65 Mädchenkram (Gegenwart)

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Die Oberschülerin lag mit verheultem Gesicht auf der Seite und starrte durch das Rolltor nach draußen. Sie hatte ihr Zeitgefühl verloren, während sie von ihrem Weinkrampf heimgesucht worden war. Sie war nicht in Ordnung. Wie könnte sie auch mit all den Verlusten und all der Last auf ihren Schultern? Sie hatte sich selbst etwas vorgemacht.

Ich will doch bloß ein normales Leben. Ich möchte in Ruhe gelassen werden und mich um meine Schwester kümmern. Ist das zu viel verlangt?

Betrübt starrte sie vor sich her, als ihr Handy zu klingeln begann. Sie zog ihre Nase hoch und griff in ihre Tasche. Nisha rief an. Die Blauhaarige rieb sich über ihr Auge, schniefte nochmals und setzte sich dann auf, um den Anruf entgegen zu nehmen.


„Ja?"

„Hey, Yuna-chan. Was machst du gerade?"

„Nichts Besonderes. Schaue mir Sachen aus unserem alten Haus an", erklärte Yuna mit zittriger Stimme.

„Oh. Hikari hatte etwas erwähnt. Hast du Lust bei Me auf eine Schokolade vorbei zu gehen?"

„Hikari? Was ist aus Wada-san geworden?"

Das Katzenmädchen kicherte. „Ja. Wir haben beschlossen uns beim Vornamen zu nennen, wenn wir Freunde sein wollen. Cool, oder?"

Ein schwaches Lächeln erschien auf dem Mund der Blauhaarigen. „Ja. Ich bin hier fast fertig. Ich glaube, es würde mir gut tun etwas Zeit mit dir zu verbringen."

„Ähm ... also eigentlich wollte ich mit dir und Hikari etwas machen. Ich treffe mich nachher mit ihr in der Stadt."

„Hm ..." Moment. Ob Hikari die gemeinsame Freundin vorgeschickt hatte, um die Lage zu sondieren? „Okay. Ich komme, sobald ich hier fertig bin."

„Spannend. Ich freue mich schon total darauf mit meinen Mädels abzuhängen", lachte Nisha.

„Das hast du jetzt nicht wirklich gesagt."

Die Grauhaarige wurde still. „Zu viel des Guten?"

Obwohl ihr nicht nach Lachen zumute war, musste Yuna doch grinsen. „Es ist nur ungewohnt."

„Ich versuche etwas lockerer zu sein."

„Ich seh euch später, Nisha-chan."

„Okay. Ich freue mich, Yuna-chan", verabschiedete sich die Klassensprecherin, ehe sie den Anruf beendete.


Seufzend steckte die Blauhaarige ihr Telefon zurück in ihre Tasche. Sie wollte hier sowieso weg. Ihr war nicht bewusst gewesen, wie sehr sie von ihrer Kraft abhängig geworden war. Dass sie positive Gefühle empfinden konnte und nur die Negativen ferngehalten wurden, verriet ihr zumindest, dass sie bereits sehr viel mehr Kontrolle über ihre Kraft hatte, was zumindest einen kleinen Fortschritt darstellte.

Sie kam auf ihre Beine, schlenderte durch das Rolltor hinaus und verriegelte das Lagerhaus wieder. Anschließend marschierte sie mit knirschenden Schritten über den Kiesplatz, wobei sie das Hauptgebäude anstarrte und sich Gedanken über ihr weiteres Vorgehen machte. Sie konnte unmöglich das Lagerhaus räumen. Wo sollte sie auch mit all den Waffen hin?

Yoshiro hatte ihr empfohlen sich mit ihren Verbündeten zu beraten. Vielleicht konnte sie Me-san kurz unter vier Augen sprechen. Sonst müsste sie sich wohl oder übel einmal mehr an Narusegawa-san wenden.

Aus der Ferne wurde die Oberschülerin dabei beobachtet, wie sie das Gelände verließ.


Auf ihrem Weg in die Stadt legte Yuna einen Zwischenstopp bei der Pension ein. Sie stellte erstaunt fest, dass Yuis Schuhe nicht hier waren. Wohin war Midori mit ihr gegangen? Sie schüttelte den Kopf und stürmte die Treppe hoch, nachdem sie ihr Schuhwerk deponiert hatte. Im Vorbeigehen bemerkte sie Ayumi, die mit den Blumen an ihrem Tisch saß und ihr Kinn auf die Hände stützte. Eilig ging sie weiter in ihr Zimmer und holte ihre Kopfhörer aus ihrem Schulrucksack.

Onijägerin Yuna 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt