Kapitel 12

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Am nächsten Tag erwachte ich erst gegen halb elf. Das war meiner Meinung nach spät. Viel zu spät. Aber nach der Aktion gestern Abend... Wenigstens haben wir Sonntag. Da musste ich nicht arbeiten. Eigentlich. Aber was anderes konnte ich ja sowieso nicht machen. Also schnappte ich mir mein Buch, ein neues Notizblatt und einen Stift und zog mich um, bevor ich im Jogginganzug - ja, auch Frauen, die bei Scepter 4 arbeiten, dürfen sowas tragen - über die Treppe in die Bar runter kam.

Kusanagi-San begrüßte mich freundlich und Totsuka-San, der auch schon wach war, stellte mir einen selbstgemachten Tee hin. Von Kusanagi-San gab es zum Frühstück wieder einmal Sandwiches. "Wie hast du geschlafen, Yumi-Chan?", fragte Totsuka-San neugierig und grinste mich mit seiner typisch fröhlichen Art an. "Wie man's nimmt...", murmelte ich abwesend und klappte leise seufzend das Buch zu, als ich wieder einmal bemerkte, dass Mikoto hinter mir stand und mich - wie immer eigentlich - am Lesen hindern wollte, während ich am essen war. Ich war aber Multitasking fähig, nur zur Info, roter König.

"Ich hab's zugemacht. Könntest du jetzt bitte gehen?", murrte ich und warf ihm einen genervten Blick zu. Und tatsächlich ließ er mich in Ruhe. Was war denn das? Egal, ich beschloss, mir später darüber den Kopf zu zerbrechen, jetzt erstmal zu frühstücken und dann zu lesen. Gesagt getan. Nachdem ich fertig war, machte ich es mir auf der einen Couch bequem und fing wieder an zu lesen. Ich wurde aber erneut gestört, als sich die Tür der Bar öffnete und Seri-Chan hereinkam. War jetzt schon geöffnet? Verwundert schaute ich hoch und lächelte, als ich sie erkannte.

"Du bist aber früh dran, Seri-Chan", bemerkte Izumo schmunzelnd und schien schon genau zu wissen, was sie wollte. "Du hast doch gesagt, es sollte wenn, dann nicht zu spät sein. Guten Morgen übrigens", meinte sie und nickte Totsuka kurz zu, der sogar sie angrinste. Das von Mikoto nichts kam, bedeutete wohl, dass ich mal wieder nicht mitbekommen hatte, dass er abgehauen war. Anna-Chan war ebenfalls nicht mehr da. Ich schaute mich kurz um und meine Vermutung bestätigte sich anscheinend.

"Was machst du hier, Seri-Chan?", fragte ich und schaute sie interessiert an. "Tja weißt du... Jetzt wo der rote König nicht da ist, könntest du ruhig wieder zurück kommen", meinte sie schmunzelnd. "Im Ernst? Mikoto wird bestimmt sauer, wenn er das mitbekommt", bemerkte ich nachdenklich. "Vielleicht, aber das ist immer noch besser, als wenn Munakata hier plötzlich reinplatzt", bemerkte Izumo und schmunzelte ebenfalls. Hatten die beiden das geplant?

Ich schwieg und nickte nur. Irgendwie war meine Meinung gespalten... Einerseits wollte ich natürlich mit zurück, andererseits hatte ich hier noch etwas zu erledigen. "Und? Was meinst du, Yumi-Chan?", fragte Izumo nach ein paar Minuten. "...Einverstanden. Aber bitte sag Mikoto nichts davon. Am besten lügst du und sagst, ich sei heimlich abgehauen", meinte ich leise. Etwas verwundert schaute der Barkeeper mich an, nickte dann aber zu meinem Glück und Seri-Chan half mir beim einpacken. Jetzt mussten wir nur noch das Glück haben, nicht vom roten König erwischt zu werden.

Aber naja, mittlerweile dürfte jedem klar sein, wie das mit mir und dem Glück so war. Wir vertragten uns nicht. Und somit wurde ich natürlich mitten auf der Straße von ihm beim abhauen erwischt. Das einzige gute war, dass Seri-Chan und ich uns so aufgeteilt hatten, dass ich nur noch so kleinere Sachen mitnehmen und keine große Tasche mit mir herumschleppen musste. "Yumi... Wo willst du hin?", fragte er misstrauisch und musterte mich genauer. Schon klar. Der Trick schon wieder. Ich riss mich zusammen und blieb eisern.

"Das geht dich nichts an", gab ich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. Ich hatte ja schon vor, abzuhauen. Einen Rückzieher machen war also nicht mehr drin. Ich hörte den roten König genervt ausatmen und wartete darauf, mit welchem Unsinn er mich dieses mal abhalten wollte. Außerdem durfte man nicht vergessen, dass ich sogar seine Clansman angegriffen hatte.

"Kommt nicht infrage. Komm jetzt", meinte er, aber ich schüttelte den Kopf. "Vergiss es. Ich will zurück nach Hause, klar? Und außerdem bin ich kein kleines Mädchen. Nur weil der vorherige rote König scheiße gebaut hat, heißt das nicht, dass ich einen 24/7 Aufpasser brauche. Ich bin eine erwachsene Frau, nur zur Information!", beschwerte ich mich anschließend. "Und du glaubst allen ernstes, Munakata lässt dich in Ruhe?"
"Der kriegt das nachher auch noch zu hören"
"Weil du dich das auch traust..."
"Ich... Ach halt die Klappe und mach Platz!", zischte ich und funkelte ihn gereizt an. Zumindest war das der Plan. Aber irgendwie... Nein, nicht weich werden, sonst geht das hier wieder von vorne los!

Ich wartete nicht auf eine Reaktion, sondern ging einfach an ihm vorbei. "Yumi... Sollte etwas sein, dann melde dich" Ich riss die Augen auf und starrte ihn kurz überrascht an. Und natürlich wurde ich direkt wieder rot. Was fiel diesem Kerl eigentlich ein, mich so durcheinander zu bringen? Der hatte sie doch nicht mehr alle! Schnell schüttelte ich den Kopf und ging weiter in Richtung Hauptquartier von Scepter 4. Bloß nicht dran denken, dann klappt das schon... Das hoffte ich zumindest.

*Sicht Mikoto*
Nachdenklich sah ich der Kleinen nach, aber ich wusste, sie jetzt wieder zurück zu holen, würde die Situation nicht besser machen. Sie war komplett durcheinander, sowohl seelisch als auch allgemein. Wenn sie doch nur begreifen würde, dass ich ihr helfen wollte. Munakata verstand überhaupt nichts. Bei ihm war sie nicht sicher. Ich musste ihr irgendwie beweisen, dass sie mir vertrauen konnte. Bevor Munakata auf die dumme Idee kam, die Kleine komplett einzusperren.

Genervt betrat ich die Bar von Kusanagi, die man durchaus auch als mein, Kusanagis, Yatas und Annas Zuhause beschreiben konnte. "Und wie ist es gelaufen?", fragte mein Stellvertreter und stellte mir erstmal was zu trinken hin. Als wüsste er bereits, dass ich mich mit Yumi gestritten hatte. "Du hast sie also freiwillig gehen lassen... Ich hab euch doch gesagt, dass sie bei Munakata nicht sicher ist", entgegnete ich gereizt. "Der blaue König wird wissen, dass du erstmal in Alarmbereitschaft bist, Mikoto. Also entspann dich, soweit wird er schon nicht gehen", meinte er gelassen und polierte weiter seine Gläser.

"Du scheinst dir ja sehr sicher zu sein... Aber es gefällt mir trotzdem nicht, dass sie jetzt wieder bei den Blaujacken ist", murrte ich genervt. "Sie wollte aber unbedingt zurück, Mikoto-San", mischte Yata sich jetzt auch noch ein. "Also mich stört das nicht wirklich, die hatte mich gestern sogar angegriffen", meinte Chitose gleichgültig. So langsam hatte ich die Schnauze voll. "Ruhe jetzt!" Sofort war es still. Und doch fragte ich mich schon, warum es mir so wichtig war, wie es der kleinen ging. War das wirklich nur wegen diesem Vorfall von vor ein paar Jahren?...

*Sicht Izumo*
Als die anderen auch noch anfingen, sich alle einzumischen, war Mikoto fast davor, auszurasten. "Ruhe jetzt!", donnerte seine Stimme schließlich durch den ganzen Raum und jeder hielt sofort den Mund. Diese Idioten... Sie mussten sich doch nicht einmischen. Ich stellte die restlichen Gläser weg und bat Tartara, mir beim Mittagessen zu helfen, um zumindest ihn davon abzuhalten, auch noch Ärger zu bekommen.

Yata-Chan hatte es mittlerweile auch übertrieben und von Mikoto eine Strafe in Form eines Schlags auf den Kopf bekommen. Ich schüttelte den Kopf und holte schon mal Teller und Besteck aus dem Schrank. "Wer möchte alles etwas essen?", fragte Tartara fröhlich und versuchte natürlich, die Stimmung zu heben. Er war wirklich ein guter Junge, auch wenn er sich vielleicht ein bisschen mehr zusammenreißen sollte. Vor allem in Situationen wie dieser zum Beispiel.

☑[K] Zwischen Chaos, Ordnung & der Liebe✅Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt