Kapitel 65

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Leyla POV

Ich spüre seinen Blick auf mir. Seine Hand, die ich mit meiner streichele, beruhigt mich. Diese Berührung sowie seine Nähe beruhigen mich. Es ist nicht das erste Mal, dass ich so stark zittere. Wäre Can nicht hier und würde ich jetzt nicht seine Hand in meiner halten, hätte ich wieder eine Panikattacke erlitten. Das passiert mir einfach so öfters. In diesem Moment bin ich mehr als froh ihn bei mir zu habe. Ich spüre, wie mir langsam die Tränen kommen. Dies sind jedoch Freudetränen, da ich einfach nicht glauben kann, dass er tatsächlich hier bei mir ist. Schluchzend lege ich meine Hände auf seine Wangen und lasse meinen Tränen freien Lauf. Das ist kein Traum. Das ist die Realität. Er ist wirklich bei mir. Erleichtert lächle ich ihn an und streichele dabei sanft seine Wangen. Er blickt mich nur stumm an, weiß wohl nicht, was er tun oder sagen soll. Nachdem ich mich richtig beruhigt habe, lasse ich von ihm ab, wische mir meine Tränen weg und blicke verlegen auf den Boden.
"Entschuldige", hauche ich schwach. Er ballt seine Hand zu einer leichten Faust und ist wohl sprachlos, da er vorerst nichts sagt. Er steht auf und nimmt seine Sachen, die ich auf die Kommode gelebt habe. Doch bevor er einen Schritt weitergeht, sagt er noch etwas. Mit dem Rücken zu mir gedreht steht er in der Tür.
"Iss deine Mahlzeiten, schlafe, pass auf dich auf und verletze dich nicht. Ich sage das nur einmal", spricht er, als wäre es ein Befehl und geht. Das überrascht mich sehr. Sorgt er sich etwa um mich? Warum würde er von heute auf morgen so etwas sage? Ich höre die Haustür. Er ist gegangen und ich bin wieder alleine. Seufzend lasse ich mich nach hinten fallen. Ich möchte nichts mehr, als ihn wieder bei mir zu haben. Das ist mein größter und einzigster Wunsch. Wenn Can an meiner Seite ist, bin ich wunschlos glücklich. Irgendwann muss doch jemand mal ein Wort sagen und das ganze beenden. Ich habe diese Distanz satt. Sie macht mich noch wahnsinnig. Ich möchte wissen, was er denkt und fühlt. Ich möchte ihm einmal sagen können, wie sehr ich ihn liebe. Werde ich dazu fähig sein?

Die nächsten Tage ist Can wieder abweisend und scheint mich so gut wie es geht zu vermeiden. Auch wenn er aufgehört hat mich herumzukommandieren, spricht er kein einziges Wort mit mir. Wenn ich ihm eine Frage stelle, antwortet er mir nur knapp und abweisend. Als seine Assistentin sehe ich ihn zwar oft, bekommt jedoch auch nicht mehr von ihm zu hören als lauter Befehle. Die ganzen weiblichen Angestellten machen sich schon Hoffnungen, Can für sich zu erobern, da man es uns langsam ansieht, dass wir beide nicht mehr miteinander zusammen sind. Sie schwärmten oft von ihm in meiner Gegenwart und manche planen schon, wie sie ihn erobern könnten. Da können sie lange träumen und planen. Can ist schließlich mein Ehemann und gehört zu mir. Also haben sie alle keine Chance. Die auffälligen Blicke und Gespräche ignorier ich. Auch wenn das alles nicht gerade besser macht. Ich darf nicht schwach werden. Nach zwei Wochen der Stille platzt mir dann auch schon der Kragen. Ich muss mit ihm reden. Jetzt sofort. Diese Ungewissheit treibt mich noch in den Wahnsinn. Es sind nicht nur diese zwei Wochen. Es waren diese ganzen Jahre, in denen ich ungeduldig gewesen bin. Dieses Mal wird er nicht so einfach davonkommen. Also sitze ich nach Feierabend noch in meinem Büro und warte etwas, bis alle anderen Angestellten gehen. Can ist immer der Erste und der Letzte, der hier rein und raus geht.

Nachdem ich mich vergewissert habe, dass alle, außer Can, gegangen waren, begebe ich mich aus meinem Büro. Es ist schon etwas dunkel draußen. Heute war ein sehr langer Arbeitstag gewesen. Doch das liegt daran, dass ich den anderen ihre Nachtschicht abgenommen habe. Nur um hier so lange wie möglich zu bleiben, habe ich Überstunden gemacht. Klingt nicht besonders klug, aber für Can wüde ich alles tun. Ich habe meine Arbeit beendet und begebe mich anschließend zu seinem Büro.Es ist etwas beängstigend hier. Schließlich ist es stockdunkel und sehr still. Nur der Wind von draußen ist zu hören. Mit rasendem Herzen klopfe ich an die Tür.
"Herrein", ertönt Cans verwunderte Stimme. Wer sollte hier schließlich noch außer ihm sein?
Aufgeregt betrete ich sein Büro. Er sitzt an seinem Schreibtisch und hat viele Dokumente vor sich liegen. Nur die Lampe, die neben ihm, auf dem Tisch steht, spendet ihm Licht. Er blickt auf, sieht mich überrascht an.
"Was tun Sie hier noch? Sie haben doch schon längst Feierabend", sagt er verwirrt und blickt auf seine Armbanduhr. Wieder dieses Gesieze. Seufzend begebe ich mich zu ihm und setzte mich auf den Stuhl, der sich ihm gegenüber befindet. Still blicken wir uns gegenseitig an. Wie soll ich am besten anfangen?

Nichts. In seinen braunen Augen ist nach wie vor nichts zu erkennen. Kein einziges Gefühl spiegelt sich in ihnen wieder. Nachdenklich lege ich meinen Kopf etwas schief und betrachte ihn genau. Er sieht genauso aus wie Can. Die selben schwarzen Locken. Die selben braunen Augen. Die gleiche Stimme. Das selbe schöne Gesicht. Warum wirkt er also dann wie eine andere Person? Ist es nur wegen seines Charakters?
"Hören Sie. Wenn Sie kein Anliegen haben, dann gehen Sie lieber jetzt nach Hause", sagt er, da ihm die Situation unangenehm zu sein scheint. Ich komme wieder zu mir. Gerade eben bin ich zu sehr in meinem Gedanken versunken gewesen. Na komm schon, Leyla. Fass dir ein Herz!
"Darf ich kurz mit dir sprechen?", frage ich ihn dann schließlich. Nach langem Zögern nickt er tatsächlich stumm. Ich hätte erwartet, dass er mich wieder mit "Sie" anspricht und mich nach Hause schickt. Doch er hat wirklich einfach nur einverstanden genickt.
"Warum musst du mich nur so sehr verletzen?", frage ich unsicher und blicke ihn durchdringend an. Ehrlich gesagt weiß ich nicht, weshalb ich genau das gefragt habe. Es ist einfach aus mir rausgekommen. Seufzend beugt er sich vor und fährt sich durch sein Haar. Er weiß wohl keine richtige Antwort darauf.
"Was meinst du damit?", fragt er mich dann, stützt dabei seinen Kopf auf seiner Hand ab. Ich bitte euch. Als würde er das nicht wissen. Er weiß es ganz genau. Mit seinen großen Augen durchbohrt er mich regelrecht, sodass ich kurz davor bin zu schmelzen.

"Can. Ich kann nicht essen. Ich kann nicht schlafen. Ich kann nicht glücklich sein. Ich bin am Ende. Ohne dich ist mein Leben wertlos. Ohne dich kann ich so nicht weitermachen. Es tut so weh, ohne dich an meiner Seite. Ich fühle mich so einsam und verletzt. Ich brauche dich", erkläre ich ihm, während mir langsam die Tränen kommen. Mein Herz schmerzt bei jedem Satz immer mehr. Er sagt nichts, blickt mich nur weiterhin stumm an und hört mir einfach zu. Aber einen Moment mal. Sehe ich in seinem Blick etwa Mitleid?
"Ich ertrage diese Distanz nicht mehr. Du sagtest, dass du mich verlassen hast, um mir ein glückliches Leben zu ermöglichen. Doch das Einzige, was ich empfinde, ist Schmerz. Kein Tag vergeht, an dem ich nicht an dich denke. Warum kann ich dich nicht einfach vergessen? Ich hasse mich selbst dafür, weil ich nicht stark sein kann. Ich möchte so nicht mehr weiterleben", erkläre ich ihm schluchzend. Sein Blick wird tatsächlich weicher. Als hätte er wirklich Mitleid. Als würde er selbst Schmerz empfinden. Er erwidert nichts und so wird der ganze Raum von Stille gefüllt. Ich senke meinen Blick und weine. Nur mein Schluchzen ist zu hören. Mehr nicht. Ich spreche meine Gedanken aus, ohne ihn dabei anzusehen.
,,Es ist mir all die Jahre so schwer gefallen. Es war so schwer, stark zu sein. Das einzige, was mir Kraft gegeben hat, war unsere Tochter. Wäre sie nicht gewesen, wäre ich heute nicht mehr hier'', sage ich weiterhin schluchzend und höre, wie er tief einatmet. Nach einiger Zeit steht er dann auf und geht Richtung Tür.

"Es tut mir leid", sagt er nur und will gehen. Doch ich will und kann ihn einfach nicht gehen lassen. Also stehe ich sofort, als ich seinen ersten Schritt höre, auf, gehe auf ihn zu, drücke ihn leicht gegen die Wand und presse meine Lippen auf seine, während seine Hände auf meinen Schultern weilen. Ich küsse ihn. Dieser Kuss gibt mir ein wohliges Gefühl. Bei Can fühle ich mich einfach immer gut. Zuerst lässt er es zu, da sich seine Lippen etwas bewegen und seine Hände mich nicht loslassen. Doch die Realität holt ihn schneller ein als mir lieb ist. Er entfernt sich mit seinem Gesicht von mir und blickt mich überrascht an.
"Mehr als es tut mir leid kannst du nicht sagen?Wenn du nicht willst, dass ich verletzt bin, warum tust du mir dann weh? Hasst du mich so sehr?", frage ich ihn nun, woraufhin sich sein Griff verstärkt. Als wäre es aufgezwungen. Als würde er sich selbst dazu zwingen.
"Ja, ich hasse dich. Aus uns beiden wird nie wieder mehr etwas werden. Wir müssen uns damit abfinden, dass es für uns keine Zukunft gibt. Ich hasse dich", spricht er flüsternd, ist mir dabei sehr nah. Warum sehe ich in seinen Augen Schmerz? Er lässt von mir ab, kehrt mir den Rücken zu und lässt mich zurück. Autsch. Das hat weh getan. Das war es also?
"Ich hasse dich! Ich hasse dich! Ich hasse dich, Can Yalcin!", scheie ich so laut, wie ich kann, während mein Herz furchtbar schmerzt. Ich schreie meine ganze Wut sowie meine Frust raus. Dabei soll dieses "Ich hasse dich" bedeuten, dass ich ihn bis zur Unendlichkeit liebe.

ZwangsheiratWhere stories live. Discover now