Kapitel 17

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Leylas Sicht

Am nächsten Morgen erwachte ich ziemlich früh und blickte als aller erstes in Cans friedlich schlafendes Gesicht. Ich betrachtete ihn eine Weile und musste lächeln. Er sieht so süß aus, wenn er schläft. Wie ein Baby. Seine Haare waren verwuschelt und ich wollte sie unbedingt anfassen. Sie waren einfach so wuschelig schön in diesem Augenblick. Seine Locken waren so schön weich und fühlten sich ebenso schön an, als ich sachte seinen Kopf streichelte. Mein Blick fiel auf seine muskulösen Arme und dann auf seine langen, perfekten Wimpern. Ja, er ist wirklich wunderschön. Er ist einfach so unnormal hübsch und dazu auch noch mein Mann. Er ist einfach ein Traumkerl. Die ganzen Mädchen rennen ihm Tag für Tag bestimmt hinterher. Irgendwie machte mich dieser Gedanke etwas sauer. Can ist ein Frauenschwarm und viele stehen auf ihn. Dabei ist er doch mein Mann. Was denke ich da bloß? Bin ich etwa ernsthaft eifersüchtig? Zum Glück weiß er nicht, was ich gerade denke. Das wäre sonst unsagbar peinlich, dachte ich mir beschämt. Ich schloss dann irgendwann wieder meine Augen und schlief dann mit einem wohlig schönem Gefühl ein.

Die Tage vergingen wie im Flug und ich war nun seit vier Tagen mit Can verheiratet. Wir hatten eigentlich nicht sonderlich viel Kontakt miteinander, obwohl wir im selben Haus lebten. Nur am Morgen, beim Frühstück und abends im Bett sahen wir uns. Sonst war er den ganzen Tag arbeiten und ich den ganzen Tag zu Hause. Can hatte lange nicht mehr gearbeitet, seitdem wir hierher gezogen waren. Er hatte Urlaub gehabt, doch nun fing er wieder an zu arbeiten. Schließlich musste wir uns doch irgendwie finanzieren. Er arbeitete in der Firma seines Vaters und würde diese bald übernehmen. Ich langweilte mich derweil schrecklich zu Tode. Außer Kochen und Putzen tat ich sonst nichts. Ständig dachte ich darüber nach, ob mein Leben nun Tag ein Tag aus so verlaufen würde. Ohne Spannung, Ohne Romantik, Ohne Gefühle. Es war einfach frustrierend und vorallem war es mehr als langweilig. Ich hätte mein Studium weiter machen können. Aber Nein, mein Vater verbietet es mir. Das ist doch ätzend. Welche Frau würde gerne nur zu Hause rumsitzen und nicht ihr Leben genießen wollen? Ich bin doch erst 17. So jung und ich will noch so viel erleben. Doch das geht nicht. Es geht einfach nicht. Ich habe Pflichten. Die Pflichten einer Ehefrau. So ein Unsinn, dachte ich mir spöttisch.

Das ist doch nicht einmal eine richtige Ehe. Das ist nur eine Lüge. Das alles hier ist eine Lüge. Das ging wochenlang so. Während Can schön draußen war, an den Wochenenden weg ging und sich amüsierte, saß ich hier nur rum und wurde immer depressiver. Er merkte von alldem jedoch nichts, kam ständig spät nach Hause. Das ist keine richtige Ehe. Es war einfach nicht auszuhalten. An einem Tag dann reichte es mir schließlich. Es war Freitagabend und Can wollte wie jedes Mal irgendwohin gehen. Ich saß gerade im Wohnzimmer, als er nach unten kam. Er sah wie immer perfekt aus. Er trug eine schwarze Jeans, ein weißes T-Shirt, eine schwarze Bomberjacke und schwarze Sneaker. Selbst so ein einfacher Look sieht bei ihm perfekt aus. Perfekter geht's nicht. Seine Haare hatte er nicht gestylt, sah aber trotzdem mehr als gut aus. Wie stellt er das bloß an, ständig wie ein Model auszusehen? Ich seufzte und hielt ihn auf, als er gerade, ohne mich überhaupt anzusehen, an mir vorbei ging und raus gehen wollte.

"Can", sagte ich, woraufhin er stehen blieb und sich zu mir drehte. Er zog eine Augenbraue nach oben und blickte mich verwirrt an.
"Was?", fragte er leicht genervt. Hat er es etwa so eilig?, fragte ich mich ein wenig traurig.
"Wohin gehst du?", fragte ich ihn nun, woraufhin er nur noch verwirrter wirkte. Er kam etwas auf mich zu.
"Warum willst du das wissen?", fragte er mich nun.
"Habe ich kein Recht zu erfahren, wohin mein Ehemann jedes Wochenende hingeht?", fragte ich ihn nun in einem etwas wütenden Ton und blieb an ein und der selben Stelle stehen. Er kam wieder etwas auf mich zu, woraufhin ich wieder einen kleinen Schritt zurück ging, da ich einfach Angst vor seine Taten hatte. Auch wenn ich wusste, dass er mir nichts tun würde.
"Nein, hast du nicht. Wer bist du bitte, dass du alles aus meinem Leben erfahren musst?", fragte er mich nun und ich war etwas geschockt. Wer ich bin?
"Can. Ich bin deine Ehe-", er unterbrach mich. Einfach so.
"Meine Ehefrau? Hör mal, Leyla. Auch wenn wir verheiratet sind, heißt das nicht, dass wir irgendeine besondere Bindung zueinander hätten. Ich liebe dich nicht und du liebst mich nicht", erklärte er und das war schon etwas verletzend. Ich dachte für einen kurzen Moment, dass er für mich da wäre. Doch da lag ich anscheinend falsch. Er war wie ausgewechselt.
"Warum dann, Can? Warum hast du mich dann geheiratet?", fragte ich ihn nun und er seufzte genervt.

"Soll ich dir ehrlich sagen, warum? Aus Mitleid, weil dich kein anderer genommen hätte, da du deine Unschuld verloren hast. Du musst einsehen, dass ich dir keine Liebe geben kann. Auch wenn wir verheiratet sind und im selben Bett schlafen, sind wir uns trotzdem fremd. Ich habe meine Freiheiten und du deine, Leyla.Wir werden niemals wie ein richtiges Ehepaar leben. Sieh es ein", meinte er. Wow, das war hart. Also nur aus Mitleid. Ich senkte meinen Blick und war mehr als enttäuscht von seinen Worten. Was ist los mit ihm? Vor ein paar Wochen war er noch so liebevoll. Vor ein paar Wochen meinte er noch, dass er mich keinem anderen Typen überlassen wollte und heute meint er, dass alles nur aus Mitleid passiert ist und wir unsere Freiheiten hätten. War das wirklich ein und die selbe Person? Ich wurde ziemlich wütend und schrie ihn nun an. Sind ihm meine Gefühle etwa so egal, dass er mir das einfach so ins Gesicht sagen kann? Hat er kein Gewissen?, fragte ich mich.
"Was kann ich dafür, dass ich vergewaltigt wurde? Weißt du eigentlich, was in mir vor geht? Was ich denke? Was ich fühle? Ich weiß, dass ich in euren Augen Dreck bin und dass ich es nicht verdient habe, weiterhin zu existieren, weil ich den Namen meiner Familie beschmutzt habe. Aber ich habe immer noch ein Herz, von dem du an unserer Hochzeitsnacht noch behauptet hast, dass es rein sei. Rein, sowie ich. Wieso tust du mir das an?", fragte ich ihn mit Tränen in den Augen und zitterte am ganzen Körper. Es hatte ihn wohl etwas überrascht, dass ich laut geworden bin.

"Pass auf, wie du mit mir redest, Leyla. Ich habe nur die Warheit gesagt und damit musst du zurecht kommen. Du hast kein Recht mir zu sagen, was richtig und was falsch ist. Ich bin schließlich älter als du. Du bist erst 17. Dumm und naiv. Wenn du schlau genug gewesen wärst, hättest du an diesem Tag besser auf dich aufgepasst und hättest deine Unschuld jetzt noch. Wäre das alles nicht passiert, dann hätte ich dich niemals heiraten müssen!", schrie er und ich zuckte zusammen. Das hatte mich getroffen. Mitten ins ein Herz. Er war ziemlich aggressiv und seine Worte verletzten mich noch mehr. Er war wie ausgwechselt. Einfach anders. Was ist nur in ihn gefahren? Stille. Nichts als Stille erfüllte das gesamte Haus. Nur mein Schluchzen war zu hören. Er kehrte mir den Rücken zu und knallte die Tür hinter sich zu. Männer sind doch alle Bastarde. Jeder einzelne von ihnen. Ich bin weder dumm, noch bin ich naiv, dachte ich. Ich hatte nicht einmal die Chance, mich an diesem Tag zu wehren. Es geschah einfach. Denkt Can etwa, dass ich es so wollte? Dass es mir Spaß gemacht hat? Dass es unvergesslich schön war?

Mir wurde schlecht und ich erbrach, als ich im Badezimmer war. Alles wurde zu viel. Alles kam auf einmal. Ich schrie wie noch nie meinen ganzen Frust raus und schnitt mir mit einem Messer in meine Arme. Ich ritzte mich. Niemals hätte ich damals gedacht, dass ich heute so sein würde. Dass jemals so jemand aus mir werden würde. Eine depressive, kraftlose Frau, die sich aus Frust selbst weh tut und mehr als verzweifelt ist. Ich legte meinen Kopf in meinen Nacken, als ich mich beruhigt hatte und kümmerte mich nicht um diese schrecklichen Wunden. Ich ließ mein Blut einfach fließen und ließ es auf den Boden tropfen. Mir war mehr als schwindelig und mein Kopf dröhnte. Ich lief etwas im Schlafzimmer herum, ging anschließend wieder ins Bad, um von diesem Nervenzusammenbruch weg zu kommen und mich zu beruhigen. Ich taumelte jedoch etwas benommen. Mir fehlte etwas. Alleine schaffte ich es nicht, mich zu beruhigen. Nicht umkippen, Leyla! Alles war mir jedoch zu viel und meine Sicht verschwamm langsam, bis ich dann endgültig das Bewusstsein verlor und ohnmächtig wurde. Hoffentlich ist dies endlich das Ende.

ZwangsheiratWhere stories live. Discover now