Kapitel 6

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Ich hatte Schwierigkeiten, nicht wütend zu werden. Tatara Totsuka, wie er sich mir jetzt auch vorgestellt hatte, ging mir wirklich auf die Nerven. Naja eigentlich kannte ich ihn ja schon vom Sehen. Aber egal. Sogar Mikoto wirkte ein bisschen genervt. "Totsuka, hör auf, sie auszufragen", grummelte er schließlich und Totsuka-San grinste ihn an. "Entschuldige King. Aber irgendwie ist sie doch ganz süß oder nicht?", meinte er grinsend. Daraufhin bekam er von mir eine Ladung Gemecker ab und von dem Roten König einen Schlag auf den Kopf. Mitleid hatte ich aber nicht. Er war selber Schuld.

Ich seufzte, während Tatara jammerte. "Roter König... Ich möchte endlich Gewissheit. Warum habt ihr mich von Scepter 4 weggeholt?", fragte ich schließlich und schaute ihn, so ernst ich konnte, an. Nur gab es da ein kleines Problem... Wie auch bei den letzten paar Malen konnte ich meinen Blick nicht mehr von ihm abwenden. Nicht nur die Tatsache, dass seine bernsteinfarbenen Augen und die roten Haare ein harmonisches Bild abgaben, es war auch einfach... wegen Mikoto selbst... Ich schüttelte innerlich den Kopf und riss mich zusammen, wie peinlich war das denn bitte?

"Mikoto", verbesserte er mich und überlegte eine Weile. "Du warst im falschen Clan", meinte er dann. Erklären war wohl nicht so seine Stärke. Und was meinte er mit 'falscher Clan'? "Das ist alles!? Du spinnst doch! Ich hab mich bei Scepter 4 sehr wohlgefühlt!", meckerte ich ihn verärgert an und verschränkte beleidigt die Arme vor der Brust. "Und was war mit Munakata?", unterbrach er mich. Ich zuckte zusammen. Stimmt... In letzter Zeit sollte ich ständig nur in Begleitung raus gehen... Widerwillig musste ich mir eingestehen, dass er recht hatte. Obwohl ich gerne wüsste, woher er das wusste.

Ein paar Minuten lang starrte ich ihn nur böse an, dann konnte ich einfach nicht mehr und schaffte es gerade so zu verhindern, dass ich wieder einer Tomate Konkurrenz machen konnte. Er hatte recht. Und meine Vergangenheit machte es nicht besser. "Du hast es nie verstanden, Suoh...", murmelte ich kaum hörbar vor mich hin und wandte mich seufzend meinem Buch zu. Dann bemerkte ich plötzlich wieder die angenehme Wärme hinter mir und klappte das Buch zu. "Denk gar nicht erst dran", meinte ich genervt zu ihm.

Dieses mal war es Mikoto, der leise seufzte und mich mit zur Couch zog, dann nahm er mir das Buch aus der Hand und setzte sich mit mir wieder hin. "Was wird das jetzt?", fragte ich äußerst genervt. "Du machst jetzt erstmal eine Pause", bekam ich zur Antwort und beobachtete erstaunt, wie der Rote König und Kusanagi-San allein durch Blicke miteinander kommunizierten. Dann fiel der Groschen und ich warf dem Barkeeper einen gereizten Blick zu. Er musste Mikoto erzählt haben, dass ich während seiner Abwesenheit nichts gemacht hatte außer zu Arbeiten.

Ich verschränkte wieder die Arme und wartete, bis Mikoto mich wieder aufstehen lassen würde. Zumindest war das der Plan... Aber irgendwie klappte es nicht und außerdem war es irgendwie unangenehm und angenehm zugleich, direkt neben ihm zu sitzen. Ich bemerkte so langsam auch, wie müde ich eigentlich war und die angenehme Wärme von Mikoto machte es nicht besser, im Gegenteil. Es fiel mir echt schwer, die Augen offen zu halten...

*Sicht Mikoto*
Es fiel mir nicht leicht, die Kleine zu zwingen, mit dem Lesen aufzuhören, aber sie war definitiv überarbeitet, auch wenn sie es selbst nicht bemerkte. Nach ein paar Minuten war sie auch endlich eingeschlafen. "Ich hab oben noch ein paar Zimmer frei, da kann sie erstmal schlafen", schlug Kusanagi leise vor. Da mir in der momentanen Situation nichts besseres einfiel und ich sowieso wollte, dass das Mädchen sich endlich mal eine Pause gönnt, brachte ich die Kleine nach oben in eines der freien Zimmer und deckte sie vorsichtig zu, ehe ich die Gardinen zuzog und sie in Ruhe ließ.

Totsuka schaute mich neugierig an. Meistens war er ziemlich... Sagen wir mal aufdringlich und fröhlich, aber in ernsten Situationen wusste auch er sich zu benehmen. "Schläft sie?" Ich nickte nur, aber er verstand auch so. Die Kleine sollte jetzt erstmal ihre Ruhe haben. "Sie ist dir sehr wichtig, oder King?", fragte er weiter. "Wie kommst du darauf...", gab ich genervt zurück. Ich hatte jetzt wirklich keine Lust, darüber zu reden und außerdem war mir mittlerweile wieder eingefallen, woher sie mir so bekannt vorkam.

Die Arme hatte es wirklich nicht einfach und allein bei dem Gedanken, dass die Macht, die ihre Eltern damals umgebracht hatte nun an mich übergeben worden war, ließ sogar mir einen kalten Schauer über den Rücken laufen, dabei wurde mir so gut wie nie kalt. Ich wusste aber auch, dass sie sich in der Schule bis zur selben Jahrgangsstufe hochgekämpft hatte, in der ich zu der Zeit war und soweit ich mich erinnerte, war sie sogar in mich verliebt gewesen. Damit war sie zwar nicht die einzige, aber bei ihr war das ganze ein bisschen anders...

Je mehr ich darüber nachdachte, desto mehr verschlechterte sich meine Laune. Also ließ ich es sein und hörte Totsuka ein bisschen zu, während er auf seiner Gitarre spielte. Das konnte er wirklich sehr gut und es beruhigte mich. Irgendwann verschwanden Yata und Rikio nochmal nach draußen und Anna hatte schon die ganze Zeit auf der anderen Couch gesessen und war eingeschlafen. Totsuka hatte sich den Jungs angeschlossen, nachdem er zuende gespielt hatte und bis auf Kusanagi, Anna und mich - und die Kleine, die oben schlief - war niemand mehr da.

Ich war mittlerweile auch schon wieder ziemlich müde und schaute zu Kusanagi. Dieser verstand sofort und stellte mir noch etwas zu trinken auf den Tisch. "Du könntest auch mal ein paar Minuten Pause machen", bemerkte ich, als er wieder zum Tresen gehen und weiter Gläser polieren wollte. Das ihm dabei nicht langweilig wurde... "Sicher? Ich weiß ja, dass du es gerne magst, den Platz auf der Couch für dich zu haben", meinte er schmunzelnd. "Halt die Klappe...", gab ich ihm genervt zur Antwort. Er schmunzelte jedoch nur und lehnte sich dann an die Lehne von der Couch an.

"Du, Mikoto... So langsam kannst du dir echt gar keine Ruhe mehr gönnen, oder?", wollte er nach ein paar Minuten Stille wissen. Genervt schaute ich aus dem Augenwinkel zu ihm. "Wieso das denn...", meinte ich nur. "Du weißt, wie ich das meine. Die Jungs brauchen dich. Lass das Munakata erledigen. Nur dieses eine Mal", meinte er ernst. Ich war ziemlich genervt, jetzt ging das wieder los... "Du weißt ganz genau, dass das Munakata überhaupt nichts angeht. Und jetzt hör auf mich zu nerven", entgegnete ich genervt und legte mich hin. Ich hörte Kusanagi nur noch etwas vor sich hin murmeln, dann war ich auch schon selbst eingeschlafen.

*Sicht Yumi*
Ich schlug die Augen auf und starrte an die rote Decke. Rot? Moment mal... Wo war ich denn hier gelandet!? Verwirrt setzte ich mich auf. Ein schönes Zimmer. In schlichten und doch sehr warmen Rottönen gehalten. Das Bett, auf dem ich vorhin gelegen hatte und jetzt saß, war weich und bequem und die Decke schön warm. Aber wie war ich denn hierher gekommen? Hm, mal überlegen... Ach ja richtig, das war ja Suoh's Glanzidee... Aber ich musste mir schnell eingestehen, dass er recht hatte. Der Schlaf hatte mir gut getan und ich fühlte mich besser. Aber ich stellte auch fest, dass ich wohl echt überarbeitet war, als ich auf die Uhr schaute. Neun Uhr morgens. Toll.

Ich stand auf und band mir erstmal meine Haare zu einem Zopf zusammen, dann öffnete ich die Tür und ging den Flur entlang, bis ich an einer Treppe ankam. Diese ging ich hinunter. Ich verließ mich wie immer auf mein Bauchgefühl, wenn mir nichts besseres einfiel. Somit überraschte es mich nicht wirklich, dass ich mich in der Bar wiederfand, nachdem ich die letzte Stufe runter gegangen war. Kusanagi-San begrüßte mich freundlich und stellte mir ein Glas Wasser hin, dazu hatte er ein paar Sandwiches für mich gemacht.

Ich setzte mich auf einen der Barhocker und nahm erstmal einen großen Schluck von dem Wasser, bevor ich mich hungrig auf die Sandwiches stürzte. "Guten Morgen, Yumi-Chan", begrüßte Kusanagi-San mich belustigt. Ich antwortete ihm nur mit einem erfreuten Blick, da mein Mund voll war und mit vollem Mund spricht man nicht.

Überraschenderweise hatte ich mich sehr schnell mit der Situation abgefunden, in der ich mich gerade befand. Aber verzeihen konnte ich dem Roten König trotzdem nicht. Zumindest noch nicht, bisher hielt ich mir selbst noch stand. Besser gesagt, bis jetzt hielt ich meinen eigenen Gefühlen noch stand. Das war zwar mega peinlich, aber ich wollte nun mal nicht, dass Suoh sich daran erinnerte.

Während ich an meinem Sandwich knabberte, vernahm ich Schritte und schaute zur Treppe. Totsuka-San und Anna-Chan kamen beide gleichzeitig herunter und begrüßten uns. Totsuka-San wie immer auf seine fröhliche Art, die kleine Lolita schaute mich und Kusanagi-San nur kurz an, aber ich verstand schon.

"Ist der King noch nicht wach?", fragte Tatara neugierig. Kusanagi-San lachte leise. "Du weißt doch, wie er ist. Aber lass ihn schlafen, es ist Wochenende und außerdem hat er endlich mal durchgeschlafen", meinte er dann. Verwundert horchte ich auf. "Wie meinst du das, Kusanagi-San?", fragte ich vorsichtig. Wer wusste schon, ob es mich überhaupt etwas anging. "Ist nicht so wichtig... Tatara!", meinte er und bemerkte dann, wie der - Hobby - Gitarrist nach oben rannte. Na toll.

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