Kapitel 60

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●True Colors- Cyndi Lauper●
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„Genial!" Lachend klatschen Rachel und ich ein und laufen danach gemeinsam nach Hause. Isobelle hat sich gerade von uns verabschiedet, da sie von ihrem Freund abgeholt wurde, mit welchem sie jetzt wieder zusammen ist. Wenigstens hat Lydia es nicht geschafft deren Beziehung endgültig zu zerstören.

„Ich dachte schon sie fängt an zu heulen!", lacht Rachel neben mir.

„Ich fand es ziemlich genial, wie sie ausgesehen hat, als ihr klar wurde, dass wir die ganze Zeit zusammen gearbeitet haben!", meine ich und erwidere ihr breites Grinsen.

„Ja das war auch super!"

Lachend laufen wir nebeneinander her und vergessen für einen kurzen Moment, dass wir wir sind und schon immer in einem Wettstreit standen. Jetzt sind wir einfach nur zwei Mädchen, welche von derselben Bitch verarscht wurden.

„Sag mal, was genau hat Lydia dir angetan?", frage ich sie neugierig, da ich mir schon seit Tagen den Kopf darüber zerbrochen habe.

Rachel schließt kurz ihre Augen und atmet angespannt aus. „Ich war 14 und noch ein ganz anderer Mensch.", meint sie gedankenverloren und starrt geradeaus. „Damals war ich noch nicht so selbstbewusst oder sonderlich hübsch, geschweige denn beliebt. Ich war sogar genau das Gegenteil. Meine Haare waren noch langweilig Braun, ich habe eine Brille getragen und war ziemlich pummelig. Jedenfalls kam eines Tages Lydia vorbei und nun ja...sah einfach umwerfend aus. Sie hat zu den beliebtesten Mädchen an meiner alten Schule gehört und ich war so verwundert drüber, dass sie mit mir befreundet sein wollte, dass ich unsere krankhafte Beziehung gar nicht in Frage gestellt habe."

Aufmerksam höre ich ihr zu und gucke mir kurz ihre blond gefärbten Haare an. Braun würde ihr so viel besser stehen.

„Einerseits habe ich mich auch gar nicht getraut, denn ich wollte dieses Gefühl von dem beliebt sein und der Aufmerksamkeit nicht verlieren, weshalb ich alles getan habe, um weiterhin ihre Freundin sein zu dürfen. Ich habe gelernt, wie man andere fertig macht, ich habe geklaut und mich furchtbar gegenüber meinen Mitmenschen verhalten. Aber eines Abends, sollte sich alles verändern. Wiedermal sollte ich für Lydia in die Mall gehen und ein besonderes Armband mitgehen lassen. Allerdings habe ich es nicht geschafft und wurde erwischt."

Ich muss schlucken, als ich mir vorstelle, wie die kleine Rachel in einen kalten Raum geführt wird, wo sie auf ihre Eltern warten muss.

„Als ich Lydia am Abend angerufen habe, hat sie gesagt es sei in Ordnung und gefragt, ob wir uns im Park treffen. Ich bin sofort dorthin gefahren, doch als ich ankam, war sie nicht alleine. Hinter ich standen 4 weitere Mädchen, welche ohne Vorwarnung angefangen haben auf mich einzuschlagen."

Entsetzt reiße ich meine Augen auf. Was ist Lydia nur für ein Mensch?

„Lydia hat lachend dabei zugesehen, wie sie mir am Boden immer wieder gegen jeglichen Körperteil getreten haben. Als ich kaum noch meine Augen offen halten konnte, haben sie aufgehört und Lydia hat sich zu mir runter gebeugt und gesagt, dass ich für sie gestorben bin."

„Und das alles nur, weil du das Armband nicht für sie gestohlen hast.", murmle ich kopfschüttelnd.

„Ganz genau.", entgegnet Rachel ernst. „Meine Mom hat sie dann verklagt, weshalb sie auch für zwei Wochen in den Jungendknast musste. Danach habe ich geschworen mich nie wieder so von anderen ausnutzen zu lassen. Ich habe meine Haare gefärbt, abgenommen und meine Brille gegen Pumps eingetauscht."

„Aber wieso?", frage ich verwirrt. Sie hätte nichts davon nötig gehabt. Gerade fange ich an zu verstehen. Ich fange an Rachel zu verstehen und realisiere, dass sie die beste Show gespielt hat, welche ich je gesehen habe. Rachel ist nicht dumm, sie ist nicht billig, genauso wenig ein schlechter Mensch. Ihr sind einfach viele schlechte Dinge wiederfahren und sie hat angefangen hohe Mauern um sich zu bauen. Mauern, welche ich gerade eingerissen habe.

„Ich wollte beliebt sein Ellie.", meint sie ehrlich. „Ich hatte mich zu sehr in dieses berauschende Gefühl nach Aufmerksamkeit verliebt. Und als ich dann an die neue Schule kam, gab es da dieses blonde, umwerfende Mädchen, welcher jeder respektiert und vergöttert hat. Sogar ein 12 Klässler, welcher eigentlich gar nichts mit der Unterstufe zu tun haben wollte."

„Also bist du meinetwegen so eine Bitch geworden?"

„Nein, aber ich habe dich beneidet. Du musstest nichts dafür tun. Er konnte seine Augen einfach nicht von dir lassen. Ich habe mir so sehr gewünscht, dass mich auch jemand so ansehen würde, dass mir auch jemand so viel seiner Aufmerksamkeit schenken würde..."

„Deshalb wolltest du also ein Teil vom Spiel sein und hast mit Ryan geschlafen."

„Ja."

„Ist es wegen deinen Eltern?", frage ich sie, was dazu führt, dass sie abrupt stehen bleibt.

„Wie kommst du auf meine Eltern?"

„Jedes Mal, wenn ich bei dir war, hat mir eure Putzfrau die Tür geöffnet und außer dir schien niemand da zu sein. Ihr habt viel Geld, für welches man sicherlich lange arbeiten muss. Deine Eltern sind viel unterwegs und kaum Zuhause, weshalb du so sehr nach Aufmerksamkeit schreist. Deine Eltern kümmern sich nicht um dich, habe ich Recht?" Mitfühlend sehe ich sie und die Träne, welche über ihre Wange rollt, an. Langsam versteh ich Sophia.

„Haben sie nie.", stellt Rachel mit zitternder Stimme klar und wischt sich eilig die Tränen weg, so als könnte man sie aufgrund einer Träne verurteilen. Als wäre es furchtbar seine Emotionen zu offenbaren...

Aber ich schätze, dass ich der letzte Mensch bin, welcher sich über unterdrückte Gefühle aufregen dürfte.

„Ich verstehe.", murmle ich und lege eine Hand auf ihre Schulter. „Ich weiß, dass ist vielleicht das letzte was du hören willst. Aber warum verstellst du dich so sehr? Ich meine ich habe all die Jahre geglaubt, dass du nichts im Hirn hast und eine fiese Schlampe bist. Dabei bist du genau das Gegenteil Rachel."

„Vielleicht." Sie zuckt mit ihren Schultern und meidet meinen Blick.

„Wenn du mich fragst, ich finde braun würde dir besser stehen.", sage ich wahrheitsgemäß.

„Was?"

Ich deute auf ihre Haare. „Braun würde dir besser stehen."

Verwirrt sieht sie mich an und lächelt danach schwach. „Danke."

„Weißt du was? Du bist gar nicht so furchtbar.", vermerke ich lachend und erhalte ein ehrliches Lachen als Antwort.

„Du auch nicht, Davis." Mit diesen Worten dreht sie sich um und geht in die andere Richtung weiter.

Lächelnd sehe ich dem gebrochen Mädchen vor mir nach und realisiere, dass wir doch mehr gemeinsam haben, als ich immer dachte.

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Da ist sie also, die Wahrheit über Rachel, ihre Vergangenheit und Beweggründe.

Ich habe ewig darüber nach gedacht, ob ich dieses Kapitel überhaupt veröffentlichten soll, aber ich finde es ist wichtig. Einerseits, um Rachel zu verstehen und vielleicht sogar zu mögen und andrerseits, für den weiteren Verlauf.

Ich hoffe es gefällt euch🖤

Bis dann.

Bad Boys BattlefieldWhere stories live. Discover now