Kapitel 57

214 9 0
                                    

Nach einiger Zeit der Trauer, der Wut und den Erkentnissen, begab ich mich wieder nach Hause. Niedergeschlagen stand ich vor der Tür und betrachtete das Haus. Hier bin ich mit Leyla eingezogen. Nach unserer Hochzeit wurde das unser neues Zuhause. Ich lächelte leicht, da ich mich an diese Zeiten erinnern musste. Auch wenn das nicht lange her war, fühlte es sich in diesem Moment wie eine Ewigkeit an. Als wären viele Jahre vergangen. Aber tatsächlich hatten wir uns verändert. Damals waren wir noch so anders. Wir hatten gelernt zu lieben und uns gegenseitig zu vertrauen. Doch nun schien alles ein Ende zu haben. War der Weg bis hierhin nur eine Zeitverschwendung gewesen? Seufzend öffnete ich die Tür und begab mich rein. Die Lichter waren alle ausgeschaltet. Nur in der Küche brannte das Licht. Eigentlich sollte Leyla doch schon längst schlafen. Aber ich konnte es ihr nicht übel nehmen. Schließlich war sie meinetwegen verletzt.

Ich begab mich in die Küche, in der ich auf Leyla traf. Sie stand dort mit einem blutigen Finger, während neben ihr ein Messer lag. Was hatte sie getan? Sofort ging ich auf sie zu und nahm ihre Hand in meine, um mir ihren Finger anzusehen.
"Komm nicht näher", sagte sie und hielt von mir Abstand. Sie ging auf Distanz und zog ihre Hand sofort zurück, was ich verstand. Ich sah den Schmerz in ihren Augen. Purer Schmerz.
"Was hast du getan?Warum blutest du?", fragte ich sie ruhig.
"Das geht dich nichts an. Du musst dir keine Sorgen um mich machen. Nie wieder", sprach sie und konnte mir nicht ins Gesicht schauen. Sie hatte Tränen in den Augen.
"Leyla", sagte ich, während mir ebenfalls die Tränen kamen und ging einen Schritt auf sie zu.

"Komm nicht näher", sagte sie dann lauter und blickte mir nun in die Augen. Ich aber hörte nicht auf sie und umarmte sie liebevoll. Dann fing sie auch schon an zu weinen.
"Warum musst du mich verlassen, Can? Ich liebe dich doch so sehr. Ohne dich hat mein Leben kein Sinn, Can. Bitte bleib bei mir", sprach sie schluchzend, während sie mir mehrere Male leicht auf die Brust schlug. Ich versuchte stark zu bleiben. Ich lag falsch. Es tat ihr sogar mehr als weh. Stumm strich ich über ihr Haar und lies meinen Tränen freien Lauf. Es tat mir so leid. Nachdem sie sich etwas beruhigt hatte, lösten wir uns langsam voneinander und ich wischte ihr ihre Tränen weg. Ich lächelte leicht, sowie vertraut und gab ihr einen Kuss auf ihre Stirn.
"Es tut mir leid", sagte ich zu ihr und ging dann nach oben. Je länger ich bei ihr bleibe, desto miserabler geht es ihr, dachte ich mir. Je mehr ich mich um sie sorge, desto mehr Schuldgefühle trage ich in mir, redete ich mir ein.

Ich begab mich in Cansus Zimmer, um mich von ihr zu verabschieden. Sie schlief tief und fest. Ich gab ihr einen sanften Kuss und betrachtete sie etwas. Meine kleine Prinzessin.
"Es tut mir leid", sagte ich zu ihr und ging dann ins Schlafzimmer, um meine Sachen zu packen. Ich wusste , dass ich es bereuen würde. Doch für Leyla musste ich das tun. Auch wenn es schmerzte. Nachdem ich meine Sachen gepackt hatte, begab ich mich mit meinem Koffer nach unten. Leyla stand vor der Tür. Sie hatte ihren Blick gesenkt und ihre Arme verschränkt. Sie blickte mich nun an. Ihre Augen wirkten so leer.
"Du willst mich verarschen, oder? Sag mir, dass das ein Scherz ist", forderte sie mich auf und blickte mich erwartungsvoll an. Doch es war kein Scherz. Ich meinte es vollkommen ernst. Sie seufzte und blieb stur vor der Tür stehen, damit ich nicht gehen konnte.
"Das war es jetzt also? Du wirst jetzt einfach gehen. Wir trennen uns jetzt einfach. Obwohl wir uns nicht streiten und uns lieben, willst du jetzt einfach so gehen?", fragte sie mich fassungslos und sarkastisch. Ich nickte nur stumm.
"Wohin willst du gehen, Can? Was wirst du tun?", fragte sie mich dann.

"Ich werde das Leben weiterführen, was ich geführt habe, bevor ich dich kennengelernt habe. Ich werde alleine bleiben, weil du meine erste und letzte richtige Liebe bist. Du bleibst für immer meine Ehefrau, ob ich hier bin oder woanders", antwortete ich. Sie senkte ihren Blick.
"Ich werde niemals vergessen, dass es auf dieser Welt eine Frau gibt, die mich so akzeptiert und liebt, wie ich bin. Danke, Leyla. Du hast mir beigebracht, wie sich Liebe anfühlen kann. Danke", sagte ich noch mit einem leichten Lächeln. Doch den Schmerz hatte ich nie richtig kennengelernt.Den lernte ich gerade erst kennen und ich wusste schon seit diesem ersten Tag, seit diesem ersten Herzstich, dass mein Leben ohne sie qualvoll und trostlos sein würde.
"Aber, Can. Was sollen wir unseren Eltern sagen?", fragte sie mich ratlos.
"Ich werde ihnen alles erzählen und deine Eltern darum bitten, dich zu beschützen, da ich es nicht konnte und kein guter Ehemann war. Ich werde es ihnen irgendwie erklären", antwortete ich ihr lächelnd.
"Aber was, wenn du verletzt wirst?", fragte sie mich besorgt.
"Sorge dich nicht um mich. Das musst du nicht mehr", erwiderte ich und sie verstummte. Ich senkte meinen Blick. Diese Stille war ungewohnt und unangenehm.

"Ich werde dich immer lieben und niemals vergessen", sagte sie und dann schaute ich sie wieder an. Mein Herz schmerzte bei ihren Worten. Sie akzeptierte es. So sehr liebte sie mich. Langsam ging sie beiseite. Ich nahm meinen Koffer und ging an ihr vorbei, nach draußen. Ein letztes Mal drehte ich mich dann zu ihr um. Sie lächelte leicht, weinte gleichzeitig und winkte mir zum Abschied zu. Ich winkte ebenfalls und ging dann schließlich. Es tut mir so leid, Leyla. Ich hoffe, dass du mir das eines Tages verzeihen kannst, sagte ich mir. Ich stieg in mein Auto und fuhr geradewegs zu meinen Eltern. Wieder zu meinem alten Leben. Meine Eltern waren mehr als geschockt sowie enttäuscht. Trotzdem hielten sie zu mir. Den wahren Grund verriet ich ihnen natürlich nicht. Ich erzählte ihnen, dass Leyla und ich es einfach gemeinsam beschlossen hatten. Morgen würde ich es Leylas Eltern sagen, dachte ich mir etwas nervös. Hoffentlich werden sie nicht all zu enttäuscht sein. Ich war also wieder in meinem alten zu Hause angekommen und lag nun wieder in meinem alten Bett. Wie das Leben jetzt wohl ohne sie sein wird?, fragte ich mich und dachte noch lange an sie. Schlafen konnte ich nicht.

Am nächsten Tag dann begab ich mich zu Leylas Eltern. Ich hatte ganz vergessen, dass sie direkt neben uns wohnten. Genau so hatte ich Leyla kennengelernt.
"Leyla und ich haben uns getrennt", sagte ich dann, als wir alle im Wohnzimmer saßen. Ihre Eltern waren fassungslos.
"Niye, Oğlum? (Warum, mein Sohn?)", fragte mich Leylas Vater. Ich erzählte ihnen ebenfalls nicht, wer ich in Wirklich war und weshalb ich ihre Tochter verlassen musste. Das würde sie nur noch mehr schocken, dachte ich mir.
"Benim bir kötü düşmanim var (Ich habe einen schlimmen Feind). In der Vergangenheit sind Dinge zwischen uns vorgefallen. Er hat es auf Leyla abgesehen und hat sie angefahren. Benim yüzümden hepsi oldu (Meinetwegen ist das alles passiert). Deswegen kann ich nicht mehr bei Leyla bleiben. Sie wäre sonst zu sehr in Gefahr. Lütfen beni af edin (Bitte, verzeiht mir). Beschützt Leyla bitte und passt auf sie auf. Ich bin kein guter Ehemann und Schwiegersohn gewesen, aber ich danke euch für alles. Danke, dass ihr mich in eure Familie aufgenommen habt", sagte ich und hielt meinen Blick gesenkt. Ich schämte mich.

"Can. Sen hep bizim oğlumus kalaçaksin (Du bleibst immer unser Sohn)", sagte Leylas Mutter und umarmte mich.
"Ja, Can. Du gehörst immer zu uns, in diese Familie. Egal, was für eine Vergangenheit du hast. Wer weiß, vielleicht kommt ihr eines Tages wieder zusammen. Gib die Hoffnung niemals auf", sagte Leylas Vater. Wer weiß, wer weiß. Sie waren so unglaublich gute Menschen. Obwohl ich ihre Tochter verlassen hatte, standen sie trotzdem zu mir und sahen mich als ihren Sohn an. Nachdem ich mich von ihnen verabschiedet hatte, wusste ich, dass mein altes Leben wieder angefangen hatte. Ich werde einfach so tun, als wäre ich kein verheirateter Mann und als wäre das alles nie passiert, dachte ich mir. Ich musste. Für Leyla. So fing dann mein altes Leben wieder von vorne an.

ZwangsheiratDonde viven las historias. Descúbrelo ahora