Kapitel 1

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Es war mal wieder ein langer, stressiger Tag und ich war mehr als froh, mich endlich wieder in mein Bett legen zu können. Mein Abitur, welches ich neu angefangen hatte, machte mir sehr zu schaffen, aber trotz allem arbeitete ich sehr hart für meinen Traum. Ich wollte unbedingt Lehrerin werden. Kinder zu unterrichten, war schon immer mein Traum gewesen, und diesen Traum würde ich mir erfüllen. Ich wohnte mit meiner Familie zusammen in einem schönen Haus am Stadtrand. Meine Familie bestand aus meinem Vater Ahmet, meiner Mutter Özlem und meiner großen Schwester Azra, die wie eine beste Freundin für mich ist. Einen großen Bruder hatte ich auch noch. Cem. Ich hätte gerne einen großen Bruder gehabt, der mich beschützt und der für mich da ist. Doch mein großer Bruder war immer der Außenseiter der Familie gewesen, war irgendwie ständig kalt zu mir gewesen und war schon längst ausgezogen. Das letzte Mal hatte ich ihn bei seiner Hochzeit gesehen, was mich sehr traurig machte. Das war vor zwei Jahren gewesen. Danach hatte ich ihn nicht mehr richtig gesehen. Er verstand sich mit allen super und war eigentlich ein guter Mensch. Doch mir kam es so vor, als würde er mich nicht beachten, was mich etwas verletzte. Warum konnte er nicht wie andere große Brüder sein?
Na ja. Wenigstens hatte ich meine große Schwester und den Rest meiner Familie noch.

Mit Freunden traf ich mich nicht so gerne. Dafür hatte ich keine Zeit und keine Nerven. Meine Freunde, wenn man sie noch Freunde nennen kann, waren ziemlich kompliziert. Sie mochten mich nur, da meine Familie viel Geld besitzt. Ich fiel jedoch nie auf ihre gespielte, nette Art rein. Sie waren mir schon immer egal gewesen, da ich sowieso nicht viel mit ihnen zu tun hatte. Natürlich wäre ich gerne beliebt und bekannt gewesen. Doch ich wusste. dass mir das nur Probleme bereitet hätte. Ich bin schließlich nicht ehrenlos und besitze einen Stolz, der mich dazu motiviert, nicht aufzugeben. Ich blickte auf, als ich einen Umzugswagen vor dem Nachbarhaus bemerkte. Neue Nachbarn?
Hoffentlich sind sie nett. Unsere alten waren einfach ein Albtraum. Sie schrien Tag und Nacht rum, da sie sich stritten, also bekam keiner von uns richtig ein Auge zu. Mein Vater und die hatten sich schon oft in die Haare gekriegt, woraufhin sie bald weggezogen waren und dieses Haus seit einem Jahr leer steht. Doch nun zieht wieder jemand hier her. Wie unsere neuen Nachbarn wohl sind?

Ich begab mich in mein Haus und ging direkt auf mein Zimmer. Ich schmiss meine Jacke und meine Tasche auf mein Bett, doch noch bevor ich meine Schuhe ausgezogen hatte, kam meine Mutter in mein Zimmer.
"Leyla, wir haben neue Nachbarn. Cemal ist mit seiner Frau und mit seinem Sohn hierher gezogen. Geh rüber und begrüße sie", sagte meine Mutter. Ich seufzte erschöpft, nickte aber dann. Cemal Yalçin war der damaligen Kollege und ist der sozusagen beste Freund meines Vaters. Sie teilten sich gemeinsam eine Firma. Sie kennen sich schon sehr lange und sind wie Brüder. Ich habe ihn lange nicht mehr gesehen, da er mit seiner Familie in eine andere Stadt gezogen war, weswegen er meinem Vater die Firma alleine überlassen hatte. Doch sie blieben trotzdem in Kontakt und ich erfuhr, dass Cemal eine eigene Firma gegründet hatte und nun sehr erfolgreich ist. Von seinem Sohn hatte ich nie was gehört, geschweige denn ihn gesehen. Wie er wohl ist?
Na ja. Aufjedenfall waren sie wieder hier.

"Okay. Ich gehe gleich rüber", antwortete ich und meine Mutter ging lächelnd raus. Also überprüfte ich kurz mein Make-Up und mein Outfit. Ich trug einen grauen Pullover, eine schwarze Jeans und passende Nike Sneaker. Außerdem trug ich meine braunen, lockigen Haare offen. Schließlich wollte ich einen guten Eindruck hinterlassen und begab mich zufrieden zum Nachbarhaus. Meine Jacke und meine Tasche ließ ich zu Hause. Schließlich ging ich ja nur kurz zu meinen Nachbarn und nicht auf eine Party oder so.
Gelassen klingelte ich und wartete, bis mir jemand die Tür öffnete. Ein paar Minuten vergingen und ich klingelte noch einmal. Dieses Mal jedoch etwas  ungeduldig, bis mir endlich die Tür geöffnet wurde. Ich hatte mir vorgestellt, dass mir Cemal oder seine Frau die Tür öffnen würde, doch das war ganz und gar nicht der Fall.

Überrascht blinzelte ich einige Male, um das Bild vor mir zu realisieren. Vor mir stand ein attraktiver, junger Mann, der verschlafen aussah und mich müde musterte. Er trug eine graue Jogginghose und hatte obenrum nichts an, weswegen sein Sixpack zum Vorschein kam. Ist das etwa Cemals Sohn? Er war lässig an den Türrahmen gelehnt und selbst das sah so unnormal modelhaft aus, weswegen ich in diesem Moment glatt ins Schwärmen geriet. Seine vollen, schwarzen Haare waren etwas verwuschelt und hingen ihm in seinem schönen Gesicht, was ihm sehr gut stand. Er hatte traumhafte Locken. Am liebsten wäre ich gerne einmal mit meiner Hand durch sie gefahren, so schön waren sie. Seine hellbraunen, wunderschönen Augen funkelten. Noch nie hatte ich bei einem Mann solch traumhafte, braune Augen gesehen. Außerdem hatte er auf seinen Fingern, an der rechten Hand, Tattoos, die ihm sehr gut standen. Die Zeichen konnte ich nicht sonderlich erkennen, doch sie standen ihm. Es war nicht zu viel, aber auch nicht zu wenig. Ich hatte ihn wohl aufgeweckt. Er war einfach ein richtiger Traumtyp. Fast schon unmenschlich, wie attraktiv er war. Ich schluckte nervös und mir wurde ziemlich heiß. Noch nie stand ich solch einem wunderschönen Jungen gegenüber.

"Was willst du?", fragte er etwas gereizt. Er hatte eine schöne, männliche Stimme, die zu ihm passte. Einfach zum Träumen schön. Doch sein Tonfall gefiel mir nicht. Wieso war er denn so wütend?
"Ehm...Ich", stotterte ich. Ich war einfach zu sprachlos und überwältigt von ihm. Das war mir noch nie passiert. Etwas genervt blickte er mich ungeduldig an.
"Kannst du auch in ganzen Sätzen reden?", fragte er nun und hatte seine Arme ineinander verschränkt. Meine Güte, ist der heiß, dachte ich mir aufgeregt. Jede Bewegung raubte mir den Verstand. Er seufzte.

"Hör mal. Du verschwendest meine kostbare Zeit. Also entweder du redest jetzt oder du gehst", sagte er nun leicht arrogant.Seine kostbare Zeit?
Was ein Idiot. Er ist bestimmt einer dieser reichen Badboys, die viel Wert auf ihren Ruf und ihr Aussehen legen, dachte ich mir und rollte dabei meine Augen.
"Deine kostbare Zeit? Wer bist du denn? Der Präsident?", fragte ich leicht provokant und seine Mundwinkel zogen sich nach oben. Man, hatte der ein bezauberndes Lächeln. Immer mehr beeindruckte er mich und ich musste wirklich aufpassen, nicht umzukippen.
"Wie süß. Du hast anscheinend keine Ahnung, wer ich bin. Nicht wahr, Kleine?", fragte er mich amüsiert und musterte mich intensiv. Er machte mich leicht wütend mit seiner arroganten Art, raubte mir jedoch auch gleichzeitig den Verstand. Wie war das möglich?
"Kleine?", fragte ich leicht genervt, woraufhin er lachte.
Fand er das ganze etwa witzig?
Lachte er mich ernsthaft aus?

Seine weißen, schönen Zähne strahlten und machten ihn noch attraktiver. Er hatte solch ein schönes Lächeln. Hatte ich schon erwähnt, dass er wunderschöne Gesichtszüge hatte? Einfach ein markantes Männergesicht, mit atemberaubenden Wanagenknochen und süßen Grübchen. Wie in Trance starrte ich verträumt auf seine vollen, wie ebenso schönen Lippen. Sein Lächeln wurde zu einem triumphierenden Grinsen.
"Wie lange hast du noch vor, auf meine Lippen zu starren und zu schwärmen?", fragte er mich nun und sofort blickte ich ihm wieder in die Augen. Oh man, wie peinlich! Reiß dich zusammen, Leyla. Reiß dich verdammt nochmal zusammen!Verlegen räusperte ich mich und versuchte ihm mal wenigstens länger als fünf Sekunden in die Augen zu schauen. Doch es gelang mir nicht. Er machte mich ziemlich verlegen und ich war zu schüchtern, weswegen ich meinen Blick wieder senkte.
"Wie auch immer. Ich bin nur kurz rüber gekommen, um dich und deine Familie in der Nachbarschaft willkommen zu heißen. Ich bin Leyla und ich wohne in dem Haus nebenan", erklärte ich in einem leisen Ton. Wo war meine Stimme geblieben?
"Ah, ich weiß. Mein Vater und dein Vater sind ziemlich gut miteinander befreundet. Mir wurde schon viel über dich erzählt", meinte er. Ihm wurde etwas über mich erzählt, aber ich wusste nie etwas von ihm? Also ist er doch Cemals Sohn, dachte ich mir.

"O-Okay. Ehm....Wir-Wir sehen uns dann. Ehm....Bye", sagte ich noch verlegener, kehrte ihm den Rücken zu und ging. Ich wollte ihm nicht noch mehr verfallen. Mir fiel auf, dass ich seinen Namen noch nicht wusste und seine Eltern nicht begrüßt hatte. Oh man, Leyla. Was ist nur mit dir los?
Wieso hat dich seine Gegenwart nur so schwach gemacht? Ich versuchte ihn aus meinem Kopf zu bekommen und begab mich wieder nach Hause. Ich legte mich erschöpft in mein Bett, doch schon dreißig Minuten später kam meine Mutter wieder rein.
"Leyla, mach dich fertig. Cemal Amca (Onkel Cemal) und seine Familie kommen gegen 19 Uhr zum Essen", sagte sie und ich seufzte genervt.
"Tamam, Anne (Okay, Mama). K-Kommt sein Sohn auch?", fragte ich leicht nervös.
"Du meinst Can? Ja, natürlich kommt er auch", sagte sie und verließ mein Zimmer. Can war also sein Name. Was ein wunderschöner Name. Na toll.
Warum muss er nur Cemals Sohn und gleichzeitig auch noch mein Nachbar sein? Jetzt müsste ich ihn sehr oft sehen. Seine arrogante, aber auch gleichzeitg einschüchternde Art erleben. Sehr oft sein hübsches Gesicht sehen. Oh man. Ob das gut geht?

ZwangsheiratWo Geschichten leben. Entdecke jetzt