Kapitel 28

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Es vergingen Minuten und keiner sagte etwas. Seri-Chan und Kusanagi-San waren wahrscheinlich am überlegen, so kannte ich die beiden. Ich riskierte einen Blick nach hinten und schaute gleich wieder mit roten Wangen weg. Musste er mich so ansehen? Das war nicht witzig! "Warum machst du das eigentlich?...", fragte ich leise und beobachtete, wie meine Wunden langsam verheilten und die Schmerzen nachließen. Vorhin hatte es noch gebrannt wie die Hölle, aber mittlerweile tat es nicht mehr so weh. Das mein Herz immer noch vor Nervosität schneller schlug, versuchte ich so gut es ging zu ignorieren. Einfach war das aber nicht.

Mikoto schwieg. Toll, danke fürs Gespräch. "Weiß ich nicht...", meinte er schließlich, aber mit dieser Antwort hatte ich nicht gerechnet. Dann stellte ich auch fest, wie müde ich durch die bescheuerten Nachtschichten war und konnte ein Gähnen nicht unterdrücken. "Vielleicht solltest du hierbleiben und dich ausruhen, Yumi-Chan", schlug Kusanagi-San vor. Ich schüttelte hastig den Kopf. "Nichts da. Ich bin dienstlich verpflichtet, das müsst ihr nicht verstehen", meinte ich stur und verschränkte die Arme vor der Brust.

"Ich bin sicher, dass der Vorsteher es verstehen wird", meinte Seri-Chan und ich sah sie fassungslos an. Was sollte das? Sie wusste doch ganz genau, dass ich mich von Homra distanzieren wollte! Aber das konnte ich jetzt natürlich nicht sagen. Es wäre unfair und außerdem heilte Mikoto sogar meine Verletzungen, obwohl ich mich schon länger weigerte, meinen Gefühlen nachzugeben. Ich konnte es einfach nicht. Aber vernünftig war das natürlich auch nicht.

"Gute Idee...", brummte Mikoto zustimmend. "Nichts da...", fing ich meinen Satz an, verstummte aber und wurde wieder rot, als ich spürte, dass er mich sanft etwas mehr an sich heran zog. Wenn ich doch nur wüsste, ob Mikoto nur mit mir spielte oder es doch ernst meinte, verdammt nochmal! Diese Ungewissheit machte mich noch wahnsinnig. Izumo hingegen schmunzelte nur und ich warf ihm und Seri-Chan einen vernichtenden Blick zu. Mussten sie sich darüber lustig machen?

"Vergiss es...", gab ich ihm genervt zur Antwort und versuchte, mich aus seinem Griff zu befreien - vergebens. Er war einfach zu stark. Oder besser gesagt, ich war durch diese ständigen Nachtschichten schlicht und einfach komplett übermüdet und deshalb nicht stark genug. "Seri-Chan, Hilfe...", schmollte ich schließlich und schaute sie beleidigt an. Aber natürlich bekam ich keine Hilfe, warum auch. Letzten Endes war meine Müdigkeit wieder mal stärker und ich lehnte mich ironischerweise an Mikoto an und seufzte leise.

"Du kannst ruhig hierbleiben...", brummte der rote König und schaute mich mit einem schmunzeln an. Ich schüttelte hastig den Kopf. "Keine Chance... Ich kann nicht und das weißt du...", murmelte ich, aber mittlerweile begann ich, an meinen eigenen Worten zu zweifeln. Und das war schlichtweg eine Katastrophe. "Ja... Ich zwinge dich nicht", entgegnete er verständnisvoll.

Ich seufzte leise und ließ es einfach geschehen, als er mir sanft durch die Haare strich. Mittlerweile raste mein Herz auch nicht mehr wie wild und Mikoto's angenehme Wärme wirkte sich beruhigend und entspannend auf mich aus. Kurzum, es tat mir - teilweise leider - sehr gut, ihm so nah zu sein, aber trotzdem konnte ich mir selbst einfach nicht eingestehen, dass es sich richtig anfühlte. Obwohl es so war.

Seri-Chan stand auf. "Yumi-Chan, wenn du möchtest, kannst du ruhig bleiben. Der Vorsteher wird es verstehen...", meinte sie und lächelte leicht. Ich nickte nur stumm und gab nach. Ich war müde. Und... wirklich gehen wollte ich nicht und dann wieder doch. Ich entschied mich schließlich, ausnahmsweise mal auf mein Herz zu hören und hier zu bleiben. Hier, in unmittelbarer  Nähe des roten Königs, Mikoto.

"Gut. Dann bis morgen und schlaf gut. Wenn was ist, ich bin jederzeit erreichbar", meinte sie und verließ mit diesen Worten die Bar. Ich seufzte leise und dankte ihr im Stillen. Es gab nicht viele, die mich verstanden, aber Seri-Chan gehörte definitiv dazu. Kaum war sie weg, lockerte Mikoto seinen Griff und ich konnte endlich aufstehen. Das tat ich auch. "Kusanagi-San, kannst du mir vielleicht nochmal ein Zimmer ausleihen? Die Rechnung bezahle ich später", meinte ich. Izumo schmunzelte.

"Ist schon in Ordnung, du weißt doch, dass du bei uns willkommen bist. Das passt schon", meinte er und ich sah ihn überrascht an, sagte aber lieber nichts mehr dazu. Männer waren schwer zu verstehen und wie ich die Situation einschätzen konnte, war ich nicht die einzige, die es - ein bisschen - übertrieben hatte. Mikoto zu 100% auch, dass wusste ich ganz genau. Das war auch einer der Gründe, weshalb ich unbedingt ein Zimmer für mich alleine haben wollte. Es war zwar ein bisschen fies von mir, aber Mikoto traute ich alles zu. Kusanagi-San hingegen war vernünftig, darüber war ich mir auch im klaren.

"Wenn du etwas brauchst, sag Bescheid", meinte er noch, als ich schon die Treppe hochgehen wollte. Mit einem schwachen Lächeln drehte ich mich nochmal zu ihm um. "Danke, Kusanagi-San. Gute Nacht, ihr beiden", meinte ich noch und flüchtete dann ganz schnell nach oben. Ich hatte noch zu tun. Und beim lesen ging es mir immer besser, wenn ich es mal ausversehen übertrieben hatte. Zwar hatte ich jetzt keine Bücher mit, aber die Tageszeitung war auch ab und zu interessant und irgendwas seltsames stand immer drin.

So kam es, dass ich mich oben auf das Bett geschmissen hatte und am lesen war. Als ich aufsah, stellte ich überrascht fest, dass es bereits halb zwei war. Das war ein bisschen spät... Was soll's. Ich faltete die Zeitung wieder zusammen und legte sie auf den Tisch. Aber irgendetwas stimmte nicht, das spürte ich. Und so neugierig, wie ich manchmal nun mal war, konnte ich mich natürlich nicht beherrschen und schlich mich über den Flur die Treppe runter. Es überraschte mich sehr, Mikoto zu sehen. Wollte der nicht auch mal langsam schlafen gehen? Nur dummerweise war mir nicht aufgefallen, dass er mich wegen der Spiegelung der Fenster gesehen hatte.

Umso mehr überraschte es mich, als er plötzlich kurz zu mir sah und seufzte. "Jetzt komm schon her...", brummte er leise. Ich sah verwundert zu ihm und stellte dann auch das Thema mit den Fenstern fest. Mist. Aber was solls. Ich gab mir einen Ruck, setzte mich zu ihm und lehnte mich an ihm an. Seine Wärme... Es fühlte sich... angenehm und vor allem... richtig an.

"Warum schläfst du nicht?...", fragte ich leise und schaute besorgt zu ihm hoch. Trotzdem störte es mich gerade in Situationen wie dieser mal wieder immens, dass ich so klein war. "Weil ich nicht kann... Du weißt wahrscheinlich, warum...", brummte er und ich wusste leider ganz genau, wovon er sprach. Sein Damokles. Und der Gedanke an seinem Zustand machte mir Angst. Ich seufzte leise. "Yumi... Wie lange willst du dich noch selber quälen?..." Diese Frage traf mich sehr. Ich konnte sie mir nicht beantworten.

Niedergeschlagen sah ich nach unten. "Ich weiß es nicht... Aber..." Schließlich schwieg ich und sagte nichts mehr. "Aber du kannst dich einfach nicht entscheiden, hab ich recht?...", beendete er meinen Satz und ich nickte nur. "Du hast wichtigere Probleme, Mikoto... Ich komme schon irgendwie klar", meinte ich schnell und hoffte, dass es reichte. Aber es kam völlig anders, als ich es jemals hätte erahnen können. "Yumi... Du weißt, dass das nicht stimmt...", meinte er leise.

Ich schloss deprimiert die Augen und seufzte. "Und was soll ich jetzt machen? Der blaue Clan ist für mich viel wichtiger als ihr es euch vorstellen könnt und-" Doch ich wurde unterbrochen und schlug fassungslos und überrascht die Augen wieder auf. Mein Herz begann erneut wie wild zu rasen und ich wusste nicht, wie mir geschah, aber alleine die Tatsache, dass ich mich nicht wehrte, war ein klares Zeichen dafür, dass es okay gewesen war.

Ein paar Minuten herrschte Stille, bis ich realisierte, was der rote  König gerade getan hatte und infolge dessen kam es, dass ich knallrot anlief und peinlich berührt wegsah. "Warum... hast du das gemacht?...", nuschelte ich mit hochrotem Kopf und wagte es nicht, ihn anzusehen. Aber das es für mich in Ordnung war, hatte ich auch selbst gespürt. Diese Wärme eben... Eines war mir klar, das würde ich niemals vergessen.

"Damit du dich wieder beruhigst...", meinte er und seufzte leise. "Entschuldige..." Ich schüttelte den Kopf. "Du musst dich nicht entschuldigen...", meinte ich leise und kuschelte mich enger an ihm an. Es war angenehm, seinen gleichmäßigen Atem zu spüren und seinen Herzschlag wahrzunehmen. Mit einem leichten Lächeln machte ich die Augen zu und ließ es zu, dass er mich mit einem Arm festhielt und mir sanft über den Rücken strich. "Im Gegenteil... mach das ruhig nochmal...", murmelte ich zufrieden und bemerkte gar nicht mehr so richtig, dass ich kurz davor war, einzuschlafen. Was heißt kurz davor, es dauerte nicht lange und ich war eingeschlafen.

☑[K] Zwischen Chaos, Ordnung & der Liebe✅Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt