Kapitel 9

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Es war bereits halb acht, als ich die Bar betrat und Kusanagi-San begrüßte. Allerdings sah der etwas unglücklich aus. Als ich mich im Raum umsah, verstand ich auch, warum. Mikoto war bereits zurück. Dabei hatte Izumo doch gesagt, er würde erst in einer halben Stunde wiederkommen... Wie man es auch dreht und wendet, ich hatte jetzt ein ganz großes Problem. Noch blöder war aber, dass mein Herz mal wieder anfing vor Nervosität schneller zu schlagen.

Mit unangenehmen Gefühl brachte ich meine Sachen nach oben und setzte mich dann an die Theke. Bis jetzt hatte Suoh immer noch kein Wort gesagt. Anna-Chan saß neben Totsuka-San, der auch alles andere als fröhlich aussah, wie sonst immer, und zu seinem König schaute. Ich atmete tief durch und hoffte, dass es niemanden aufgefallen war. Und ich hatte ausnahmsweise sogar Glück. "Wie lange willst du denn noch so still dasitzen, King?", brach Tatara schließlich das Schweigen. Ich schaute verwundert zu ihm, was wollte er denn damit sagen? "Totsuka!", zischte Izumo ihm zu und schüttelte eindringlich den Kopf. Aber das nützte nichts.

Nun schauten alle zum roten König und warteten darauf, dass er endlich mal etwas sagte. Und so langsam hatte auch ich keine Lust mehr. "Wenn nichts ist, gehe ich jetzt. Und geht mir ja nicht auf die Nerven", meinte ich gereizt und wollte gerade die Treppe hoch gehen, als der rote König schließlich doch sein Schweigen brach. "Warte" Genervt drehte ich mich um. "Was?" Es war mir relativ egal, ob ihm der Ton passte oder nicht. Ich war einfach genervt. So wie manch andere von meinen schnellen Stimmungsschwankungen, aber egal, dass war jetzt unwichtig.

Zu meiner Überraschung erhob sich der rote König und sein Blick machte mich nervös. Nach ein paar Minuten schaute ich weg. Und es dauerte auch nicht lange, da wurde ich auch schon wieder rot. Knallrot. Dem durchdringenden Blick des roten Königs konnte ich einfach nicht standhalten - zum Teil lag dies ja auch an meiner Vergangenheit... Ob Suoh wusste, wie sehr mich die ganze Geschichte von damals belastete? Ich hoffe mal nein, das wäre sonst mega peinlich. Und wie sollte das dann überhaupt funktionieren? Wir waren schließlich Feinde. Besser gesagt, ich gehörte ja zu der Gruppe an Menschen, die die roten nicht ausstehen konnten und umgekehrt ebenso. Rot mochte Blau nicht und Blau mochte Rot nicht. Oder um es genauer zu sagen: Scepter 4 und Homra kamen nicht miteinander klar.

"S-sag schon...", nuschelte ich mit hochrotem Kopf, aber schaute ihn nicht an. Es war mir einfach zu peinlich. Nach ein paar Minuten Stille kam aber nichts mehr und er setzte sich wieder hin. Was sollte das denn werden? Ich vermutete mal, er hatte irgendeine dumme Idee und es sich dann doch anders überlegt. Jedenfalls hatte ich jetzt wegen dieser unnötigen Aktion einen sehr hohen, durch Nervosität entstandenen Puls, war immer noch rot und peinlich berührt. Vielen Dank Suoh. Nicht.

Ich seufzte stumm und verschwand in mein Zimmer, warf mich aufs Bett und vergrub mein Gesicht in einem Kissen. Dieser Idiot! Warum musste der eigentlich immer noch solche Aktionen abziehen? Das half mir nicht weiter! Stumm schnappte ich mir mein Buch und machte das, was ich sowieso fast 24/7 machte: Lesen. Also sofern ich nicht arbeitete. Irgendwie konnte ich mich damit ablenken und auf andere Gedanken kommen. Aber das noch drohende Gespräch, dass ich leider unbedingt mit Mikoto führen musste, belastete mich trotzdem.

Schließlich notierte ich mir das neu aus dem Buch erfahrene auf einem weiteren Blatt voller Notizen - das war übrigens schon Blatt Nummer 24 - und packte es sauber und ordentlich wieder in meine Notizmappe zurück. Das Buch legte ich zu den anderen fünf, sechs Stück und selbst zog ich mich um, damit ich wieder etwas frischer aussah. Vielleicht tat es mir jetzt doch etwas gut, das direkte Gespräch zu suchen. Ich kam ja sowieso nicht drum herum. Aber bevor ich den Raum verließ, holte ich nochmal das alte Schulfoto aus meiner Tasche und schaute es mir Gedanken verloren an.

"Ist schon ziemlich lange her... Und trotzdem hast du immer noch nicht mit deiner Vergangenheit abgeschlossen, Yumi", wurde ich plötzlich aus meinen Gedanken gerissen und starrte den roten König geschockt an. Im nächsten Moment wurde ich echt sauer. Der hatte sie doch nicht mehr alle! "Sag mal spinnst du!? Klopf gefälligst an, bevor du einfach reinkommst!", fuhr ich ihn gereizt an. "Du hast ja nicht geantwortet", gab Mikoto gelassen zurück und ich warf mich mit dem Bild wieder so aufs Bett, dass ihm nichts anderes übrig blieb, als mit dem Stuhl vorlieb zu nehmen. Selber schuld, roter König.

"Ich hätte auch schlafen können, du Idiot...", murmelte ich leise und nahm wieder ein Kissen zur Hand. Suoh sollte es endlich mal begreifen und mich in Ruhe lassen!... "Hast du aber nicht", bemerkte er belustigt. "Wie witzig...", murrte ich beleidigt. "Jetzt hör schon auf, die beleidigte Leberwurst zu spielen", entgegnete der rote König etwas genervt. Verwundert schaute ich ganz kurz zu ihm, seit wann sagte er denn sowas? Aber trotzdem verzeihte ich ihm nicht. "Du bist selber schuld...", nuschelte ich mit hochrotem Kopf und hoffte, dass das Kissen mich davor beschützen würde, dass es Mikoto auffiel.

Ich seufzte stumm und setzte mich auf, nachdem ich mich wieder beruhigt hatte und der rotschimmer aus meinem Gesicht verschwunden war.
"Und was willst du jetzt von mir? Außer mir zu sagen, dass ich nicht nach Hause darf"
"Du hast dich echt kein Stück verändert..."
"Musst du gerade sagen...", nuschelte ich leise. Ich fragte mich echt, wie dieser Idiot es ständig hinbekam, dass mein Herz immer wieder aufs neue anfing, schneller zu schlagen, sobald er in der Nähe war. Auf Dauer konnte das doch nicht gesund sein und ich wollte nicht nochmal das gleiche wie damals erleben müssen.

"Sag schon, was willst du von mir?", wiederholte ich meine Frage und schaute nun doch zu ihm. Irgendwie gelang es mir, relativ ruhig zu bleiben. "So langsam solltest du deine Vergangenheit hinter dir lassen und endlich einen Schritt nach vorne machen. So wie jetzt kann es nicht ewig weitergehen", meinte Mikoto ernst. Ich schwieg. Er verstand es einfach nicht. Ich war nicht stark genug. Und das ich wohl immer noch verknallt war, machte die Situation nur noch schlimmer.

"Was weißt du denn schon... Halt dich nicht mit meinen Problemen auf, das geht dich nichts an", meinte ich gereizt und wollte ihn am liebsten einfach rausschmeißen. Ich hasste dieses Thema, zumindest das sollte er so langsam mal verstanden haben. "Da irrst du dich... Anna hat in dir ein loderndes Rot gesehen, was bedeutet, dass sich eine flammende Kraft in dir verbirgt. Bei Scepter 4 bist du nicht gut aufgehoben...", meinte Suoh und schien zu überlegen. Ich konnte mir schon denken, worüber er nachdachte und schüttelte heftig den Kopf.

"Keine Chance, roter König. Ich werde bei Scepter 4 bleiben, denn auch ich besitze eine gewisse Ehre und Stolz, den ich mir nicht nehmen lasse. Und ich werde deinem Clan in hundert Jahren noch nicht beitreten, vergiss es", entgegenete ich todernst und stand auf, holte mein Schwert aus dem Schrank und setzte mich wieder hin. "Munakata-San hat es mir damals gegeben... Ich werde ihn nicht enttäuschen, ich kann es nicht. Verstehst du das oder muss ich dir das auch genauer erklären?", fügte ich dann noch ein bisschen ruhiger hinzu.

Diese Antwort schien dem roten König nicht so wirklich zu gefallen, was ich daran festmachte, dass er sich selbst in seine Aura hüllte.
"Wie war das gerade?..."
"Du bist wohl nicht ganz dicht, roter König"
"Du solltest auf deine Wortwahl achten..."
"Pass du lieber auf, das du hier nichts anbrennst", meinte ich nur und ignorierte die Tatsache, dass er verärgert war. Ich hatte keine Angst und auch keine Zeit für sowas. Wenn Suoh hier randalieren wollte, dann bitte. Nicht mein Problem.

Zu meiner Überraschung beruhigte er sich aber relativ schnell wieder. "Das hat keinen Sinn... Und die Frage, wieso du bei dem Kampf letztens nicht umgekippt bist, ist auch immer noch nicht geklärt", stellte er fest. Herzlichen Glückwunsch du Blitzmerker... "Wenn das alles ist, dann verschwinde jetzt bitte", meinte ich nur und hoffte, dass der rothaarige mich jetzt in Ruhe lassen würde. Aber eigentlich konnte ich meine Hoffnung auch gleich aufgeben, natürlich verzog er sich nicht. Im Gegenteil: Es kam sogar noch schlimmer.

Dadurch, dass ich mich jetzt nur normal hingesetzt hatte, war jetzt auch viel mehr Platz auf dem Bett, was ich feststellte, als ich die angenehme Wärme direkt neben mir bemerkte und erst kurz danach realisierte, dass Mikoto sich - mal wieder - neben mich gesetzt hatte. Ich geriet ins Grübeln, was mich glücklicherweise auch etwas davon ablenkte, wie peinlich es mir war, dass der rote König direkt neben mir saß. Glaubte er möglicherweise, mir etwas wegen damals schuldig zu sein? Für den ehemaligen roten König konnte er doch auch nichts, so blöd war ich nun auch wieder nicht.

Aber ein großes Problem hatte ich trotzdem: ich war gut 20cm kleiner als er - mindestens! Und das machte die Situation natürlich auch nicht besser. Im Gegenteil. Kaum dachte ich wieder daran, schlug mein Herz mal wieder vor Nervosität schneller und ich war ziemlich rot im Gesicht, aber versuchte so gut es ging, es zu verbergen. Das war aber alles andere als einfach und obwohl ich es mir nicht eingestehen wollte, war die Wärme des roten Königs sehr angenehm. Und auch jetzt ging meine Pechsträhne wieder weiter, was kurz gesagt bedeutete, dass ich tatsächlich an Mikoto angelehnt eingeschlafen war... Das konnte ja heiter werden, warum zur Hölle war ich bloß ständig so müde?...

☑[K] Zwischen Chaos, Ordnung & der Liebe✅Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt