31. Vertrauen

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Eine schlaflose Nacht, gefolgt von Matheunterricht ist überhaupt gar keine gute Mischung. Meine Augenlieder fühlten sich immer noch schwer und irgendwie verheult an und wollten immer wieder zufallen. Dagegen kämpfte ich an, um wenigstens nicht auf der Bank einzupennen. Ein leichter Picks in meine Seite ließ mich aufschrecken. Besorgt musterte mich Mailo.

"Wenig geschlafen Prinzessin, was?", stellte er leise fest. Seine linke Hand ruhte auf meinem Oberschenkel und strich sanft darüber. Ich nickte und sah wieder zur Tafel um irgend welche Formeln abzuschreiben. Direkt danach wand ich meinen Blick jedoch wieder zu Mailo, welcher noch am schreiben war. Genau in diesem Moment wurde mir etwas klar. Ich konnte Mailo wirklich vertrauen. So richtig vertrauen. Keine Ahnung, warum mir das genau jetzt auffiel, aber es war eindeutig.

"Ich muss dir nach der Schule mal etwas zeigen.", flüsterte ich, damit der Lehrer es nicht hörte. Mailos Blick galt nun ebenfalls mir und er nickte stumm. Wieder kritzelte ich irgend etwas auf mein Blatt, was ich überhaupt nicht verstand.

"Wie haben deine Brüder nun reagiert?", fragte er und strich mit seinem Daumen wieder über meinen Oberschenkel. Seine Fürsorge war wirklich süß und liebevoll. Mailo machte sich wahrscheinlich ernsthafte Gedanken über das wohlbefinden der Menschen um ihn herum.

"Wie erwartet. Sie waren nicht so wirklich begeistert. Aber das ist mir egal. Ich werde mit dir dahin gehen.", sagte ich entschlossen, während ich auf seine Hand auf meinem Oberschenkel sah. Ein leichtes Lächeln umspielte meine Lippen.

"Das hoffe ich doch.", flüsterte er, nun ebenfalls lächelnd und sah auch auf seine Hand. Durch die Wärme, welche Mailo ausstrahlte hätte ich jetzt wirklich gleich einschlafen können.

~~~

Nach der Schule hatte ich Mailo den Weg hierher gelotst. Natürlich war er verwirrt, was wir hier sollten, auch wenn er wahrscheinlich schon eine Vorahnung hatte. Es war fast komplett still, nur ein paar Blätter rauschten im kühlen Wind. Nun standen wir also hier, die Finger verschränkt und auf das Tor des Friedhofes schauend. Langsam setzten wir uns in Bewegung und gingen durch besagtes Tor. Sofort lastete eine gewisse Schwere auf meinem Herzen und drückte meine Stimmung abermals. Ich hasste diesen Ort. Immer wieder rief er schreckliche Erinnerungen hervor, welche ich eigentlich verdrängen wollte. Wir gingen an mehreren Gräbern vorbei. Manche noch ziemlich frisch und mit Blumen oder Kerzen. Manche schon alt und vergessen, mit Unkraut übersät. Den Weg kannte ich natürlich in- und auswendig, trotzdem fiel es mir schwer, diesen zu begehen.

"Hier ist es.", sagte ich leise. Wir standen vor einem Grab, mit einem Marmorgrabstein und einem relativ frischen Blumenstrauß. Wahrscheinlich war mein Vater nochmal hier, bevor er wieder abgereist ist.

"Was ist hier?", fragte Mailo und blickte genauso auf das Grab herab, wie ich. Leicht drückte er meine Hand und gab mir damit ein Gefühl von Sicherheit.

"Das Grab meiner Mutter.", hauchte ich in den Wind. Tränen stiegen mir wieder in die Augen, als ich von dem Stein wegsah und direkt in Mailos Augen. Er reagierte sofort und zog mich an sich heran. Seine starken Arme hielten mich fest an ihn gedrückt und ich schluchzte in sein T-Shirt. Beruhigend strich Mailo über meinen Hinterkopf und sagte einfach nichts. Sonst kam ich hier selten hin und wenn, dann allein.

Als mein Schniefen abklang lösten wir uns wieder voneinander. Mailo sah mir kurz in die Augen, strich mir über die Wange um meine Tränen verschwinden zu lassen und kniete sich dann vor das Grab.

"Äh... hallo Mrs. Wayer. Schade, das wir uns nie persönlich kennengelernt haben. Aber ich wollte mich mal bei ihnen bedanken, dass sie eine so wundervolle Tochter auf die Welt gebracht haben.", bei seinen Worten, welche auf den Grabstein meiner Mutter gerichtet waren, musste ich lächeln. Bis jetzt hatte ich niemandem von meiner toten Mum erzählt und ich hatte Angst, vor seiner Reaktion. Diese jedoch hatte ich nicht erwartet.

"Mailo?", sprach ich ihn an. Ich stand hinter ihm und sah seinen Hinterkopf, mit seinen blonden Haaren an.

"Mhh?", er drehte seinen Kopf zu mir und blickte mich fragend an. Es war ungewohnt mal zu ihm herunter blicken zu müssen.

"Ich liebe dich.", sagte ich ganz leise, mit einem Lächeln auf den Lippen. Denn ja, es stimmte. Ich liebte ihn. Die ganze Zeit schon hatte ich es irgendwie gemerkt, doch jetzt war ich mir sicher. Ganz langsam richtete Mailo sich auf und legte seine Hände an meine Taille. Er zog mich zu sich heran und küsste mich einfach ohne Vorwarnung. Seine Lippen waren wieder weich und warm, wie sonst auch immer. Mit seiner Zunge fuhr Mailo wieder leicht über meine Unterlippe und diesmal gewährte ich ihm Einlass. Sofort spielten unsere Zungen miteinander und ließen meinen Bauch vor Freude kribbeln. Mein Herzschlag steigerte sich immer weiter, als würde mein Herz gleich aus meiner Brust springen. Ich legte meine Hände in seinen Nacken und zog ihn weiter zu mir herunter.

Aus atemtechnischen Gründen lösten wir uns aber wieder und Mailo legte seine Stirn an meine. Schließlich hob er mich einfach hoch und trug mich zu einer nahegelegenen Bank, wo wir uns niederließen. Mit meinem Kopf lehnte ich an seiner Schulter, während einer seiner Arme fest um mich gelegt war.

"Weißt du, wann ich dich das erste mal gesehen habe?", fragte Mailo aus dem nichts heraus und griff mit seiner freien Hand nach einer meiner. Wir verschränkten unsere Finger, wobei er leicht mit seinem Daumen über meinen Handrücken strich.

"Als du neu an unsere Schule kamst.", sagte ich mit einer Selbstverständlichkeit, welche von seinen nächsten Worten zerstört wurde.

"Nein. Das erste mal hab ich dich mit circa zwölf Jahren bei einem Footballspiel deiner Brüder gesehen. Ich war in der gegnerischen Mannschaft. Du hast deine Brüder wie verrückt angefeuert.", erklärte er und strich weiter über meinen Handrücken. Verdutzt nahm ich meinen Kopf von seiner Schulter und sah Mailo an. "Und dann habe ich dich vor nem Jahr mal in der Mall gesehen. Du warst mit Flora dort und ihr saßt im Starbucks.", erzählte er weiter. Mir war Mailo vorher nirgendwo aufgefallen.

"Warum hast du mich nicht angesprochen?", fragte ich. Schließlich war er ja nicht gerade schüchtern.

"Weil ich mich irgendwie nie getraut habe. Außerdem lebte ich bis vor dem Schulwechsel den Lifestyle eines Playboys.", sagte Mailo und sah irgendwie beschämt nach unten. Er wollte unsere Finger lösen, doch ich ließ es nicht zu. "Als ich dich dann an der Mauer gesehen habe, konnte ich mein Glück kaum fassen."

Prudence Onde histórias criam vida. Descubra agora