Kapitel 73

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Mert POV

"Was soll das heißen, dass ihr die beiden nicht finden könnt? Habt ihr den Verstand verloren? Die beiden können doch nicht einfach so verschwinden. Sucht weiter. Weit können sie nicht gekommen sein", befehle ich meinen Männern und schmiss mein Handy anschließend wütend auf die Couch. Ich raufe mir meine Haare, als ich mich hinsetze. Genervt denke ich nach. Can und Leyla sind seit über einer Woche verschwunden. Einfach so. Wo könnten sie bloß hingegangen sein? Von heute auf morgen sind sie einfach von der Bildfläche verschwunden. Ihr Haus scheint leer, wie verlassen. Sind sie etwa geflohen? Dumme Frage. Natürlich sind sie das. Can hat wohl Angst bekommen. Bevor ich es erfahren konnte, hat der Feigling die Flucht ergriffen. Lächerlich. Die Zeitung von heute Morgen sticht mir ins Auge. Sie liegt auf meinem Schreibtisch. Die Medien sind voll von der Schande um Cans Firma. Die Leute verspotten ihn. Ich blicke mich nachdenklich um. Ich bin derjenige, der dieses Video anonym reingestellt hat. Ich wollte einfach, dass Can ins Gefängnis kommt und dort für den Rest seines Lebens verrotet, während seine Frau ohne ihn langsam zu Grunde geht. Ich wollte dem ein für alle mal ein Ende setzten. Da ich es nicht geschafft habe, ihn sowie seine Frau umzubringen, muss ich es also irgendwie schaffen, ihn ins Gefängnis zu stecken. Bevor ich dieses Video reingestellt hatte, zog ich aus diesem Haus, in dem sich alle Beweise befanden, aus und zog in ein neues, das keiner so leicht finden könnte. Es befindet sich inmitten ziemlich abgelegen, inmitten eines Waldes. Nur Aleyna, meine Männer sowie ich befinden uns hier.

"Was tun wir jetzt? Die beiden sind einfach verschwunden", fragt Aleyna mich schon zum sechsten Mal. Sie weiß nicht, dass ich dieses Video, was viral gegangen ist, anonym gestellt habe und damit Can ins Gefängnis stecken wollte. Nichts davon weiß sie. Das Einzige, was sie will, ist die Trennung von Leyla und Can. Das Einzige, was ich will, ist Cans Untergang. Er soll seine gerechte Strafe bekommen. Meine Schwester hat das nicht verdient. Wenn Leyla doch nur wüsste, was für ein Mistkerl Can eigentlich ist. Was er einem jungen Mädchen damals angetan hat. Das hätte ich ihr nur zu gerne gesagt. Plötzlich fällt mir etwas ein.
"Wie würdest du Leyla einschätzen?", frage ich Aleyna schließlich.
"Was meinst du?", fragt sie mich und kommt auf mich zu. Ich blickte zu ihr auf.
"Was für eine Art Mensch ist sie für dich?", frage ich sie. Aleyna denk nach.
"Sie scheint gutherzig sowie loyal zu sein. Doch sie ist auch sehr naiv und denkt nicht an sich selbst. Ohne jegliche Hemmungen würde sie sich für Can vor einen Zug schmeißen. Sie ist und bleibt ihm immer treu. Dieses scheinheilige Miststück", erklärt sie mir voller Hass und das beantwortet mir meine Frage darauf, ob dieser Plan aufgehen würde. Leyla opfert sich für Can. Leyla ist naiv. Leyla ist zu gutherzig. Wenn sie also einfach nur wüsste, dass Aleyna Can damals geküsst hat und was Can damals meiner Schwester angetan hat, würde sie es wohl glauben. Nicht wahr? Ich grinse gerissen. Ja. Ach, Can. Ich bin dir immer wieder einen Schritt voraus. Auch wenn du jetzt verschwunden bleibst, werde ich dich finden und wenn ich dich finde, wird deine Frau so einiges über dich erfahren. Mach dich auf etwas gefasst.

Leyla POV

Lächelnd beobachte ich Cansu dabei, wie sie mit ihren Spielsachen spielt und zufrieden zu sein scheint. Can hat mich wirklich überrascht. Wir befinden uns in dem Haus, in dem Can gelebt hat, als wir getrennt waren. Ein Haus, in einer weit entfernten Stadt, in dem uns keiner finden würde. Hier hat er also all die Jahre alleine verbracht. Ganz alleine, ohne mich. Er musste sich schrecklich einsam gefühlt haben. Genau wie ich. Er garantierte mir, dass dieses Haus mehr als sicher ist, sodass wir ungestört hier leben könnten. Er hat an alles gedacht. Seit einer Woche sind wir nun hier. Ungestört. Ich versuche mich so gut wie möglich an dieses neue Haus zu gewöhnen. Es ist ein schönes, gemütliches Haus. Zwar nicht so groß, wie unser altes, aber es gefällt mir hier. Das beste ist, dass es so abgelegen ist. Somit können wir hier in Frieden verweilen. Ohne den Lärm der Autos oder dem ganzen Stress in der Stadt. Ich blicke Can an, der sich neben mich setzt und Cansu ebenfalls betrachtet. Er scheint wohl ganz scharf über etwas nachzudenken.
"Und. Hast du etwas gefunden?", frage ich ihn. Er blickt mich bedauernd an und schüttelt nur den Kopf.
"Nein, leider nicht. Es ist echt verdammt schwer, heutzutage einen Job zu finden", erklärt er mir in einem verzweifelten Ton.
"Ach, mach dir nichts draus. Du findest bestimmt was. Nur Geduld", sage ich aufmunternd und gebe ihm einen Kuss auf die Wange, woraufhin er lächelt sowie.
"Hast du es schon unseren Familien gesagt?", fragt er mich dann. Ich nicke.
"Ja. Sie wissen Bescheid und wünschen uns das beste. Außerdem hoffen sie, dass wir eines Tages zurückkehren können. Doch sie sind froh, dass es uns gut geht", erkläre ich und senke meinen Blick daraufhin. Doch er hebt mein Kinn an und blickt mir tief in die Augen.
"Und du? Bist du zufrieden mit allem? Hast du dich schon gut eingelebt?", fragt er mich dann. Ich lächele daraufhin wieder. Zufrieden blicke ich mich um.
"Natürlich ist es etwas ungewohnt. Aber es gefällt mir hier ganz gut", versichere ich ihm.
"Das freut mich. Ich weiß, dass das alles schwer für dich ist und du gerne wieder zurückkehren würdest. Aber sei unbesorgt. Es wird sich nichts ändern. Wir bleiben immer zusammen", spricht er und nimmt dabei meine Hand in seine. Er erkennt meine Angst. Die Angst, wieder von ihm getrennt zu sein. Wie damals, als er mich verlassen hatte. Ich kneife meine Augen zusammen. Bei dieser schrecklichen Erinnerung wird mir jedes mal schwummrig und mein Herz schmerzt.

"Hey", höre ich ihn dann sanft sagen und öffne meine Augen. Er lächelt sanft, streichelt dabei beruhigend meine Hand.
"Hab keine Angst. Ich bin bei dir und werde auch immer bei dir sein", sagt er wieder. Lange blicke ich ihn an. Lange genug, um zu verstehen, dass es dieses Mal wirklich so sein muss. Er ist bei mir. Für immer. Niemand kann uns trennen. Wir gehören zusammen. So vergeht dann ein ganzer Monat. Can hat tatsächlich drei Wochen nach unserem Einzug einen Job in einer Firma gefunden, der auch gut bezahlt ist. Sie haben ihn angenommen, da sie sein Lebenslauf sehr beeindruckt hat. Schließlich war er jahrelang der Chef einer bekannten Firma gewesen. Auch ich wollte ursprünglich nach einem Job suchen, doch er bestand darauf, dass ich nicht arbeite und versicherte mir, dass wir von seinem Gehalt leben könnten. Ich vertraue ihm voll und ganz, also beließ ich es dabei. Unser Leben scheint wieder perfekt zu sein. Wir lebten uns gut ein und fanden schnell in unseren alten Alltag zurück. Das, wonach wir uns so gesehnt haben. Doch natürlich wusssten wir auch, dass unser Glück nicht lange halten würde. Jeden Tag hatte ich Angst davor, dass uns die Polizei oder Mert finden würde. Can suchte nach Mert, doch vergebens. Mert schien, wie wir, sich zu verstecken. Also hatte er das Video wohl tatsächlich reingestellt. Tag für Tag stellte ich mir die selbe Frage, die ich mir auch damals ständig gestellt hatte. Wann hat das alles endlich ein Ende? Eine altbekannte Frage, mit keiner Antwort. Wie immer. Eines Tages musste es jedoch kommen, wie es nun einmal kommen musste. Wir wurden wieder auf eine harte Probe gestellt. Das Schicksal meinte es nicht gut mit uns.

ZwangsheiratWhere stories live. Discover now