Kapitel 7

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Ich öffnete langsam benommen meine Augen und versuchte mich an irgendwas zu erinnern. Mein Kopf dröhnte und mir war mehr als schlecht. Ich bemerkte, dass ich mich in einem Auto befand und nach hinten gelehnt war. Mein Kleid trug ich immer noch. Als ich versuchte mich aufzusetzen, durchzog mich ein furchtbarer Schmerz im Unterleib und ich schrie auf.
"Ne oldu, Aşkim? (Was ist los, meine Liebe?)", fragte mich plötzlich jemand. Ich blickte nach vorne und sah Deniz am Steuer sitzen. Was hat er getan? Was ist hier los?
Mit viel Kraft schaffte ich es, mich aufzusetzen und blickte ihn fragend an. Wir standen auf einem Parkplatz, wir fuhren zum Glück nicht. Mir fiel auf, dass wir nicht weit vom Hochtzeitssaal entfernt waren, uns aber an einem ruhigen Ort befanden. Nur wir beide waren hier.
"Günaydin (Guten Morgen)", sagte er gut gelaunt.

"Was tun wir hier? Wie bin ich hieher gekommen? Was hast du getan? Deniz, antworte mir", sagte ich auffordernd.
"Erinnere dich mal", sagte er nur und ich versuchte mich zu erinnern. Mir kam tatsächlich etwas in den Sinn. Can hatte mich vor Deniz gewarnt und ist dann rein gegangen. Danach kam Deniz und dann hat er mich festgehalten, mir etwas vor den Mund gehalten und dann bin ich bewusstlos geworden.
"Was hast du getan, Deniz? Sag es mir sofort", sprach ich nun etwas lauter. Er grinste amüsiert und blickte mich an.
"Ich habe gesagt, dass du mich lieben wirst und dass du mir gehören wirst. Egal auf welche Art und Weise. Deine Jungfräulichkeit kannst du vergessen", erklärte er und ich riss meine Augen auf. Nein. Nein. Nein! Bitte nicht. Bitte lass das nicht wahr sein.

"Deniz. Sag mir nicht, du hast-", sagte ich flehend, doch er nickte nur stumm und mir kamen sofort die Tränen. Oh mein Gott. Er hat mich vergewaltigt. Dieses Schwein! Dieses Arschloch! Er hat mir meine Ehre und meinen Stolz genommen. Meine Jungfräulichkeit. Nein. Ich bin doch noch nicht verheiratet und bin erst 17 Jahre alt. Das darf nicht wahr sein. Ich zitterte am ganzen Körper und konnte nicht mehr atmen.
"Leyla? Alles okay mit dir?", fragte er und wollte mich anfassen, doch ich schlug seine Hand sofort weg.
"Fass mich nicht an, du ehrenloser Hund!", sagte ich und stieg sofort aus dem Auto. Zum Glück hatte er nicht abgeschlossen. Sofort rannte ich zum Saal und weinte. Ich weinte meinen ganzen Schmerz heraus. Ich schluchzte und fragte mich die ganze Zeit das selbe. Warum? Als ich nun vor der Tür stand, wischte ich mir meine Tränen weg und richtete meine Haare. Ich zog den Träger meines Kleides wieder hoch und versuchte mich zusammen zu reißen. Zum Glück war niemand, außer mir hier draußen. Sie dürfen das nicht erfahren. Ich blickte mich kurz in der Tür an und als ich dann sicher sein konnte, dass man mir meine Trauer nicht ansehen konnte, betrat ich den Saal. Sie dürfen nicht wissen, was vorgefallen ist. Doch ich sah bestimmt trotzdem niedergeschlagen aus. Gerade bekamen Braut und Bräutigam Geld von all den Angehörigen. Ich hatte die Ankunft des Brautpaares verpasst. Ich hatte verpasst, wie meine Schwester Gold von ihren Schwiegereltern bekommen hatte. Ich hatte ihren Tanz mit Nihat verpasst. Eigentlich hätte ich dort sein müssen. Doch nicht einmal das konnte ich sehen.

Während alle glücklich am Feiern waren, setzte ich mich nur niederschlagen auf einen der Stühle und versuchte nicht zu weinen. Heute ist der schönste Tag im Leben meiner Schwester. Doch es ist der grauenvollste in meinem. Ich schluckte meine Tränen einfach runter. Nicht weinen, Leyla. Nicht weinen.
Wie soll ich ihnen das nur erklären? Sie werden am Boden zerstört sein. Sie werden geschockt sein. Ihre Tochter wurde vergewaltigt und das auch noch mit 17 Jahren, vor der Ehe. Ich schämte mich und fühlte mich dreckig. Ich schaute die ganze Zeit auf den Boden und war einfach nur angeekelt. Dieser Bastard. Er wird dafür bezahlen. Er hat mir eines der wertvollsten Dinge genommen. Meine Jungfräulichkeit, die ich immer bis zu meiner Hochzeitsnacht bewahren wollte. Jetzt würde mich kein Mann mehr zur Frau nehmen.

Ich fühlte mich beschmutzt, billig, ausgenutzt und kraftlos. Als hätte ich kein Leben mehr in mir. Beschämt ging ich auf die Toilette, auf der zum Glück niemand war und versuchte mein Make-Up wieder in Ordnung zu bringen. Ich wollte wieder wie vorher aussehen uns es mir nicht anmerken lassen. Traurig blickte ich mich im Spiegel an. Es ist nicht meine Schuld.
Oder vielleicht doch? Ich hätte mich besser wehren müssen, aber er war einfach viel zu stark. Oh mein Gott. Mir war richtig schlecht, wenn ich nur daran dachte, was dieses ekelhafte Arschloch mir angetan hatte. Widerlich!

Ich war immer noch viel zu geschockt, um es zu glauben. Ich wurde gerade vergewaltigt.
ICH. WURDE. GERADE. VERGEWALTIGT. Dass er so ekelhaft und ehrenlos wäre, hätte ich nie von ihm gedacht. Nach langem Trauern begab ich mich dann wieder in den Saal und setzte mich wieder hin. Es war schon fast Mitternacht. Das Brautpaar würde uns gleich verlassen. Alle tanzten, lachten, feierten und ich? Ich saß hier nur alleine und sah allen traurig zu. Warum ich? Warum an solch einem scheinbar schönen Tag? Warum? Warum verdammt nochmal?! Mein Herz blutete, es tat weh und mein Unterbleib zog sich die ganze Zeit schmerzhaft zusammen. Müde schloss ich meine Augen und legte meinen Kopf in meinen Nacken. Gedankenverloren starrte ich die Decke an und versuchte meinen Kopf frei zu bekommen. Doch es funktionierte nicht. Die ganze Zeit musste ich daran denken. Alles ist zerstört. Einfach alles. Mein Leben ist ruiniert.

Was dieser einzige Tag alles ausmachen würde, hätte ich nie zu Träumen gewagt. Dass dieser einzige Tag alles zerstören würde, hätte ich nie gedacht. Abwesend blickte ich wieder auf den Boden.
"Leyla?", sagte plötzlich jemand sanft. Es war Can. Oh mein Gott. Ich konnte ihm nicht ins Gesicht schauen, so beschämt war ich. Er setzte sich vor mich und ich spürte seinen intensiven Blick auf mir.
"Leyla. Du siehst nicht gut aus.Was ist los?", fragte er mich. Was los ist? Vieles Can, vieles. Mein Leben wurde gerade zerstört. Ich setzte mir ein Lächeln auf und blickte ihm nun in die Augen.
"Nichts. Alles gut. Hab nur bisschen Kopfschmerzen. Mehr nicht", log ich und versuchte nicht zu weinen. Wenn ich ehrlich bin, hätte ich ihn jetzt am liebsten umarmt und ihm alles gesagt. Aber ich konnte nicht. Ich konnte einfach nicht.

Can POV

Skeptisch blickte ich ihr in die Augen und erkannte etwas in ihnen, was mir meine Frage beantwortete. Nein. Sie hatte mich angelogen. Ihr geht es überhaupt nicht gut, sie hatte gelogen. Das gefiel mir überhaupt nicht, wie sie mich anblickte. Sie wirkte so verletzlich, so zerbrechlich, so traurig. In ihren leeren, braunen Augen erkannte ich Schmerz und ich erkannte, dass sie geweint haben muss. Was ist los mit ihr? Weshalb ist sie so traurig? Warum wirkt sie so erschöpft? Das gefiel mir gar nicht, wie sie falsch lächelte und ihren Schmerz vor mir versteckte. Wie sie mich anlog und ihre Trauer verleugnete. Ich würde es herausfinden und nickte nur stumm. Dann ließ ich sie alleine, was ich eigentlich gar nicht wollte und ging wieder zu den anderen. Ich würde es schon noch herausfinden. Vor mir kann sie nichts verheimlichen, weil ich sie leicht durchschauen kann. Ach, Leyla. Was ist nur los mit dir? Was verheimlichst du vor mir?

Leyla POV

Can nickte nur als Antwort, stand auf und ging einfach. Mir sollte es Recht sein. Ich wollte gerade mit niemandem reden, da ich einfach zu fertig war. Ich war ratlos. Was soll ich jetzt tun? Ich blickte nach einiger Zeit auf und merkte, dass es Zeit war, sich von dem Brautpaar zu verabschieden. Sofort begab ich mich mit Schmerzen im Unterleib zu allen und verabschiedete mich draußen. Ich setzte mir ein Lächeln auf und versuchte nicht zu weinen.
"Pass gut auf sie auf und mach sie glücklich", sagte ich zu Nihat. Er lächelte und nickte. Dann schaute ich meine Schwester an.
"Ich werde immer deine Schwester sein. Tamam mi? (Okay?). Ich bin für dich da", versicherte Azra mir und umarmte mich. Das brauchte ich jetzt. Eine liebevolle Umarmung.
"Danke Abla (Schwester)", sagte ich, hielt meine Tränen schwer zurück und sie verabschiedete sich noch von den anderen.
Meinen Eltern fiel der Abschied, sowie mir sehr schwer und als das Brautpaar dann weg fuhr, kamen mir automatisch die Tränen. Sie war ist eine Ehefrau. Eine richtige Frau. Ich ließ meinen Tränen freien Lauf und umarmte meine Eltern.
"Alles gut Leyla. Beruhige dich. Wir sehen sie bald wieder und sie werden uns besuchen", versuchte meine Mutter mich zu beruhigen. Wenn sie nur wüsste. Wenn meine Eltern beide nur wüssten.

Ich blickte nach vorne und sah Can. Er unterhielt sich mit den anderen Gästen und lächelte. Dies war ein wunderschönes Lächeln, dass mein Herz zum Schmelzen brachte. Ich konnte meinen Blick überhaupt nicht mehr abwenden und plötzlich blickte auch er mich intensiv an. Aus seinem Blick konnte ich nichts erkennen. Meine Gedanken waren wie weg. Ich sah irgendwie nur ihn vor mir. Während ich meine Eltern umarmte, blickte ich ihn lange an und hatte dieses Mal ein anderes Gefühl in mir. Ich konnte es nicht beschreiben, aber es war aufjedenfall ein Gutes, aber auch gleichzeitig Schlechtes Gefühl. Als würde ich gerade sehen, was mich erwartet. Als würde ich gerade meine Zukunft vor mir sehen. Was ist das nur?

ZwangsheiratWhere stories live. Discover now