein Gesicht und kann sich ein kleines Grinsen nicht verkneifen. Ich weiß selbst, wie dämlich ich aussehe.

,, Könnte schlimmer sein," erwidere ich auf seine Aussage, zucke mit den Schultern und stelle meine Schale ebenfalls in die Spüle neben ihm.

,, Ja. Man könnte dein Gesicht jetzt auch versuchen aus dem Feldweg zu kratzen. Da hast du recht," erwidert Aiden sarkastisch.

,, Danke für dieses Bild am frühen Morgen."

Ich verdrehe die Augen, muss aber dennoch ebenfalls leicht grinsen. Die Tatsache, dass Aiden mit mir spricht, beruhigt mich.

,, Immer wieder gern."

Aiden setzt sich wieder an den Tisch und wendet sich wieder seinem Handy zu, was ich nun ebenfalls tue.

Ich habe zwei neue Nachrichten. Die Eine ist von Evelyn, die fragt ob es mir besser geht.

Sofort antworte ich ihr und strahle übers ganze Gesicht, als ich mit ihr schreibe. Eine Angewohnheit, die ich einfach nicht los werde.

Die zweite Nachricht ist von Helen. Ich lese mir die Nachricht durch und mein Herz rutscht mir in die Hose.

,, FUCK!"

Aiden sieht mich verwirrt an und wendet sich kurz von seinem Handy ab.
,, Was ist?"

Panisch fahre ich mir durch die Haare und laufe in der Küche auf und ab.
,, Heute ist Samstag und ich muss Helen heute Abend von ihrer Freundin abholen. Fuck,ich hab kein Auto und Fuck, schau mich an! Was soll ich ihr bloß erzählen?"

Gehetzt gehe ich im Kopf ein paar Möglichkeiten durch. Ich bin hingefallen, allergische Reaktion...
Das kauft sie mir alles sowieso nicht ab. Die Wahrheit kann ich vor ihr nicht verbergen.

Aiden zuckt nur gelangweilt mit den Schultern und wendet sich wieder seinem Handy zu.

,, Da hast du jetzt wirklich ein Problem."

,, Danke für deine Hilfe." Genervt atmete ich aus und lehne mich an den Tresen.

,, Wie gesagt. Immer wieder gern."
Er ist echt eine große Hilfe!

,, Fuck," sage ich nochmal und will  nach oben gehen, um mir etwas zu überlegen.

Das mit dem Auto ist erst mal das größere Problem, denn ich kann Helen schlecht die 30 km zu Fuß laufen lassen.

Kurz bevor ich die Küche verlasse, hält Aiden mich zurück.

,, Wenn du ein Kratzer in mein Auto machst, dann wünschst du dir lieber gleich ein neues Gesicht!"

Er kommt auf mich zu und drückt mir grob seine Autoschlüssel in die Hand. Verdutzt sehe ich erst die Schlüssel und dann ihn an.

,, Wie jetzt ?," frage ich ihn verwirrt und er schaut mich nur genervt an.

,, Du hast mich schon verstanden. Du kannst mein Auto heute Abend haben aber pass gefälligst auf! Ein Kratzer und man wird dein Gesicht wirklich vom Boden abkratzen müssen!"

Mit diesen Worten läuft Aiden an mir vorbei nach oben und ich schaue ihm verdutzt hinterher, denn ich kann einfach nicht fassen, was er gerade getan hat.

Evelyn

Mit leerem Blick betrache ich mich im Spiegel. Ich habe abgenommen und das schmerzt mich. Ich bin dünn. Zu dünn. Kaum eine Hose passt mir noch und ich kann bereits Knochen an mir erkennen, die ich vorher nie wahrgenommen hatte. Eine Träne bannt sich einen Weg meine Wangen hinunter, als ich weiterhin mein Spiegelbild betrachte. Ich will nicht so aussehen und doch wird es von Woche zu Woche schlimmer. Als würde der Tod mir zeigen, dass er mir mit jeden Tag näher kommt.

Panisch wende ich mich vom Spiegel ab und lege mich auf mein Bett und ziehe meine Knie nah an mich. Jetzt kann ich die Tränen nicht mehr länger zurückhalten.

An manchen Tagen vergesse ich beinahe, dass ich krank bin und dann gibt es wieder Tage wie heute, in denen alles auf mich einbricht. Das sind die Tage, in denen ich mich verlassen fühle. Die Tage, an denen ich mir mein Leben vorstelle und was ich noch alles tun will, bevor ich sterbe. Die Tage, in denen ich angst davor habe, zu sterben.

Den ganzen Mittag liege ich in meinem Bett, während ich immer wieder mit Tränen kämpfe.

Vor anderen bin ich immer stark, doch sobald ich alleine bin, stürzt alles auf mich ein. Ich will leben. Mehr als alles andere und doch nimmt mir das Leben all meine Hoffnungen weg. Die Hoffnung auf eine Liebe, die mich mitreist und die mich in ihren Bann zieht. Eine Liebe an der ich mich festhalten kann. Das Leben nimmt mir die Hoffung auf eine eigene Familie, für die ich da sein kann und sie nimmt mir die Hoffnung mit dem Mann, den ich liebe, alt zu werden. Nur diese drei Dinge will ich im Leben. Diese drei Dinge, um glücklich zu sein. Mehr verlange ich nicht und doch wird man mir all das nehmen.

Noch ein letztes Mal gebe ich mich für heute meinen Tränen hin. Dann zwinge ich mich aufzustehen und ein Lächeln aufzusetzen. Ich muss stark sein. Für Dad, für Monika, für Eric. Ich muss die Hoffung bewahren, dass alles gut werden wird und ich das schaffen werde. Daran muss ich jetzt einfach glauben.

Um nicht ein weiteres Mal in Tränen auszubrechen stehe ich auf, schreibe meinem Dad eine Nachricht und laufe los.

Zu Eric.

Er ist derjenige, den ich jetzt brauche.

Mehr als alles andere.

Mit jedem HerzschlagWhere stories live. Discover now