Kapitel 27

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Nach dieser langen Stille sagte er endlich etwas und zog seine Augenbrauen zusammen.
"Was?", fragte er ungläubig und verwirrt, jedoch mit einer ruhigen Stimme und in einem vorsichtigen, leisen Ton. Er konnte es wohl nicht richtig glauben. Ich wollte wissen, was er dachte und vorallem, was er fühlte. Wenn er überhaupt etwas in diesem Moment fühlte. Plötzlich bekam ich kein Wort mehr raus. Statdessen kamen mir nur die Tränen. Diese Worte waren ehrlich gemeint. Sie waren zwar ungewollt, aber ehrlich. Seine wundervollen Augen, die mich durchbohrten, machten mich schwach und ich wünschte mir wirklich, dass ich diese Gefühle nicht hätte. Warum er? Warum musste ich ihm gegenüber diese Gefühle haben? Warum konnte ich mich nicht in einen anderen Mann verlieben? Warum schmerzte mein Herz jedes Mal bei dem Gedanke, dass er mich niemals lieben wird?

Ich wischte mir meine Tränen weg und versuchte stark zu bleiben. Doch vor meinen Gefühlen konnte ich nicht fliehen. Es war unausweichlich und schmerzhaft. Sekunden später füllten sich meine Augen wieder mit Tränen und ich stand weinend, ohne ein Wort zu sagen hier vor ihm. Ich konnte ihn nicht mehr ansehen, da es immer mehr weh tat und ich mich schämte. Also ließ ich ihn einfach stehen und ging weinend davon. Ich war gerade nicht im Stand dazu, ihm in die Augen zu blicken und zu sagen, was in meinem Herzen vor ging. Ich konnte ihm nicht richtig von meinen Gefühlen erzählen. Es funktionierte einfach nicht. Doch dieses "Weil ich dich liebe" hatte eigentlich schon alles gesagt. Ich weinte erst einmal meinen ganzen Frust raus und fragte mich, weswegen ich überhaupt weinte. Weil er meine Gefühle niemals erwidern wird? Weil ich ihn nicht lieben wollte? Warum schmerzte mein Herz so sehr?

Can POV

Völlig fassungslos stand ich hier alleine und starrte ins Leere. Leyla hatte mir gerade tatsächlich ihre Liebe gestanden. Niemals hätte ich gedacht, dass sie sich in mich verlieben und mir das offenbaren würde. Deswegen hatte sie das alles getan und nun war sie meinetwegen verletzt. Aber ich konnte es irgendwie nicht so ganz glauben. Sie hatte ihr Herz an mich verloren und fühlte sich zu mir hingezogen. Das wohl schon eine ganze Weile. Doch warum ich? Warum hatte sie sich ausgerechnet in mich verliebt? Was könnte ich ihr schon bieten? Ich könnte ihr weder Liebe noch Zuneigung oder ein traumhaft, schönes Eheleben geben. Warum würde sie ihr Herz an so einen kalten, herzlosen Mann wie mir verlieren? In diesem Moment jedoch war Leyla nicht mehr das junge Mädchen, dass ich nur aus Mitleid geheiratet hatte. Sie war plötzlich mehr in meinen Augen. Sie war die Frau, der ich etwas bedeute. Die Frau, der ich wichtig war. Die Frau, die alles für mich aufgeben würde. Betrübt blickte ich aus dem Fenster und betrachtete meinen Ehering.

War es ein Fehler gewesen, sie zu heiraten? Was wird nun mit uns beiden geschehen?Werden wir normal weiter leben können? Wird sie verletzt sein? Werde ich ihre Gefühle akzeptieren können? Fühlte ich villeicht sogar das selbe? War das alles villeicht tatsächlich möglich? Ich seufzte und dachte gründlich nach. Niemals könnte ich Leyla lieben, dachte ich. Schon lange hatte ich einer Frau gegenüber keine Zuneigung mehr empfunden. Die letzte war Aleyna gewesen und das war bereits zwei Jahre her.Außerdem waren meine Gefühle nicht besonders aufrichtig ihr gegenüber. Ich hatte überhaupt keine Ahnung von der Liebe. Es war also ausgeschlossen, dass ich ihre Gefühle erwidern könnte. Was für eine wichtige Rolle sie in meinem Leben spielen würde, hätte ich nie gedacht. Doch das war erst der Anfang. Der Anfang von allem. Ich zog meine Schuhe und meine Jacke an und begab mich nach draußen. Ich musste meinen Kopf frei kriegen, auch wenn es ziemlich spät war. Ich dachte an nichts. Nicht einmal daran, wo sich Leyla wohl im Augenblick befinden könnte. Ich konnte nicht denken. Mein Kopf war wie augeschaltet. So ahnungslos war ich noch nie gewesen. Ich fuhr mir durch die Haare und hatte extreme Kopfschmerzen.

Erschöpft setzte ich mich auf eine Bank und betrachtete die Sterne am Nachthimmel. Sie funkelten so schön und plötzlich kamen mir meine Eltern und die alten Zeiten in den Sinn. Die Zeiten, in denen ich kein Krimineller gewesen war. Die Zeiten, in denen ich ein fröhlicher, gutmütiger Junge gewesen war. Damals hatte ich ständig ein Lächeln auf den Lippen gehabt und hatte in jedem Menschen nur das gute gesehen. Doch alles hatte sich geändert. Mein Vertrauen zu den Menschen war verschwunden und ich war härter geworden. Hätte ich Leyla damals, vor diesen Zeiten, kennen gelernt, wäre ich villeicht sogar der erste gewesen, der sich in sie verliebt hätte. Sie war nicht das Problem. Ich war es. Ich hatte Leyla nicht verdient. Sie war genau wie ich damals. So jung, so freundlich, so gutmütig, so gefühlvoll. Sie war ein guter Mensch, mit einem reinen Herzen. Und was war ich?

Ein schlechter Mensch, der viele Fehler begangen hatte und ein gefährliches Leben lebte. Ein Krimineller, der seit zehn Jahren vergebens Rache an seinen Feinden nehmen wollte und viele schlimme Dinge tat. Jeden Tag. Ohne Grund. Ohne Pause. Ohne Kontrolle. Sie war zu gut für mich, war nicht wie die anderen. Bei ihr wusste ich nämlich, dass sie mich nicht nur wegen meines Aussehen liebte. Sie wusste und sah, dass ich jedes Mal so viele Fehler als Gangster begang und vielen Menschen schadete. Doch trotzdem hielt sie zu mir und blieb bei mir, an meiner Seite. Sie würde mich niemals im Stich lassen, dachte ich mir. Doch es war ausgeschlossen. Es war nicht möglich. Wir beide lebten in zwek komplett unterschiedlichen Welten. Auch wenn wir verheiratet waren, waren wir uns doch so fremd. Ich hätte ihr niemals begegnen dürfen. Auch wenn es hart klang, war sie der Grund, weswegen ich ständig überlegte, dieses Gangsterleben aufzugeben. Doch das durfte nicht sein.

Das war meine Bestimmung, mein Schicksal. Wegen einer Frau konnte und wollte ich ganz bestimmt nicht aufgeben. Auch wenn es Leyla war. Als ich nach einiger Zeit wieder nach Hause ging, wunderte ich mich. Leyla war nicht da. Sie ist immer noch weg?, fragte ich mich verwundert. Während ich nach ihr suchte, klingelte plötzlich mein Handy. Ich blickte auf den Display, auf dem Leylas Name stand, ging ran und war erleichtert, als ich ihre Stimme hörte.
"Hallo?", sagte ich leise. Zuerst schwieg sie etwas. Doch dann schluchzte sie.
"Can. Ich wollte dir nur sagen, dass ich bei meinen Eltern bin. Mach dir also keine Sorg-Ehm was ich meine, mir geht es gut", erklärte sie mit einer brüchigen Stimme. Sie hatte wohl viel geweint.
,,Leyla-‚''
"Ich muss jetzt auflegen. Machs gut", sagte sie und legte auf, ehe ich weiter sprechen konnte. Gedankenverloren blickte ich auf den Display und seufzte. Doch ich fand es auch etwas eigenartig.

Leyla würde um diese Uhrzeit, in diesem Zustand niemals zu ihren Eltern gehen, dachte ich mir. Das war überhaupt nicht möglich gewesen. Schließlich wohnten wir auch etwas weit entfernt von ihren Eltern. Um zu ihren Eltern zu gelangen, müsste sie dorthin schon mit einem Auto oder so fahren. Zu Fuß konnte sie überhaupt nicht gehen. Es sei denn, sie würde tatsächlich um diese Uhrzeit durch die halbe Stadt umherirren und das bezweifelte ich stark. Wie sollte sie also um diese Uhrzeit dorthin kommen? Nein.Da stimmte etwas nicht. Das spürte ich. Etwas ging wieder vor sich. Irgendetwas, von dem ich mal wieder nichts wusste, es aber noch herausfinden würde. Ach, Leyla. Was tust du schon wieder für Dinge? Warum bist du nur gegangen? Wo bist du schon wieder?

ZwangsheiratWhere stories live. Discover now