Kapitel 5

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Die Tage vergingen wie im Flug. Morgen schon wäre die Hochzeit meiner Schwester. Gestern hatten wir ein Kleid für sie gesucht und schon da flossen die Tränen. Das Kleid war einfach ein Traum. Ich kam wie jedes Mal von der Schule erschöpft nach Hause und wollte auf mein Zimmer. Doch aus dem Wohnzimmer hörte ich viele Stimmen. Besuch?
Ich begab mich ins Wohnzimmer und wünschte mir direkt, dass ich sofort in mein Zimmer gegangen wäre. Dort saßen nämlich meine Familie, mein Bruder mit seiner Frau, Cans Familie, er natürlich auch und Nihat mit seiner Familie, die aus seinen Eltern und ihm besteht. Zurück zu den vielen Leuten hier. Also insgesamt elf Personen und mit mir waren es zwölf in einem Wohnzimmer. Wie passten die alle hier rein? Obwohl, unser Wohnzimmer ist schon ziemlich groß. Außerdem hatten sie noch ein paar Stühle vom Esszimmer hierher gebracht, damit jeder sitzen konnte. Ich mag es nicht, wenn uns so viele Leute besuchen. Das ist immer stressig. Sie unterhielten sich bestimmt über die morgige Hochzeit und besprachen nochmal den Ablauf.

"Ah, Leyla. Schön, dass du endlich da bist", sagte mein Vater und ich setzte mich auf einen, zu meiner Überraschung, noch freien Sessel. Verwirrt blickte ich alle an.
"Hey", sagte ich nur mit einem verwirrten Lächeln.
"Wir besprechen nur die Hochzeit für Morgen. Den Ablauf und all das. Wir gehen aber gleich Essen. Seni bekledik (Wir haben auf dich gewartet)", sagte meine Mutter und ich nickte.
"Ah, Tamam (Okay). Ich gehe mich kurz umziehen, dann können wir los", sagte ich und ging auf mein Zimmer. Alle waren so formell gekleidet, da wollte ich auch schick aussehen. Gerade trug ich nur etwas langweiliges, normales. Ich entschied mich für ein schwarzes, schulterfreies Oberteil, einer blauen Jeans, schwarzen High-Heels und einer schwarz-weißen Tasche. Als ich gerade mein Oberteil ausgezogen hatte, kam plötzlich jemand in mein Zimmer. Sofort bedeckte ich meine Oberweite mit meinem ausgezogenen Oberteil. Puh. Das war knapp! Als ich sah, wer hier gerade vor mir stand, war ich kurz davor laut aufzuschreien. Es war Can.
"Can? Was willst du?", fragte ich empört und hielt mir mein Oberteil immer noch vor meine Brust. Er grinste und setzte sich einfach auf mein Bett. Natürlich sah er wie immer einfach gut aus. Er trug einen grauen Pullover und darunter ein weißes Hemd. Außerdem noch eine schwarze Hose und weiße Sneaker.
"Was soll d-", er unterbrach mich einfach.
"Chill doch. Darf ich nicht mal in dein Zimmer kommen oder was?", fragte er gelassen. Ist das sein scheiß Ernst?
"Can. Lütfen (Bitte). Ich will mich umziehen. Geh bitte raus", sagte ich, doch plötzlich stand er auf und kam mir näher. Hat der Probleme oder so?, fragte ich mich ernsthaft.

Etwas ängstlich ging ich einen Schritt zurück. Was hatte er vor? Ich spürte die Wand an meinem Rücken und drückte mein Oberteil fester an mich ran. Es gab kein Entkommen! Can blickte mir tief in die Augen. In seinen konnte ich überhaupt nichts erkennen. Diese wunderschönen Augen waren geheimnisvoll. Er war geheimnisvoll. Doch eine Sache machte mir viel mehr Angst, als dass er mir so nah war. Die Tatsache, dass ich mich in diesen traumhaften Augen verlieren werde. Dass ich ihm verfallen werde. Oh mein Gott. Mein Herz schlug wie verrückt. Er durfte es nicht hören. Das ist doch nicht normal, dachte ich mir verwirrt über diese plötzlichen Gefühle, die mir so unglaublich fremd waren.
"Du bist so wunderschön", flüsterte er mir plötzlich in mein Ohr. Was?!
Er roch so verdammt gut und ich war wie gefangen. Wie in Trance starrte ich ihn an. Er entfernte sich dann irgendwann von mir, als wäre er aufgewacht und ging dann einfach ohne ein Wort aus meinem Zimmer. Genau in diesem Moment, indem ich mich fast in seinen Augen verloren hätte. Was war das? War er verrückt?
Wollte er mich etwa verführen?

Meine Damen und Herren, Can Yalçin labert jetzt nur noch verrückte Scheiße und verwirrt mich von Tag zu Tag immer mehr. Meine Güte. Dieser Junge macht mich irgendwann wirklich noch wahnsinnig. Ich zog mich schnell um. Meine Haare ließ ich offen und mein Make-Up ließ ich so, wie es war. Zufrieden mit meinem Outfit ging ich dann nach unten und wir fuhren alle in ein Restaurant.
Jede Familie fuhr in ihrem eigenen Auto. Kein Wunder, bei zwölf Leuten. Schließlich würden wir alle ganz sicher nicht in ein einziges Auto passen. Was dachte ich da schon wieder für einen Mist? Ich war die ganze Zeit abwesend, musste ständig an Can und seine Worte denken. Warum faszinierte er mich so? Das war doch verrückt. Ich wollte mit Can diesen Abend ganz bestimmt nicht nochmal alleine sein, weswegen ich mich möglichst im Hintergrund aufhielt. Als wir bestellt hatten und nun alle hier an einem Tisch saßen, spielte ich mit meinen Fingern und hatte meinen Blick die ganze Zeit gesenkt. Am Ende würden sich unsere, Cans und mein Blick sich kreuzen und darauf hatte ich echt keine Lust. Ich hatte schon Paranoia wegen diesem Jungen. Seufzend blickte ich mich um. Während alle lachten und sich unterhielten, langweilte ich mich zu Tode. Cem sah so glücklich aus, wenn er mit den anderen sprach. Nach so langer Zeit sah ich ihn endlich mal wieder. Doch es machte mich traurig und ich seufzte.

Warum konnte er nicht auch mit mir so normal reden und sich unterhalten? Warum konnten wir nicht gemeinsam lachen und Spaß haben?
"Ist alles okay, Leyla?", fragte mich Azra, die neben mir saß. Ich setzte mir ein Lächeln auf.
"Ja, ja. Alles okay. Nur bisschen langweilig", sagte ich.
"Rede doch bisschen mit Can. Er unterhaltet sich auch mit niemandem", meinte sie und ich seufzte wieder. Ich wollte überhaupt nicht mit Can reden. Ach, wenn sie nur wüsste. Wenn sie alle nur wüssten. Ich blickte kurz zu Can. Er schrieb irgendwas an seinem Handy und schaute nicht einmal auf. Wie unhöflich er doch ist. Wie ein kleines Kind. Das ging mir irgendwie auf die Nerven, wie er da an seinem Handy hing. Mit wem schreibt der überhaupt?, fragte ich mich etwas wütend. Ich verschränkte meine Arme ineinander, lehnte mich etwas zurück und beobachtete ihn ganz genau. Er ist wirklich perfekt, dachte ich mir und war erstaunt über diese Tatsache. Er haute mich komischerweise einfach um mit seinem Aussehen. Und dann tat ich etwas mega Peinliches.
"Can. Leg dein Handy weg", sprach ich laut aus und alle schwiegen sofort. Can blickte nun auf und alle hatten ihren Blick auf mich gerichtet. Okay. Peinlich. So viel zum Thema im Hintergrund aufhalten. Warum konnte ich nicht einfach meine Klappe halten? Warum hatte ich das überhaupt gesagt? Was kümmerte es mich denn bitte schon, mit wem er schrieb?

Oh man, Leyla. Dieser Junge. Can steckte sein Handy in seine Hosentasche, verschränkte seine Arme ineinander und grinste, was mich ziemlich provozierte. Ja, ja. Sehr witzig. Er genoss das wohl sehr. Dieser Idiot. Als unser Essen zum Glück kam, wurde die peinliche Stille endlich unterbrochen und ich war erleichtert. Unsere Familien sprachen wieder über die Hochzeit und ich war somit aus dem Schneider. Wie ich peinliche, unangenehme Momente hasste. Puh! Ich wollte eigentlich nur noch nach Hause und in mein Bett. Ich war mit den Nerven am Ende und hatte keine Lust mehr.
"Du bist wie seine Frau. Er hat direkt auf dich gehört. Ich habe doch gesagt, dass ihr gut zusammen passt", sagte Azra dann etwas leiser, sodass es keiner hörte zu mir und ich seufzte wieder.
"Er ist ein Salak (Idiot)", sagte ich nur in einem normalen Ton gedemütigt, während ich genervt zu ihm blickte. Cans Freundin zu sein wäre ganz bestimmt keine Ehre oder Glück. Es wäre eine Erniedrigung, Belastung und eine Demütigung. Auch wenn er verboten sexy war, dachte ich eben so darüber. Der Charakter hält bekanntlich ja fest und sein Charakter war nicht der beste. Als seine Freundin würde er mich bestimmt jeden Tag nerven und mich demütigen, dachte ich mir. Als seine Frau wollte ich es mir also erst Recht nicht vorstellen. Darauf hätte ich ganz bestimmt keine Lust. Mit Can eine Beziehung? Niemals. Wir waren nicht einmal Freunde. Wir kannten den jeweils anderen nicht genau, waren uns sozusagen fremd. Also wir beide ein Paar? Niemals.

ZwangsheiratWhere stories live. Discover now