Kapitel 88

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Leyla POV
Zufrieden blicke ich auf die Gitter meiner Zelle. Seit zwei Tagen befinde ich mich nun hier. Es ist kalt, einsam und beängstigend. Doch ich habe es mir ausgesucht. Ich werde hier mit dem Gedanke verweilen, dass Can frei ist. Ja, er ist frei. Er hat es verdient. Mehr als ich. Müde schließe ich meine Augen und lehne meinen Kopf an die kalte Wand. Das einzige, womit ich mich hier beschäftigen kann, sind meine Gedanken. Und die drehen sich nur um ihn. Jede Sekunde. Mit jedem Atemzug. Es tut mir leid, Can. Nach diesem Leben werde ich alles dafür geben, dass uns das Paradies erwartet. Nur du und ich. An einem friedlichen Ort. Glücklich. Eines Tages werden wir zusammen sein. Unsere Seelen sind miteinander verbunden.
,,Nummer 374, Besuchszeit'', reißt mich die tiefe Stimme des Wärters aus meinen Gedanken. Besuch? Er öffnet die Zelle und legt mir die kalten Handschellen an. Ohne weitere Worte werde ich zum Besucherraum geführt und werde etwas nervös, als ich sehe, wer mich erwartet. Can. Er ist gekommen. Mein Herz beginnt zu rasen. Wie versteinert stehe ich hier vor ihm. Mit einem kühlen Blick sowie mit verschränkten Armen mustert er mich langsam und sagt nichts, ehe ich mich ihm gegenüber setze. Ich senke meinen Blick, da ich mich nicht traue etwas zu sagen. Ich kann überhaupt nicht einschätzen, was er in diesem Moment denkt oder fühlt. Wahrscheinlich ist er schockiert und wütend.
,,So wolltest du mich also retten?'', sagt er dann nach einiger Zeit der Stille, woraufhin ich ihn anblicke. Seine Stimme klingt tief sowie bedrückt. Er ist enttäuscht.

,,E-es tut mir leid'', gebe ich nur von mir. Er seufzt.
,,Du hast mir nichts davon erzählt, hast das alles hinter meinem Rücken geplant. Leyla. Wie konntest du dir nur einbilden, dass mich das retten würde? Dich so zu sehen ist die Hölle für mich'', erklärt er mir. Meine Geduld ist am Ende. Wie kann er ständig nur an mich denken?
,,Was sollte ich sonst tun? Ich konnte dich nicht einmal richtig retten. Immer musstest du dich für mich opfern. Immer warst du es, der mir seine Liebe bewiesen hat. Was habe ich bis heute getan? Nichts. Für mich ist es genauso die Hölle gewesen, dich so zu sehen. Es hat mich umgebracht. Deine Freiheit ist mein Frieden'', sage ich in einem lauten Ton, was ihn verstummen lässt. Einen Löwen sollte man nicht einsperren.
,,Und wie soll es jetzt weiter gehen? Bis zu unserem Tod besuche ich dich und erzähle dir von dem Leben da draußen? Davon, wie unsere Kinder ohne ihre Mutter aufwachsen und ich ohne meine Frau ein nichts bin?'', fragt er mich. Ich lächle leicht.
,,Wir werden nicht auf ewig getrennt sein, Can. Unsere Seelen sind miteinander verbunden'', erwidere ich, woraufhin er lacht. Ein trauriges Lachen.
,,Also werden wir erst nach unserem Tod zusammen sein? Dann lass mich am besten hier auf der Stelle sterben'', sagt er, was mich sehr verletzt. Er darf so etwas nicht denken. Meine Augen füllen sich mit Tränen. Warum muss er nur so etwas sagen? Ich wollte doch nur, dass er frei ist.
,,Warum willst du meine Vorstellung unbedingt zerstören? Warum machst du es mir so schwer?'', frage ich schluchzend. Seufzend setzt er sich neben mich und hebt mein Gesicht an.
,,Weil wir vor der Wahrheit nicht fliehen können'' , sagt er und blickt mir tief in die Augen. Die Wahrheit. Wie ich sie hasse. Schon damals und jetzt auch. Sie hat es nie gut mit uns gemeint. Weder mit ihm noch mit mir.

Sanft legt er seine Hand auf meinen Bauch und seufzt.
,,Denk wenigstens an sie oder an ihn. Soll es ohne seine Mama aufwachsen wie Cansu die ersten Jahre ohne ihren Papa ertragen musste? Bis heute versuche ich ihr Vertrauen zu gewinnen. Denn durch meinen dummen Fehler ist ihr ihr eigener Vater nicht vertraut. Willst du, dass dir das gleiche passiert?'', fragt er mich. Ich lege meine Hand auf die seine und kneife meine Augen zusammen. Nicht weinen, Leyla. Du musst stark bleiben. Du hast bis zu diesem
Moment zu viele Tränen vergossen. Du hast ständig nur Schmerz gezeigt. Ändere das jetzt. Zeig Can, dass du nicht so schwach bist. Der nächste Satz fällt mir sehr schwer.
,,I-Ich werde es nicht bekommen.'', sage ich und versuche krampfhaft meine Tränen zurückzuhalten.

ZwangsheiratWo Geschichten leben. Entdecke jetzt