Kapitel 49

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Tage vergingen. Inzwischen schon fünf ganze Tage. Mein Bruder war seit fünf Tagen tot. Ich wurde aus dem Krankenhaus entlassen, doch sonderlich gut, ging es mir ganz und gar nicht. Mir erging es miserabel. Von Tag zu Tag fühlte ich mich leerer und wurde immer trauriger. Aus meinem Leben wurde schließlich eine wichtige Person gerissen. Einfach so, aus dem nichts. Meine Eltern sagten kein Wort mehr. Ich versuchte irgednwie mit ihnen zu sprechen, doch sie sprachen seit diesem Tag nicht mehr. Mit niemandem. Sie waren zu geschockt. Auch Azra und ihrer Familie ging es schrecklich. Sie weinte jeden Tag und war am Ende. Wie ich. In unserer Familie herrschte totenstille. Keiner traute sich etwas zu sagen. Keiner wollte etwas sagen. Bis zu dem Tag, an dem wir uns auf der Beerdigung wieder sahen.
"Leyla. Möchtest du da wirklich hingehen?", fragte Can mich schon zum sechsten Mal. Ich seufzte und stieg aus dem Auto aus. Selbstverständlich, dass er sich Sorgen um mich machte. Doch ich musste einfach meinem Bruder die letzte Ehre erweisen.
"Natürlich. Ich muss. Schließlich ist es die Beerdigung meines großen Bruders", sagte ich, woraufhin Can die Tür des Autos schloss.
"Aber Leyla, du bist so blass. Du isst seit Tagen nichts mehr und du warst schon zweimal im Krankenhaus. Ich möchte doch nur nicht, dass du zerbrichst", erklärte Can traurig.
"Ich bin schon zerbrochen", gab ich ihm nur als Antwort und begab mich in den Friedhof hinein. Ich setzte mich, mit Cansu auf dem Arm, neben meine Mutter, die ununterbrochen weinte. Bei diesem Anblick zerbrach mir mein Herz. Meine arme Mutter. Sie hatte uns alle mit so viel Liebe aufgezogen und nun hat sie eines ihrer Kinder verloren. Auch noch ihren  einzigsten Sohn. Sie hat das nicht verdient. Keine Mutter auf dieser Welt verdient es, von ihrem Kind getrennt zu werden. Ich nahm meine Mutter in den Arm und weinte mit ihr.
"Ağlama Anne (Weine nicht, Mama)", sprach ich traurig und streichelte ihr über den Rücken. Sie hielt mich fest und weinte ihren ganzen Schmerz raus. Sie tat mir so unfassbar leid. Sie litt so sehr und ich konnte nichts dagegen tun. Nur ihren Schmerz teilen konnte ich.

Can POV

Ich setzte mich neben Leyla und neben meinen Vater, der seine Hand auf meine Schulter legte und mich niederschlagen anblickte. Mein Vater war traurig. So kraftlos hatte ich ihn noch nie erlebt.
"Baba (Papa). Ağlama (Weine nicht)", sagte ich ruhig, als ihm plötzlich die Tränen kamen.
"Mir ist Cansus Beerdigung in den Sinn gekommen. Damals war es genauso, wie heute. Can. Ben onu çok öžliyorum (Ich vermisse sie sehr)", flüsterte er voller Schmerz und auch mir kamen nun die Tränen. Ich seufzte.
"Bende, Baba (Ich auch, Papa)", erwiderte ich und wir weinten gemeinsam. Wie Leyla mit ihrer Mutter, so auch ich mit meinen Vater. Als dann einige Zeit vergangen war, beteten wir alle gemeinsam, jedoch schaute ich einige Male Leyla an. Ich beobachtete sie genau. Sie schien sich ziemlich anzustrengen, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren.Hoffentlich wird ihr nicht schwarz vor Augen, dachte ich mir. Ich sorgte mich sehr um sie. Als nun der endgültige Abschied von Cem gekommen war, blieb ich an ihrer Seite und hielt sie in meinem
Arm, als sie bitterlich weinte. Die ganze Familie trauerte und war am Boden zerstört. Leylas Mutter schien den Verstand zu verlieren, da sie nach ihrem Sohn schrie. Für sie war es sehr schwer. Ich sah die ganze Zeit nur Cansus Beerdigung vor mir. Es war genau wie damals. Erniedrigend, schrecklich, qualvoll. Auf meinem einen Arm hielt ich Cansu, in meinem anderen befand sich Leyla. Ich musste jetzt stark sein. Für die beiden. Doch plötzlich sah ich etwas. Ich war mir ganz sicher, dass ich eine Person von Weitem gesehen hatte. Ein Mann, in einem Anzug. Genau erkennen konnte ich ihn nicht, da meine Sicht etwas verschwommen war. Wer war er? Später, nach der Beerdigung übergab ich Cansu meinem Vater und erzählte ihm, dass ich kurz telefonieren müsse. Dabei wollte ich eigentlich nur wissen, wer diese Person war. Deshalb folgte ich ihr, denn sie war gegangen. Ich ging genau in diese Richtung. Villeicht ist er ein Verwandter oder ein Freund, dachte ich mir vorerst. Oder doch jemand anderes? Ich folgte ihm lange und verlor ihn irgendwann dann schließlich aus den Augen. Ich schaute mich um, doch keine Spur von ihm. Seltsam. Wo konnte er bloß hingegangen sein? Enttäuscht beschloss ich wieder zurückzugehen. Doch jemand verhinderte dies.
"Hallo, Can", sagte eine Stimme hinter mir. Verwundert drehte ich mich zu dieser Person und blickte sie schockiert an.
"Suchst du nach mir?", fragte er mit einem teuflischen Grinsen auf den Lippen. Richtig. Mert stand vor mir.
"Was tust du hier?", fragte ich ihn.
"Nichts besonderes. Ich dachte, ich erweise meinem Opfer die letzte Ehre", erklärte er und ich riss meine Augen auf. Niemals.
Das war unmöglich! Er hatte Cem getötet.
"Warum?", fragte ich ihn fassungslos. Er grinste jedoch weiterhin. Wie herzlos konnte ein Mensch nur sein?
"Ich habe es immer gesagt, Can. Ich werde euch vernichten und bin auf einem guten Weg. Ich komme meinem Ziel Schritt für Schritt näher. Als nächstes ist deine Frau dran", sagte er und das brachte das zum Überlaufen.
Dieser miese Bastard!
"Wenn du ihr einmal zu nahe kommst, dann werde ich dich umbringen. Halte dich von ihr fern, Mert", drohte ich ihm.Doch er lachte  nur. Ihm war das mehr als egal. Er war ein sehr zielstrebiger, kalter Mensch. Für ihn zählte nur der Sieg. Dafür würde er alles tun. So war Mert. Genauso so war ich ebenfalls gewesen. Doch das hatte ein Ende. Schon seit langer Zeit. Sein Lachen verschwand dann.
"Kämpfe oder stirb", sagte er ernst und ging dann davon. Er war ein Psychopath. Ein Mörder. Völlig außer mir stand ich da nun alleine und dachte nach. Warum tat er all das?Was genau wollte er erreichen? Ich verstand es immer noch nicht. Weshalb hatte er es auf uns abgesehen? Er war besessen davon, uns alle umzubringen. Er war wahnsinnig. Er wusste nicht mehr, was er tat. Leyla durfte das nicht erfahren. Sie war in Gefahr. Schon wieder. Er wollte sie ebenfalls umbringen. Das durfte nicht geschehen. Ich werde das nicht zulassen, dachte ich mir entschlossen. Mir kamen wieder die Tränen, da ich tatsächlich verzweifelt war. Nein. Reiß dich zusammen, Can!
Das bin ich nicht. Das darf ich nicht sein. Seit wann bin ich so schwach?, fragte ich mich. Sofort wischte ich mir meine Tränen weg und ging zurück. Jetzt musste ich besonders wachsam sein. Mert könnte jederzeit zuschlagen. Ich musste etwas unternehmen, ihn irgendwie aufhalten. Seinen wahnsinnigen Spielchen ein Ende bereiten. Ich musste stark sein. Komme, was wolle.

Merts Sicht

"Nun sind wir genau an den Punkt angelangt, auf den wir so sehnsüchtig gewartet haben.Der letzte Teil des Planes", sprach ich zufrieden und schenkte mir ein Glas Wein ein, um meinen Triumph zu feiern.Aleyna seufzte.
"Mert.Geht das alles nicht ein wenig zu weit?Ich meine, sie haben uns doch nie etwas böses oder so getan, dass wir so zu ihnen sein müssen", sagte sie besorgt.Wütend schmiss ich mein Glas gegen die Wand, sodass es zerbrach und Aleyna sich erschrak.
"Nur die bösen kommen im Leben weiter, Aleyna.Weil sie mächtig sind.Can hat mir alles all die Jahre genommen.Meinen Stolz, meinen Ruf und meine Schwester.Das, was mir am wichtigsten war.Immer war er der Beste.Immer war er der Größte.Und ich?Ich war immer nur der Loser, der ständig gegen ihn verlor und seine eigene kleine Schwester wegen ihm verloren hat.Er hat sie getötet. Er hat meine Prinzessin umgebracht. Dieses miese Arschloch.Er hat mir alles genommen.Doch dieses Mal nicht.Dieses Mal werde ich gewinnen und der Beste sein.Dieses Mal werde ich allen beweisen, dass ich besser bin und es verdient habe, seinen Platz einzunehmen.Icj werde meine kleine Schwester rächen.Seine Straßen werden mir gehören.Alles was er besitzt, wird mir gehören.Auch das Leben seiner Familie.Er wird genauso klein darstehen, wie ich damals.Dann wird er diesmal der Verlierer und ich der Gewinner sein.Der Tod seiner Schwester damals hat wohl nicht genügt, um ihn zu brechen.Seinen Stolz, seinen Willen zu kämpfen.Hast du es jetzt kapiert?Verachtung, Ignoranz, Böses kann schlimm sein, wenn es gegen einen verwendet wird.Deswegen benötigt es Rache, um den Spieß umzudrehen.Blutige Rache", erklärte ich.Das ist der wahre Grund, weswegen ich Can all die Jahre so hasste.Das ist der Grund für meine Rache.Deswegen will ich ihn fertig machen.Er soll spüren, wie es ist, als Verlierer darzustehen und von jedem verspottet zu werden. Er soll erneut spüren, wie es ist, die Menschen zu verlieben, die einem alles bedeuten.Er hat mir das Leben mit seiner Perfektion udn seiner Arroganz zur Hölle gemacht.Also werde ich es nun sein, der ihm sein Leben zur Hölle macht.

ZwangsheiratWhere stories live. Discover now