Kapitel 30

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Eric

Helens Reaktion war schlimmer als erwartet gewesen. Als sie mich gesehen hatte, hatte sie sich entsetzt die Hand vor den Mund gehalten und mich schockiert angesehen. Immer wieder fragte sie mich, wer das gewesen war und immer wieder log ich sie an. Dass ich meinen Angreifer nicht gesehen hatte, kaufte sie mir wie vermutet nicht ab. Die ganze Fahrt über mustert sie mich besorgt.

,, Es geht mir gut Helen. Ich war beim Arzt. Das sind nur Kratzer," versuche ich sie zu beruhigen.

Sie hört trotzdem nicht auf, mich besorgt anzusehen.

Schnell wechsle ich das Thema.
,, Wie wars bei Marie ?"

,, Es war schön bei ihr. Es ist herrlich auf dem Land zu leben. Aber ich weiß genau, dass du versucht von dir abzulenken, Eric."

Ich seufze frustriert, denn sie durchschaut mich immer.

,, Du wirst mir immer noch nicht sagen, wer das war oder ?"

Sie wirft mir einen traurigen Blick zu und ich schüttle den Kopf.

,, Ich hab ihn wirklich nicht gesehen, Helen."

Sie gibt einen kleinen enttäuschten Seufzer von sich und wendet sich dann von mir ab. Nach einer Weile wechselt sie das Thema.

,, Fühlt sich Aiden bei uns wohl ?"

Ich überlege eine Weile, was ich darauf antworten soll. Fühlte Aiden sich wohl ?

Ich habe keine Ahnung.

Bisher hat er mich weder davon, noch von dem Gegenteil überzeugt.

,, Ich denke schon," ist das Einzige, das ich darauf antworten kann.

,, Das freut mich."

Helen lächelt kurz . ,, Ich weiß, es ist jetzt ein bisschen spät ihn zu adoptieren, aber ich werde einen Weg finden, dass er bleiben kann. Ich denke wir werden schon irgendwie mit dem Geld durchkommen."

,, Das ist lieb von dir."

Ich wende kurz den Blick von der Straße ab, um ihr ein dankbares Lächeln zu schenken.

,, Ich denke auch nicht, dass das Geld ein Problem sein wird. Aiden verdient mittlerweile selbst etwas dazu."

Helen soll sich darüber keinen Kopf zerbrechen.

,, Das ist gut."

Sie atmet erleichtert aus und lehnt sich im Sitz zurück, um die restliche Fahrt noch ein bisschen zu schlafen. In letzter Zeit ist sie sehr oft müde und das bereitet mir mittlerweile Sorgen. Ich muss mit ihr die Woche mal zu einem Arzt gehen.

***

Sanft wecke ich Helen, helfe ihr aus dem Wagen und laufe mit ihr nach drinnen. Wunderlicher Weise liegt Aiden nicht mehr oben in meinem Zimmer, sondern hat es sich im Wohnzimmer bequem gemacht.

,, Warum bist du hier unten ?," frage ich ihn, als ich das Wohnzimmer betrete und schaue ihn verwirrt an.

Aiden wendet sich nicht vom Fernseher ab.

,, Evelyn ist vorhin vorbei gekommen,weil sie mit dir reden wollte. Sie ist in deinem Bett eingeschlafen, deshalb bin ich hier unten," verteidigt er sich und schaut mich immer noch nicht an.

In meinem Kopf herrscht Chaos. Evelyn hatte mich gebraucht und ich war nicht da gewesen. Verdammt !

Ich gehe nach oben in mein Zimmer und öffne leise die Tür.

Evelyn liegt in meinem Bett und schläft, weshalb ich mich leise zu ihr schleiche und mich neben sie kniee, um sie besser ansehen zu können. Die Versuchung, ihr über ihre Wangen zu streichen, ist unendlich groß, doch ich halte mich zurück, denn ich will sie nicht wecken.

Langsam stehe ich auf und will gehen, doch da wacht Evelyn auf und ihre Augen treffen auf meine.

,, Hi," begrüßt sie mich müde und ein kleines Lächeln zeichnet sich auf ihren Lippen ab.

,, Hi."

Ich kniee mich wieder vor sie und sehe sie ebenfalls lächelnd an.

,, Aiden sagt, du wolltest mit mir reden," flüstere ich ihr zu und lächle sie ermutigend an.

Evelyn nickt und streicht mir mit ihren Fingern über meine Hand, die vor ihr auf dem Bett liegt.

Wärme durchflutet mich, als sie mich berührt und ich umklammere ihre Hand sanft.

,, Heute war wieder einer dieser Tage," gesteht sie mir schließlich und schaut ins Leere, während sich Tränen in ihren Augen bilden, weshalb ich sofort meine Hand an ihr Kinn lege und sie dazu bringe, mich anzusehen.

,, Du wirst ein Herz bekommen, Evelyn. Wir werden nach Harvard gehen und es wird alles gut werden. Das versprech ich dir."

Vorsichtig fahre ich ihr mit meinem Daumen über ihre Wange, um sie zu trösten. Evelyn nickt und eine Träne läuft ihre Wange hinunter, die ich sanft mit meinem Daumen wegwische.

Sie so zu sehen, lässt mich immer wieder einen Kloß im Hals spüren. Wieder einmal würde ich alles dafür tun, um ihre Krankheit heilen zu können. Ich würde mit ihr tauschen, wenn das möglich wäre.

Ich gebe ihr einen sanften Kuss auf die Stirn.

,, Versuch einzuschlafen, Evelyn," flüstere ich ihr zu und streiche erneut mit meinen Daumen über ihre Wange. Dann löse ich mich von ihr, doch sie hält mich am Handgelenk zurück.

,, Bleib bei mir, Eric. Bitte."

Ihre blauen Augen schauen mich flehend an und ich überlege nicht lange, lege mich neben sie und ziehe sie an mich. Ich spüre, wie Evelyn näher zu mir kommt und sich an mich schmiegt, während ich meinen linken Arm um sie lege und meine Stirn an ihre lehne.

,, Ich hab so Angst, Eric," schluchzt sie leise und klammert sich leicht an meinem T-Shirt fest.

,, Es wird alles gut werden. Alles wird gut," beruhige ich sie immer wieder und streichle sanft über ihren rechten Arm, während ich selbst den Tränen nahe bin.

,, Bleib bei mir."
Sie lehnt sich näher an mich und schließt ihre Augen.

,, Immer," verspreche ich ihr und spüre die erste Träne, die sich in meinem Auge bildet.

Ich kann sie einfach nicht verlieren. Das kann ich nicht.

Mit der Zeit schläft sie wieder ein und ich beobachte sie, während meine Gedanken nur um sie kreisen.

Bitte Gott, wenn es dich gibt...

bitte nimm sie mir nicht weg.

Mit jedem HerzschlagWhere stories live. Discover now