Kapitel 57

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Eric

Ich bin noch nie ein großer Fan von Menschenmengen gewesen. Bewusst wird mir das erst wieder, als ich mich mit Aiden durch tausende von Menschen quetschen muss, um zu unseren Plätzen in der obersten Reihe zu gelangen. Weder Aiden noch ich kennen uns in diesem Footballstadion aus, wodurch wir beinahe eine halbe Stunde brauchen, um unsere Plätze zu finden.

Schon leicht gereizt lasse ich mich schließlich auf meinen Sitz fallen, während Aiden sich ebenfalls mit einem genervten Stöhnen neben mich setzt.

,, Nächstes Jahr muss ich mir wohl was anderes zu deinem Geburtstag überlegen," schlussfolgert er und lehnt sich erschöpft in seinem Sitz zurück.

,, Nicht zwingend. Ich fand die Idee nicht schlecht," erwidere ich motivationslos und versuche mich auf meinem Sitz etwas bequemer hinzusetzen.

,, Ja. Du klingst auch richtig begeistert!"

Die Ironie in Aidens Stimme ist kaum zu überhören und ich sehe ihn entschuldigend an. Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, den heutigen Tag zu genießen und die Sorgen um Evelyn beiseite zu schieben, doch es gelingt mir einfach nicht.

,, Tut mir leid, Aiden. Ich freu mich wirklich auf das Footballspiel. Ich bin heute anscheinend nur mit dem falschen Fuß aufgestanden."

Aiden verdreht die Augen und wendet sich von mir ab.

,, Du bist schon seit Tagen so komisch drauf!," wirft er mir vor und ich zucke leicht zusammen. Evelyns Wunsch, mich normal zu verhalten, ist dann wohl gescheitert. Aber wie soll ich das auch...Nach allem was ich erfahren hatte.

Als ich auf seine Aussage nichts erwidere, atmet er niedergeschlagen aus und sieht mich an.

,, Wirst du mir erzählen, was zurzeit mit dir los ist?"

Ich schüttle leicht den Kopf und sehe Aiden dabei nicht an. Ihm nicht die Wahrheit zu sagen, fällt mir in den letzten zwei Tagen verdammt schwer. Er hat es verdient, es zu erfahren. Zu erfahren, wie es Evelyn wirklich geht, doch ich habe es ihr versprochen. Ihr versprochen, Aiden nichts davon zu erzählen und normal weiter zu machen. So zu tun, als hätte sich nichts verändert. Wenn sie nur wüsste, wie schwer mir das fällt...Wie schwer es ist, jeden Tag ein gefaketes Lächeln aufzusetzten und meinen Bruder jede Sekunde etwas vorzuspielen. Jede Sekunde zu versuchen, Evelyns Zustand zu vergessen. Es ist einfach unmöglich.

,, Dann lass es eben!"

Enttäuscht und wütend zugleich wendet Aiden sich wieder von mir ab. Ich atme frustriert aus und wende mich ebenfalls dem Spielfeld zu, auf dem grade das Spiel beginnt.

Das ganze Spiel über redet keiner von uns beiden ein Wort. Ich habe das Gefühl, als würde Evelyns Geheimnis uns beide wieder auseinanderreißen.

                              ***

Müde lehne ich mich an die Fensterscheibe und versuche auf dem Heimweg nicht einzuschlafen.

Aiden und ich haben auch während der Heimfahrt noch kein einziges Wort miteinander gewechselt. Am liebsten würde ich versuchen, ein Gespräch aufzubauen. Irgendetwas zu sagen, doch ich habe das Gefühl meiner Stimme wird versagen, wenn ich es nur versuche. Alles aus meinem Mund hört sich wie eine Lüge an.

,, Es tut mir leid."

Verwirrt wende ich mich von der Fensterscheibe ab und sehe Aiden an, der am Steuer sitzt und verkrampft das Lenkrad umklammert.

,, Was denn?," frage ich ihn immer noch verwirrt und warte auf seine Antwort.

,, Dass ich dich vorhin so angemault hatte. Was auch immer dich zurzeit belastet, ich verstehe wenn du es mir nicht anvertrauen willst. Also irgendwie... Ich will dich ja zu nichts zwingen. Ich will nur dass du weißt, dass du es mir erzählen kannst, wenn etwas ist."

Mit jedem HerzschlagWhere stories live. Discover now