26. "Nein danke"

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"Kann ich mitkommen?", fragte ich Alex und setzte einen Hundeblick auf. Dieser sah mich nur verwundert an, drehte seinen Kopf zur Seite ohne den Blick von mir zu wenden und rief unseren anderen Brüdern etwas hoch.

"Leute Prudence möchte mit zu unserem Training. Was habt ihr ihr ins Wasser getan?", über seine Bemerkung am Ende musste ich grinsen und schlug ihm auf den Arm. "Nein ernsthaft mal, warum möchtest du mit.", meinte Alex nun an mich gewandt und wieder in normaler Lautstärke.

"Ich treffe mich danach noch mit Flora und die ist momentan noch unterwegs. Wir wollten uns dann gleich in der Stadt treffen. Passt perfekt mit eurem Trainingsende überein.", log ich grandios. In Wirklichkeit hatte ich Mailo ja versprochen, beim Training zuzugucken. Danach wollten wir noch zu ihm fahren.

"Okey.", sagte Alex und zog den letzten Buchstaben etwas in die Länge. Sein Blick war immer noch misstrauisch, jedoch etwas belustigt. "Das du innerhalb von circa drei Wochen uns zwei mal dabei zugucken willst, ist echt was besonderes. Das sollten wir im Kalender rot markieren." neckte er mich.

"Ich hab ihr nichts ins Wasser getan. Aber es ist eigentlich ganz gut, dann sitzt Maria nicht alleine herum.", sagte Sam, welcher gerade die Küche betrat, sich eine Flasche schnappte und in seine Tasche steckte. Er musterte uns beide kurz, bevor er den Raum wieder verließ. "Kommt jetzt, Lance wartet schon.", rief er uns noch zu.

Also fuhren wir zusammen zum Footballplatz. Während Alex, Sam und Lance sich mit ihren riesigen Sporttaschen in die Umkleide begaben, ging ich auf die Tribüne zu. Dort saß Maria, ganz alleine, schon geduldig wartend und laß ein Buch.

"Hey.", begrüßte ich sie freundlich. Maria jedoch zuckte zusammen, ließ das Buch fallen und hielt sich eine Hand ans Herz.

"Mein Gott erschreck mich doch nicht so.", keuchte sie mit weit aufgerissenen Augen, fing dann aber an zu lachen. "Ohne Witz ich hätte fast einen Herzinfarkt bekommen."

"Sorry.", entschuldigte ich mich lächelnd und setzte mich zu ihr. Das Buch, welches Maria fallen gelassen hatte, hob sie nun wieder auf und klappte es zu. Dabei konnte ich ein Blick auf das Cover erhaschen. "Stephen King, Menschenjagd?"

"Ja, ich bin ein großer Stephen King Fan.", sagte sie etwas verlegen und spielte an ihrem Armband herum. So hätte ich sie garnicht eingeschätzt. Ich persönlich habe nur einmal einen Film dieses Autores geguckt und mir würde es mein Leben lang reichen. Horror war einfach nicht so meins.

Eine Stille schob sich zwischen uns. Verzweifelt suchte ich nach einem Gesprächsthema, fand sogar eins. Nur dumm, dass mein Gehirn mal wieder keine Geschwindigkeitsbegrenzung hatte und ich somit etwas komisches von mir gab.

"Wo haben du und Sam euch eigentlich kennen gelernt?", zwar interessierte es mich brennend, aber ich hätte es lieber zuerst von Bruder Nummer 1 gehört. Maria starrte vor sich hin und fing an zu schmunzeln. Wahrscheinlich erinnerte sie sich an irgendwas zurück.

"Das ist ne komische Geschichte gewesen. Sagen wir mal so: Am Anfang ist mir Samuel gehörig auf die Nerven gegangen.", sie musste leicht auflachen, als sie dies sagte und hielt sich die Hand vor den Mund.

"Oh glaub mir, dass macht er bei mir schon mein ganzes Leben.", fügte ich lachend hinzu, worauf auch Maria sich ein Lachen nicht mehr unterdrücken konnte. Unser Gelächter klang jedoch ab, als die ersten Jungs auf den Platz liefen. Mein Blick heftete sich natürlich sofort an den Jungen mit der Nummer 87.

"Warum bist du mitgekommen? Sam hat mir immer gesagt, dass du eher so wie ich bist und dich dieser Sport überhaupt nicht interessiert.", meinte sie, während sie wahrscheinlich gerade meinen ältesten Bruder beobachtete.

"Ich treffe mich danach noch mit einer Freundin.", log ich wieder. Genau in diesem Moment sah Mailo zur Tribüne und blieb an mir hängen. Er grinste, setzte sich seinen Helm auf, wodurch ich sein Gesicht nicht mehr sehen konnte und drehte sich wieder zu den anderen um.

"Eine Freundin also?", fragte Maria nach. Ich schaute zu ihr und musste mit bedauern feststellen, dass sie dies nicht so schluckte wie meine Brüder. "Ach komm schon, ich bin auch ein Mädchen. Was denkst du, was ich mir für Lügen ausgedacht habe, um Sam zu treffen?", stellte sie eine rhetorische Frage. Zumindest dachte ich das sie auf letzteres keine Antwort erwartete. "Ist es Nummer 87 der dir gerade zugelächelt hat?"

"Mhh", murrte ich nur. Verdammt, sie hatte mich durchschaut. "Aber bitte sag es niemanden.", forderte ich sie auf. Verzweiflung stieg in mir auf. Meine Brüder sollten davon nichts wissen. Maria machte eine Handbewegung, welche deutete, das ihr Mund verschlossen sei.

"Ich schweige wie ein Grab.", sagte sie und widmete ihre Aufmerksamkeit wieder auf das Feld.

~~~

Ich stand vor den Umkleiden und wartete. Meine Brüder waren bereits gegangen, was mir nur recht war. Meine Füße trugen mich vor der Kabine auf und ab, wobei ich manchmal ein Kieselstein kickte. Gedankenverloren starrte ich auf den Boden, bis mich ein Picks in die Seite aufschrecken ließ. Ein grinsender Mailo stand vor mir und nickte Richtung Auto. Er roch diesmal etwas nach Schweiß, was ich aber merkwürdiger Weiße nicht ekelhaft fand. Seine Tasche schmiss er in den Kofferraum und ließ mich einsteigen.

"Ich muss dann Zuhause noch kurz duschen. Kannst ja mitkommen wenn du willst.", sagte er, als wir fuhren und zwinkerte mir flüchtig zu. Ich verdrehte die Augen musste aber trotzdem leicht schmunzeln.

"Nein danke, ich lehne das Angebot ab.", sagte ich und musste noch mehr schmunzeln. Autos, Häuser und Menschen zogen an uns vorbei, während wir fuhren.

"Meine Mutter ist wieder nicht da, meine kleine Schwester aber. Würde es dich stören, wenn du kurz auf sie aufpassen würdest?", fragte er und hielt an einer roten Ampel. Mailo sah zu mir rüber und stützte seinen Arm am Fenster ab. Mein Blick glitt zu ihm und ich schüttelte leicht den Kopf.

"Ich mag deine Schwester.", fügte ich noch lächelnd hinzu. Der Motor brummte wieder auf und wir fuhren weiter.

Bei ihm angekommen rannte er gleich nach oben zum Duschen. Ich hingegen ging in das Wohnzimmer, wo schon ein kleines Mädchen mit goldbraunen Haaren saß und fernsah. Als sie mich entdeckte lächelte sie, stand auf und rannte auf mich zu. Wie damals bei Mailo umarmte sie mein Bein.

"Cool das du wieder hier bist. Guckst du mit?", fragte sie und zerrte mich schon am Bein halb mit zum Sofa. Ich lachte leicht und ließ mich mitziehen, ehe ich mich neben sie setzte. Gerade lief irgend eine Kindersendung, dessen Name ich nicht kenne.

"Mailo muss dich gern haben. Sonst sind hier nur ganz selten Freunde von ihm.", sagte sie, während ihr Blick dem Fernseher galt. Auch wenn Jamila dies nur so am Rande bemerkt hatte, fand ich es interessant.

"Und was ist mit Ben?", hackte ich nach, denn in der Schule sind die Beiden ja unzertrennlich. Jamila schaute mich nun mit ihren blauen Augen an und musterte mich kurz.

"Naja, der ist auch manchmal da. Aber nicht wirklich oft.", flüsterte sie und blickte wieder zu ihrer Sendung. Warum genau sollte Mailo fast nie Freunde mit Nachhause bringen? Das ergab für mich keinen richtigen Sinn.

Durch Geräusche auf der Treppe wurde ich in die Realität zurück geholt. Mailo kam gerade ins Zimmer, als er sich ein Shirt über den Kopf zog. Dabei erhaschte ich wieder einen Blick auf seinen durchtrainierten Oberkörper.

"Und, amüsiert ihr Beiden euch schön?", fragte er und setzte sich neben mich. Jamila nickte, sah aber weiterhin nach vorne. Als ein Arm meine Schulter berührte, drehte ich meinen Kopf zu Mailo. Dieser sah mich schon lächelnd an und zog mich vorsichtig zu sich. Ich ließ es zu und kuschelte mich leicht an ihn. Er drückte mir einen sanften Kuss auf den Scheitel und ließ seine Lippen kurz dort ruhen.

"Ihhh! Seid ihr verliebt?", quiekte Jamila und wackelte mit ihren kurzen Beinchen auf dem Sofa herum. Mailo lachte, ich jedoch wurde rot im Gesicht und setzte mich wieder auf.

Waren wir denn verliebt?

Prudence Where stories live. Discover now