Kapitel 69

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Mit geweiteten Augen blickt Can Cansu an, während ich die beiden lächelnd betrachte.
"Er kann wohl immer noch nicht glauben, wie schnell seine Tochter gewachsen ist", flüstert Azra mir amüsiert zu. Can kann seinen Augen tatsächlich nicht trauen. Schließlich ist Cansu nun vier Jahre alt und hat sich natürlich dementsprechend verändert. Sie ist kein kleines Baby mehr. Sie kann sprechen und laufen und geht nun in den Kindergarten.
"Baba (Papa)", wiederholt sie zum dritten Mal und Can ist immer noch fasziniert. Es ist so süß, ihn so zu sehen. Er scheint sich sehr darüber zu freuen, seine Tochter wieder zu sehen. Lächelnd umarmt er Cansu und gibt ihr mehrere Küsse. Wir haben Cansu natürlich erklärt, dass Can ihr Papa ist und sie hat ihn glücklicherweise sofort akzeptiert. Etwas zurückhaltend ist sie zwar, jedoch wird sich das mit der Zeit bestimmt bessern. Azra und Nihat sind sehr glücklich darüber, dass Can und ich wieder zusammen gekommen sind und wünschen uns nur das Beste. Unsere Eltern waren anfangs sehr überrascht gewesen, freuten sich aber natürlich ebenso. Nach den Details fragten sie nicht. Sie waren einfach froh darüber, dass alles wieder so wie damals werden konnte. Am Abend, als Can sich um meine Wunden kümmert, da er darauf bestand, kommt es schließlich zu einem Gespräch zwischen uns beiden. Er erzählt mir von seinen Plänen, die unser Leben verändern könnten.
"Auch wenn ich nicht daran denken will, ist es nun mal die Warheit. Mert wird uns niemals in Ruhe lassen. Deswegen habe ich eine Entscheidung getroffen", erklärt er mir, während er einen Verband um mein Handgelenk wickelt. Auch wenn diese Wunden schon etwas älter sind, kümmert er sich trotzdem darum. Er gab zu, wie sehr er sich Tag für Tag um meine Gesundheit sorgte, was ich sehr rührend finde. Ich habe meinen Can nie verloren. Ständig habe ich gedacht, dass er sich geändert hätte. Doch er ist immer der selbe geblieben. Das ist eine Erleichterung. Aufmerksam höre ich ihm zu. Sanft nimmt er meine Hand in seine, blickt mich daraufhin liebevoll an.

"Ich will dich nicht mehr verlassen, aber ich will auch nicht, dass du dich meinetwegen in Gefahr befindest. Deswegen habe ich entschieden, dass wir beide diese Stadt verlassen und fliehen werden. Wir werden uns woanders ein neues Leben aufbauen. Mert wird uns nicht finden können. So kann ich bei dir bleiben und wir sind nicht in Gefahr. Ich habe mich selber so sehr dafür gehasst, dass mir das nicht schon früher eingefallen ist. So hätten wir uns nicht trennen müssen. Alles war umsonst", sagt er voller Reue und senkt seinen Blick. Ihm tut es immer noch leid, was mir wiederum leid tut. Ich will nicht, dass er weiterhin mit dieser Reue lebt. Ich lege meine Hände auf seine Wangen, woraufhin er mir nun wieder in die Augen schaut. Ein sanftes Lächeln bildet sich auf meinen Lippen.
"Denk nicht mehr daran. Die Hauptsache ist, dass wir beide wieder zusammen sind. Wenn du an meiner Seite bist, bin ich nämlich wunschlos glücklich. Deswegen werde ich dir bis ans Ende dieser Welt folgen. Lass uns miteinander diesen Weg auf ewig gehen", erkläre ich ihm aufrichtig. Er nickt zustimmend mit einem Schmunzeln.
"Und auch wenn Mert uns findet. Wenn er uns findet, dann erledigt er und gemeinsam. Wenn du stirbst, sterbe ich ebenso", sage ich schon fast zu mir selbst. Daraufhin hält er mir den Mund zu und schüttelt seinen Kopf. Seine großen, braunen Augen funkeln.

"Sag so etwas nicht. Keiner von uns beiden wird sterben. Wir werden gemeinsam überleben und das alles wird irgendwann ein Ende haben. Vetrau mir. Du wirst keine Schmerzen mehr spüren", verspricht er mir, nimmt dann seine Hand von meinem Mund. Das rührt mich zu den Tränen. Sofort umarme ihn innig. Danke, lieber Gott. Danke, dass ich meinen Can wieder habe. Er streicht mir über mein Haar, klammert sich fest an mich. So schnell werden wir nicht mehr getrennt werden. Das verspreche ich dir, Can.
"Wohin werden wir gehen?", frage ich ihn nach einiger Zeit der Stille und löse mich von ihm.
"Das weiß ich noch nicht. Auf jeden Fall an einen schönen, friedlichen Ort. Ein Ort, an dem ich nicht mehr kriminell sein muss und du nicht mehr verletzt sein wirst. Wir werden ein sorgenfreies Leben führen", antwortet er, starrt dabei gedankenverloren in die Leere. Er erträumt es sich genau so sehr wie ich. Ein sorgenfreies, friedliches Leben. Gibt es so einen Ort tatsächlich? Wenn es ihn wirklich gibt, dann hoffe ich inständig, dass Gott uns dorthin führt. Can bleibt die ganze Nacht wach, um zu überprüfen, dass ich auch wirklich schlafe. Doch auch ich bekomme kein Auge zu. Zu sehr hänge ich an ihm. Ich will ihn nie wieder aus den Augen verlieren. Die nächsten Tage achtet er genau darauf, dass ich genug esse und dass meine Wunden gut verheilen. Er tut das, was ich in diesen vier Jahren ebenso vermisst habe. Er gibt auf mich Acht. Dank Can kann ich wieder ein normales Leben führen. Ohne Wunden, ohne Essstörungen, ohne Schlafmangel, ohne Schmerz. Ich habe es doch gesagt. Er ist mein Engel. Doch auch wenn dieses Leben perfekt zu sein scheint, gibt es immer etwas, was es zerstört.

Mert POV

"Dieser verfluchte Bastard. Wir haben doch eine Abmachung. Wie kann er das einfach tun?", brülle ich wütend, schmeiße dabei mein Whiskeyglas auf den Boden. Es zerbricht in mehrere Scherben. Ich bin außer mir vor Wut, da ich erfahren habe, dass Can und Leyla wieder zusammen sind. Er ist wieder an ihrer Seite, obwohl dieser miese Verräter ganz klar gesagt hat, dass er nicht mehr zu ihr zurückkehren wird. Und das auch noch seit einer ganzen Woche. Ist ihm denn nicht bewusst, dass ich alles erfahre und die beiden sich nun wieder in Gefahr befinden? Tief atmend setze ich mich auf den großen schwarzen Ledersessel und massiere meine Schläfe. Beruhig dich, Mert. Na schön. Wie er will. Das ist keine große Sache. Ich habe schließlich dutzende Pläne, mit denen ich ihn vernichten kann. Dann fängt das ganze Spiel also wieder von vorne an. Oder sollte ich eher sagen, dass es nun weiter geht?

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