15. Scherben und Erbrochenes

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"Was?", fragte ich total verwirrt und blickte zu ihm hoch. Das hatte der doch nicht wirklich gesagt, oder?

Zur Antwort, lachte er nur laut auf und lief die Treppe herunter. Ich starrte ihm erstmal völlig perplex hinterher, bis ich ihm folgte. Wir gingen zu seinem Auto und er fuhr mich wieder mal durch halb Seattle. Ich konnte gut verstehen, warum er früher auf eine andere Schule gegangen ist. Mich Interessierte es jetzt irgendwie doch brennend, weshalb Ben und Mailo geflogen sind.

"Warum seit ihr eigentlich aus der Schule geflogen?", frage ich, weil mein Mund schneller war, als mein Gehirn es erlaubt hatte. Ich sollte da echt mal ne Geschwindigkeitsbegrenzung einbauen.

Ich wartete auf eine Antwort, welche aber irgendwie nicht kommen wollte. Ein Blick zur Seite verriet mir, dass er wohl nicht darüber reden wollte. Mailo hatte seinen Blick stur auf die Straße gerichtet und sein Kiefer mahlte leicht. Trotzdem schien es mir als eine gute Lösung, nochmal nach zu haken.

"Willst du nicht darüber reden?", fragte ich vorsichtig. Ich hatte mit vielen Antworten gerechnet, aber nicht mit dieser. Gerade als ich noch einmal zu ihm rüber sah, erblickte ich eine kleine Träne, die er sofort wegwischte.

"Ja.", sagte er knapp und tat so als wäre die Träne nie gewesen.

Genau jetzt kamen wir an. Er schaltete den Motor aus und starrte noch kurz vor sich hin. Ich beobachtete ihn noch kurz von der Seite, bis er ruckartig aufstand, ausstieg und direkt danach neben meiner Tür stand, welche er öffnete.

"Danke", kam es leise aus meinem Mund, während wir zu meiner Haustür liefen.

"Das war ein echt toller Abend.", sagte Mailo und wir hielten vor der Tür an. Er beugte sich zu mir runter und zog mich in eine feste Umarmung. Ich stellte mich auf die Zehenspitzen um dies zu erleichtern und erwiderte sie natürlich. Wieder durchströmte mich diese wohlige Wärme. Eine Wärme, die nichtmal Heizdecken, Kakao und Kuschelsocken hinbekommen. Eine besondere Wärme.

Kurz bevor wir uns wieder voneinander lösten, küsste er ganz leicht und kaum spürbar, als wäre ich aus Porzellan, meine Wange. Besagte Stelle fing an zu kribbeln. Ich wurde augenblicklich rot und war sehr froh darüber, das es schon dunkel war.

"Ich lass dich jetzt mal alleine. Bis morgen.", sagte er und strich mir mit der Hand über die Schulter.

"Bis Morgen.", sagte ich und ging durch die Tür ins Haus.

Verdammt, egal was das war, es musste aufhören. Ich verstand die ganzen Tussis in diesen Liebesschnulzen nie, warum sie ihr Glück nicht zulassen wollen. Doch jetzt tat ich es irgendwie. Ich wusste zwar nicht warum, aber ich wollte es nicht.

Ich lief augenblicklich in mein Zimmer hoch und schaltete Musik an. Dies half mir eigentlich immer, meine Gedanken zum schweigen zu bringen. Diesmal aber nicht. Deswegen stellte ich mich unter die Dusche und ließ das warme Wasser auf mich herab prasseln. Mein Körper entspannte sich zwar, mein Gedankennetz aber nicht. Denn egal über was ich nachdachte, kam es immer wieder auf Mailo zurück. Immer wieder und ich konnte nichts dagegen machen.

~~~

Ein Geräusch aus dem Wohnzimmer ließ mich hochschrecken. Ich musste wohl eingenickt sein. Mein Nacken war total verkrampft und mein Rücken versteift. Mein total verschlafener Blick auf die Uhr verriet mir, dass es noch mitten in der Nacht war. Wahrscheinlich einfach nur meine Brüder, welche jetzt endlich nach Hause gekommen sind. Also war es kein Grund Panik zu bekommen. Noch nicht, denn als ich ein klirren von Unten hörte, bekam ich es doch etwas mit der Angst zu tun. Da ich jetzt aber eh wach war, beschloss ich, mit meinem Taschenmesser bewaffnet mal nachzusehen.

Also schlich ich mich erst langsam aus meinem Zimmer und danach die Treppe runter. Mein Puls wurde immer schneller und ich umklammerte den Griff meines Messers fester. Doch als ich sah was diese Geräusche verursacht hatte, musste ich echt mit mir selbst kämpfen, nicht laut los zu lachen. Dieses Bild welches sich mir da bot, war einfach zu genial.

Ein nüchterner Alex versuchte drei, nicht ganz so nüchterne, Brüder die Treppen hoch zu bringen. Nicht ganz so nüchtern war mächtig untertrieben. Sie waren stockbesoffen. Enzo saß auf dem Boden und versuchte sich die Schuhe auszuziehen. Lance hingegen versuchte sein Glück mit der Jacke, wobei er eine Vase vom Schuhschrank gefegt haben musste, was auch das Klirren von vorhin erklärte. Und zum Schluss war da noch Sam, welcher wirklich nur unter enormer Hilfe von Alex noch stehen konnte.

"Da ham wohl welche zu tief ins Glas geguckt, was?", neckte ich Alex. Die anderen schienen mir so, als würden sie mich eh nicht verstehen. Alex schaute genervt zu mir auf, weshalb ich dann einfach meine Klappe hielt. Ich half ihm, indem ich Sam mit stützte und wir somit Bruder Nr. 1 ins Bett bringen konnten. Wir machten uns nicht mal die Mühe ihn umzuziehen, sondern deckten ihn lediglich zu. Direkt danach gingen wir wieder runter, wo uns schon der unangenehme Geruch von Erbrochenem in die Nase stieg.

Enzo hatte sich anscheinend übergeben. Na toll. Das durfte ich dann alles wieder weg machen. Während Alex nun auch Lance in sein Zimmer brachte, ging ich mit Enzo ins Bad und zog ihm erst einmal das dreckige Shirt aus. Ich nahm mir einen feuchten Lappen und wischte das restliche Erbrochene von seinem Kinn und der Brust. Ich holte ihm schnell ein neues, welches ich ihm dann auch überzog. In dem Moment kam auch Alex rein und nahm mir Enzo ab.

Nachdem ich 'die Reste' aus dem Flur schnell entfernt und Enzo einen Eimer an sein Bett gestellt hatte, ging ich noch einmal kurz zu Alex ins Zimmer, welcher mir glaube ich noch etwas zu erklären hatte. Als ich durch die Tür seines Zimmers trat, lag er gerade auf dem Bett und tippte etwas auf seinem Handy. Ich klopfte leicht an den Türrahmen, wodurch er seinen Blick jetzt auf mich richtete.

"Wie viel haben die bitte getrunken?", fragte ich ihn mit hochgezogenen Augenbrauen. Zwar gingen meine Brüder öfter auf Partys und betranken sich, aber so voll hatte ich sie wirklich noch nie erlebt. Oder selbst wenn, dann war es immer nur einer und nicht drei wie eben.

"Naja es war halt ne Party.", sagte er achselzuckend.

"Sonst lasst ihr euch aber auch nicht so zulaufen. Warum bist du eigentlich komplett nüchtern?", sprach ich meinen Gedanken aus.

"Es gab halt ziemlich starkes Zeug dort, aber das haben nicht nur unsere Brüder unterschätzt. Einige haben schon nach einer halben Stunde angefangen in die Büsche zu kotzen. Und zu deiner Frage: Wir haben ausgelost wer fahren muss. Den Rest kannst du dir ja sicherlich selbst zusammenreimen.", sagte Alex. Warum war mir das nicht vorher schon klar gewesen? Alex hätte sich natürlich auch volllaufen gelassen.

"Geh jetzt besser mal wieder schlafen. Es tut mir leid das wir dich geweckt haben.", entschuldigte er sich.

"Gute Nacht.", flüsterte ich noch und ging dann seiner Bitte nach.

Natürlich schlief ich wieder nicht sofort ein, sondern lag noch viele Minuten lang Wach. Wann genau ich eingeschlafen bin, wusste ich nicht.

Prudence Where stories live. Discover now