Kapitel 87

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Der Tag der Gerichtsverhandlung. Nervös warte ich darauf, bis mich der Wärter abholt. Die ganze Nacht habe ich kein Auge zubekommen, da meine Gedanken mich nicht in Ruhe lassen wollen. Fragen über Fragen. Doch die Antworten würde ich erst später erfahren. Wie sieht unsere Zukunft aus? Werden wir diesen letzten Kampf verlieren? Oder werden wir endlich in Frieden leben können? Um ehrlich zu sein habe ich überhaupt keine Hoffnung. Ich befürchte das Schlimmste. Ich werde zu lebenslanger Haft verurteilt und Leyla wird zugrunde gehen. Wie sollen wir beide bloß ohne einander leben? Habe ich überhaupt noch einen Grund weiterzuleben, wenn ich mein leben Lang im Gefängnis verbringe? Ja, den habe ich und dieser Grund ist Leyla sowie unsere Kinder. Alles ist besser als zu sterben. Denn eines weiß ich ganz genau. Bin ich tot, ist sie tot. Ist sie tot, bin ich tot. Wir sind eine Seele. Nichts kann und wird uns trennen. Die Gerichtsverhandlung fing unspektakulär und sollte so auch eigentlich enden. Ich hatte mich schon darauf vorbereitet, dass meine Befürchtungen wahr werden. Schließlich sprach alles dafür, dass ich der Schuldige bin. Jedoch änderte eine kleine Sache alles. Niemals hätte ich das ahnen können.

,,Es gibt tatsächlich eine Zeugin, die uns näheres über diesen Vorfall berichten möchte'', erklärt ein Staatsanwalt. Moment. Was hat er gerade gesagt? Es gibt eine Zeugin? Aber das ist unmöglich. An diesem Tag waren nur Mert und ich anwesend gewesen. Zumindest während dem Vorfall. Sonst waren dort nur Merts Männer und Leyla gewesen. Einen Augenblick mal. Leyla?
,,In den Zeugenstand rufe ich Leyla Yalçin'', kündigt der Staatsanwalt an und mein Herz scheint für einen Moment auszusetzen. Warum geht Leyla in den Zeugenstand? Was will sie sagen? Mein Blick lässt nicht von ihr ab, als ich sie den Saal betreten sehe. Leyla. Was hast du vor? Als der Staatsanwalt Leyla auffordert zu reden, schaut sie kurz zu mir. Dann schaut sie die Richterin an. Ihr Blick ist kalt sowie entschlossen.
,,Ich habe drei Beweise dafür, dass Can Yalçin nicht der Täter ist. Eine andere Person steckt dahinter'', erklärt sie und der erste Beweis wird von einem Polizisten in den Saal gebracht. Es ist ein Video. Das richtige, ungeschnittene Video, welches alle Geschehenisse dieser Nacht zeigt. Woher hat sie dieses Video? Es zeigt ganz genau, wie Leyla ebenfalls an diesem Tag anwesend war. Jedoch zeigt es nicht, wie Mert auf Deniz schießt. Was versucht Leyla zu beweisen? Nachdem das Video zu Ende ist, kündigt Leyla den zweiten Beweis an. Die Tatwaffe, dessen Kugel Deniz angeblich getötet hatte. Merts Waffe hatten sie anscheinend nicht gefunden.
,,Auf dieser Waffe sind ebenfalls Fingerabdrücke von mir. Dies wurde bereits überprüft und bestätigt'', erklärt Leyla der Richterin. So langsam wird es mir klar. Sie wird doch wohl nicht etwa das tun, was ich gerade denke. Oder?
,,Und was ist Ihr dritter Beweis?'', fragt der Richter.
,,Mein Motiv. Deniz hat mich jahrelang verfolgt und letztendlich zweimal misshandelt, weswegen ich mich rächen wollte. Mein Mann hat auf ihn geschossen, jedoch sein Herz verfehlt. Aber ich habe ihn getötet'', antwortet Leyla und sofort richten alle Polizisten ihre Waffen auf sie. Fassungslos blicke ich ihr in die Augen. Das hat sie gerade nicht wirklich gesagt.

,,Frau Yalçin, weshalb sollten Sie sich selbst stellen?'', fragt die Richterin Leyla dann skeptisch.
,,Ist das nicht offensichtlich? Wenn es heißt, dass entweder ihr Mann oder sie ein Leben lang eingesperrt werden, obwohl sie es in Wahrheit gewesen sind, würden Sie sich dann nicht selbst stellen?'', fragt Leyla als Gegenfrage. Sie tut das alles nur um mich zu retten. Sie opfert sich gerade für mich. Wie wahnsinnig muss sie sein, dass sie so etwas beschlossen hat? Da die Richterin sich unsicher ist, befragt sie noch den Komissar, der mich sowie anscheinend Leyla verhört hat und für den Fall zuständig gewesen ist sowie die Geschworenen, die die endgültige Entscheidung beeinflussen würden.
,,Alles deutet darauf hin, dass Frau Yalçin die wahre Täterin ist. Ihre Motive sind viel überzeugender und dazu kommen noch die Beweise. Auch nach den Gesprächen mit ihr bin ich nun fest überzeugt davon, dass sie es gewesen ist'', erklärt der Komissar. Also hat sie das alles mit ihm geplant. Hinter meinem Rücken. Der Komissar hat einige Aufnahmen von den Gesprächen zwischen ihm sowie Leyla und nun spricht alles dafür, dass sie es gewesen ist. Schließlich hat sie ziemlich viel in den Aufnahmen gelogen. Sie hat Dinge gesagt, die sie niemals sagen würde. Sie klingt wie eine andere Person.

,,Es gibt eindeutige Beweise, die dafür sprechen, dass Leyla Yalçin die wahre Täterin ist. Um sich an ihrem Peiniger zu rächen, hat sie diesen zur Strecke gebracht und sich letztendlich selbst gestellt, um ihrem Ehemann die Freiheit zu ermöglichen. Can Yalçin erklären wir hiermit für unschuldig.'', erklärt einer der Geschworenen. Dies bestätigt der Richter. Letztendlich wurde das Urteil gefällt. Meine Handschallen kamen ab, wurden jedoch dafür Leyla angelegt. Kalt blicke ich sie an, nachdem sie verurteilt wurde und frage mich die ganze Zeit das selbe. Hat sie den Verstand verloren? Das meinte sie also mit ihrer Entscheidung, die sie niemals bereuen wird. Ich sehe zu, wie sie meine Frau abführen und setze mich sprachlos hin. Nun bin ich wieder ein freier Mann. Nein. Ich bin nicht frei. Nicht mit dem Gedanken, dass meine Frau meinetwegen freiwillig ins Gefängnis geht. Warum habe ich die Verhandlung nicht gestoppt? Ich hätte alles getan, damit es nicht so endet. Ich hätte vor den Augen der Richterin sogar einen Polizisten ermordet. Nur damit Leyla frei ist. Ich bin schockiert, ratlos sowie wütend. Mein Kopf ist voll und gleichzeitig auch so leer. Was hat sie nur getan? Zwei Tage ist diese Verhandlung nun schon her und ich bringe es einfach nicht übers Herz sie zu besuchen.

ZwangsheiratWhere stories live. Discover now