32. Ein Tropfen flüssigen Glücks

2.8K 229 104
                                    

Am nächsten morgen wurde Felice mit einem sanften Rütteln an der Schulter geweckt. Sie schlug die Augen auf und bemerkte, dass sie in derselben Position verharrt eingeschlafen war, wie sie gestern nach ihrem Zusammenbruch zusammengesunken war. Sie drehte den Kopf und sah in die Tennisballgroßen Augen des guten alten Winnys.

>>Winny ist gekommen um seine Miss zu wecken. In kürze werden die Gäste kommen.<< Felice rieb sich über das Müde Gesicht, ihre Hand war dick in Verband eingewickelt.

>>Winny hat sich die Freiheit genommen Miss Felice Wunden zu versorgen. Winny hofft Miss Felice ist ihm nicht böse.<< er zog den Kopf ein, als würde er vermuten gleich geschlagen zu werden. Was hatte ihr Vater nur wieder diesem armen Wesen angetan, das er wieder so verängstigt war?

>>Nein... nein, ich danke dir Winny.<< Felice richtete sich auf und streckte sich. Ihr Kopf dröhnte wie Kirchenglocken und ihre Glieder schmerzten von dem langen Aufenthalt am Boden.

>>Meister lässt Miss ausrichten sie soll sobald Miss Felice sich angekleidet hat, sie runter zum Frühstück kommen soll.<< Winny hielt ihr ein Bodenlanges schwarzes Kleid hin. Der Kragen war hochgeschlossen bis unter ihre Kehle, aber es hatte keine Ärmel, sodass ihre Narben am rechten Unterarm entblößt sein würden. Das Kleid war viel zu schick für den Alltag, aber da sie in wenigen Stunden Gäste erwarteten und Felice immer noch die Drohung ihres Vaters von gestern im Ohr hatte, zog sie es widerstandslos an. Sie hatte auch nicht mehr die Kraft dazu, sich gegen ihren Vater zu stellen. Es hatte keinen Sinn mehr...

Das hatte sie gestern Abend, kurz bevor sie einschlief wieder aufs Neue gemerkt. Sie konnte einfach nichts gegen ihn ausrichten. Corvus Grindelwald war einfach zu stark. Und wer war sie schon? Der Zwilling, der niemals hätte geboren werden sollen und nun der Erbe einer der mächtigsten Namen, in der Geschichte der Zauberei.

Mit einem unguten Gefühl musterte sie ihre Arme, die mit ihrem blassen Hautton einen krassen Kontrast zu dem Rest von ihr stellte, der in schwarzen Stoff gehüllt war. Felice schluckte. Die Narben entblößt... Etwas worauf man stolz sein sollte würde ihr Vater nun wahrscheinlich sagen.

Ohne einen Blick in den Spiegel zu werfen, der ja sowieso zerbrochen war, verließ sie das Zimmer. Ihre Schritte hallten von den steinernen Wänden wieder. Sie passierte unzählige Türen, keine einzige davon hatte sie je offen gesehen. Allessamt waren sie verschlossen und wenn Felice ehrlich war wollte sie auch gar nicht wissen was dahinter lag.

Mit ängstlichen Schritten betrat sie den Frühstückssalon. Am Kopfende der langen Tafel hatte bereits ihr Vater Platz genommen und blätterte gelangweilt den Tagespropheten durch. Als Corvus ihr eintreten bemerkte, deutete er mit einer abfälligen Kopfbewegung auf den Platz neben ihm. Wohl oder übel musste sie sich auf diesem Platz niederlassen. Kaum hatte Felice sich gesetzt, wurde ihr auch schon das Essen von einem uralten, böse guckenden Hauselfen gebracht. Kaum einer der Hauselfen war so freundlich wie Winny es war. Schweigend begann sie zu essen. Die einigen Geräusche waren das stete umblättern der Zeitung und das Kratzen ihre Bestecks über den Teller.

>>Wo ist Mutter?<< fragte sie irgendwann und sah auf.

>>Das hat dich nicht zu interessieren.<< antwortete er kalt. Kaum hatte er seinen Satz ausgesprochen, wurde die großen Flügeltüren auf der Rückseite des Salons aufgestoßen. Normalerweise saß ihr Vater nie mit dem Rücken zu den Türen, aber diese Tür war seine Tür. Sie führte in seine eigenen Privaten Gemächer, zu denen nur er und seine engsten Vertrauten Zutritt hatten. Nicht einmal Alexia, seiner Frau, war es gestattet diese Türen zu öffnen und über deren Schwelle zu treten.

Ein alter gebückter, kleiner Mann mit einem Buckel trat heraus. Sein Gesicht entstellt mit Narben und abstoßenden Verformungen der Nase und dem linken Auge.

Quasimodo. Eine Roman Figur der Muggel, der oben im Glockenturm der Notre Dame in Paris lebte und dort als Glöckner arbeitete. Seine einzigen Freunde waren die Wasserspeier der Kathedrale.

Wie sie auf einmal auf diese Geschichte kam, überraschte sie. Und auch woher sie sie eigentlich kannte, wusste sie auch nicht. Der Mann kam auf sie mit seinen kurzen krummen Beinen zu geschlurft, wobei er das eine leicht nachzog. In seinen Händen trug er, wie einen heiligen Gral, einen silbernen kleinen Becher auf dem das Familien Wappen geprägt war. Ihr Vater hatte sein kommen gehört, denn er legte Augenblicklich die Zeitung zur Seite und sah stur geradeaus. Seinen Diener der von der Seite kam, würdigte er keines Blickes.

>>Meister.<< krächzte die Stimme des Mannes, wie eine rostige Kette. In ihr lag ein Akzent, den Felice nicht zuzuordnen wusste. Sie senkte den Blick und tat so als würde sie weiter essen.

>>Meister. Das flüssige Glück, des Meisters für die edlen Ziele, das reine Blut, die Auferstehung der Zauberer. Möge es euch nicht leiten sondern euch weisen, dem Licht der Zukunft entgegen zu gehen. Das Schicksal des einen, für die Zukunft und das Wohl eines jeden. Für das größere Wohl, mein Meister, Herr und Gebieter.<<

Nun endlich wandte Corvus den Blick zu seinem Diener. Seine kalten Eisblauen Augen schienen ihn gleich zu durchbohren. Ehrfürchtig senkte der alte das Haupt und reichte Corvus den Becher, dieser nahm ihn entgegen. >>Du kannst gehen Charon.<<

Der angesprochene verneigte sich erneut und schlurfte wieder zurück zu den Türen, aus denen er gekommen war, aber Felice glaubte noch gesehen zu haben wie seine Augen aufglühten als er Corvus den Becher reichte. Sie konnte nicht sagen was es gewesen war, aber Ehrerbietung ganz bestimmt nicht. Die Türen schlugen zu und Felice glaubte wieder atmen zu können, sie hatte gar nicht bemerkt wie sie die Luft angehalten hatte. Ein unangenehmer schauder überlief sie. Sie starrte stur auf ihren Teller.

Felice wusste, was dieses unheimliche Ritual zu bedeuten hatte...

Felix Felicis.

Der Trank der auch Flüssiges Glück genannt wurde.

Jeden Morgen erhielt ihr Vater solch einen Becher. Wie lang er diesen Trank schon konsumierte, wusste sie nicht. Nie zeigte er Empfindungen die mit Freude oder Glück zu vergleichen waren. War die Dauer seines Konsum mit ausschlaggebend, für seinen Wahnsinn oder war er schlichtweg Immun dagegen, einfach weil er nicht in der Lage war Glück, Freude und Liebe zu empfinden?

Professor Slughorns warnende Worte, als er ihnen im Unterricht erklärte, was für grausame Folgen dieser Trank haben konnte, hallten durch ihren Kopf.

Felix Felicis.

Felix Astor Grindelwald und Felice Astoria Grindelwald.

Benannt nach dem Trank des Glücks, hätten sie das Glück ihres Vaters werden sollen, zumindest Astor. Und Glück auch nur im übertragenen Sinne. Mehr hätten sie beide die Schlüssel zum Sieg sein sollen.

>>Auf ein neues.<< Corvus erhob sich und hob den silbernen Becher. Sofort erhob sich auch Felice von ihrem Platz und hob ihr Glas. >>Für das größere Wohl.<< und damit kippte er den Inhalt des kleinen Bechers hinunter.

Als er wieder Platz nahm leuchtete in seinem Mundwinkel ein winziger goldener Tropen auf. Es widerte Felice einfach an.

Die Erbin GrindelwaldsWhere stories live. Discover now