Kapitel 27

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Nach der Nachtschicht war ich fix und fertig. Wir hatten mal wieder mit irgendwelchen Strains zu tun, die ihre Kräfte nicht im Griff und nur Chaos veranstaltet hatten, weshalb sie von uns festgenommen wurden. Natürlich nicht freiwillig, aber die waren selber Schuld. Anstatt einem unbekannten Idioten hinterher zu rennen, sollten sie sich lieber von uns fernhalten, ganz einfach. Ich wollte mich gerade wieder in den Wagen setzen, als Awashima-Kun mich aufhielt. "Was ist denn?", fragte ich verwundert und ließ die Wagentür wieder zufallen. "Ich dachte, du wolltest mitkommen?", entgegnete sie und mir fiel wieder ein, was wir vor Beginn der Nachtschicht ausgemacht hatten.

"Stimmt ja... Hast du Domyoji-San Bescheid gesagt?", fragte ich und schaute mich kurz um. Schon wieder so viele Verletzte... wenn das so weiterging, hatten wir bald schon ein großes Problem. Wer auch immer dahintersteckte, wir mussten ihn oder sie so schnell wie möglich finden und festnehmen. Diese unnötigen Kämpfe mussten ein Ende haben! "Ja habe ich. Na komm, lass uns gehen", meinte sie ruhig. Ich nickte nur und wir meldeten uns vorher noch bei Munakata-San ab, damit es keine Probleme gab. Anschließend machten wir uns auf den Weg zur Bar von Kusanagi-San. Aber das dort die Hölle los war, konnte ich ja nicht ahnen...

Als Seri-Chan die Tür öffnete, traute ich meinen Augen nicht. "Was ist denn hier los?", fragte ich leise und folgte ihr still an den Tresen. "Das ist völlig normal um diese Uhrzeit. Schön euch beide zu sehen, Seri-Chan, Yumi-Chan", meinte Kusanagi-San schmunzelnd. "Gleichfalls... das gleiche wie immer", antwortete Seri-Chan ruhig und wartete ab. Ich sah mich etwas beunruhigt um und stellte fest, dass ich nicht die einzige war, die sich nicht ganz wohlfühlte.

Noch schlimmer wurde es aber, als Yata-Chan hinter uns in der Tür auftauchte. "Blaujacken? Was wollt ihr denn- Au!", meckerte er und hielt sich den Kopf. Kusanagi-San hatte ihm eins übergezogen, Mitleid hatte ich aber keins. "Sei nicht so unhöflich, Yata-Chan", ermahnte Izumo ihn und seufzte leise. "Jungs, entspannt euch wieder. Yumi-Chan dürftet ihr kennen und Seri-Chan ist nun mal ihre Freundin" Glücklicherweise zeigten diese Worte Wirkung und die Situation entspannte sich augenblicklich.

"Du änderst dich nie, Yata-Chan", meinte ich und schmunzelte. Es dauerte ein paar Minuten, bis der hitzköpfige Skater mich wiedererkannt hatte. "Ach du bist's, Yumi... Tschuldige", meinte er etwas verlegen. "Schon gut", wehrte ich schmunzelnd ab und bestellte mir auch was. Das kam zwar eher selten vor, aber ich war von den beiden Nachtschichten hintereinander so müde und genervt, da musste das jetzt einfach mal sein. Dabei fiel mir auf, dass zwischen Izumo und Seri-Chan schon wieder eine rege Unterhaltung entstanden war. Unglaublich wie gut die beiden sich verstanden, obwohl wir ja eigentlich Feinde waren.

Die schweren Schritte einer ganz bestimmten Person zog meine Aufmerksamkeit auf sich, ich sah zur Treppe und hätte mich am liebsten direkt selbst verflucht. Mikoto. Natürlich. Wie könnte es auch anders sein. Andererseits war es nicht verwunderlich, immerhin war die Bar der Stützpunkt des roten Clans. "Sag mal, Yumi-Chan, wie kommst du eigentlich so zurecht?", riss Izumo mich aus meiner Gedankenstarre. Ich wandte meinen Blick von Mikoto ab, sah wieder meinen Gesprächspartner an und überlegte kurz.

"Wenn du das auf die Nachtschichten bezogen meinst... Es ist echt anstrengend, diese ganzen Strains geben mir zu denken und nerven mich. Irgendwer zieht hinter ihnen die Fäden, da bin ich mir sicher", meinte ich nachdenklich und genervt. "Ihr habt also auch Probleme mit ihnen? So langsam wird das wirklich merkwürdig", stellte der Barkeeper fest. "Ja leider. Zwei Nachtschichten hintereinander. Wenn das morgen wieder so endet, streike ich", meinte ich beleidigt und genervt. Was fiel diesen Idioten eigentlich ein, mir meine freie Zeit, die jeder normale Mensch zum schlafen nutzt, zu klauen und so einen lächerlichen Unsinn zu veranstalten?

"Dann nimm dir doch einfach frei...", schlug Mikoto vor. Ich warf dem roten König einen gereizten Blick zu. "Das geht nicht so einfach, du Vollidiot. Ich hatte letzte Woche frei", entgegnete ich genervt. Egal ob es wahr war oder nicht, erstens musste er nicht so viel über mein Privatleben wissen und zweitens ging ihn meine Arbeit nichts an. Das war schließlich mein Job, nicht seiner. Das ich so aufbrausend reagierte, störte ihn aber nicht, was zum Teil aber auch ganz okay war, denn ich hatte vergessen, dass ungefähr zehn bis zwanzig Mitglieder von Homra um mich herum anwesend waren. Naja was soll's.

Seri-Chan legte mir eine Hand auf die Schulter. "Beruhig dich wieder. Wir können uns später noch ausruhen", meinte sie und ich gab nach. Auf Streiten mit dem Roten König hatte ich jetzt wirklich keine Lust. Mal davon abgesehen, dass ich sowieso jedes mal die Diskussion verlor, weil ich mich einfach nicht gegen ihn durchsetzen konnte. Ziemlich armselig, ich weiß. "Was meint ihr, was hinter den ganzen Angriffen steckt?", fragte Izumo. Ich überlegte. In letzter Zeit gab es öfters Konfrontationen mit dem Roten Clan, aber wenigstens konnten wir das meistens friedlich lösen. Jedoch...

Plötzlich durchzuckte mich ein Geistesblitz. Natürlich! Wieso war ich da nicht schon früher drauf gekommen? "Ich habs! Vielleicht wollen sie einen Krieg zwischen dem Roten Clan und dem Blauen Clan provozieren. Das würde die ständigen Aufeinandertreffen erklären", meinte ich nachdenklich und starrte still mein halbleeres Glas an. "Und was soll das bringen?...", mischte Mikoto sich ein. Ich seufzte leise und wollte mit gereizter Miene antworten, stellte aber überrascht fest, dass mir offenbar jeder zuhörte. Also wollte ich mal einen auf super klug machen, obwohl es ja gar nicht so abwegig war.

"Denk doch mal nach. Wenn sich unsere Clans gegenseitig ständig bekriegen, kann der Drahtzieher in Ruhe seine Pläne durchsetzen, ohne das wir es merken würden. Er wird also versuchen, uns systematisch auszuschalten, indem er uns gegenseitig aufeinander hetzt", meinte ich ernst. "Das macht Sinn. So würde es keinem auffallen, da sich die Aufmerksamkeit auf die ständigen Kämpfe richten würde", stellte Kusanagi-San fest.

Mikoto seufzte leise und scheuchte dann die Jungs nach Hause, was mich ziemlich überraschte. Ich fragte lieber nicht, auf dumme Sprüche hatte ich nämlich keine Lust. Aber im Grunde war es sowieso egal, was ich wollte und was nicht, meine Pechsträhne blieb mir wieder einmal treu. Das bemerkte ich, als der Rote  König mich mehr oder weniger überredete, mich zu ihm zu setzen. Musste das echt jetzt vor Seri-Chan sein? Sie ärgerte mich schon oft genug damit!

Ich seufzte leise. "Muss das sein?...", fragte ich leise und schaute zu ihm. Suoh gab mir jedoch keine Antwort. Stattdessen musste ich nun damit klarkommen, dass ich nicht aufstehen durfte. Toll. Ich zuckte zusammen, als ich eine starke Hitze an meiner Hüfte wahrnahm und feststellte, dass Mikoto wohl schon gemerkt hatte, dass ich wieder einmal verletzt war, sagte aber lieber nichts. Dad endete sonst wieder nur damit, dass ich ihm ausführlich erklären musste, wie das passiert war und darauf hatte ich keine Lust. "Was sagt eigentlich euer Vorsteher zu der ganzen Sache?", fragte Izumo interessiert. "Naja... eigentlich hatte Munakata-San schon ein paar mal darüber nachgedacht, mit dem roten Clan einen Waffenstillstand einzugehen. Nur ein gewisser Jemand will ja nicht", bemerkte ich und warf Mikoto mit diesen Worten einen vorwurfsvollen Blick zu.

Seri-Chan schmunzelte, als sie bemerkte, dass ich auserdem wieder einmal rot geworden war. Das war aber auch kein Wunder, wenn man seinen Schwarm - wohlgemerkt - direkt neben bzw hinter sich sitzen hat und er sich noch meine Verletzungen heilte, verflixt nochmal...  Warum konnte er es nicht lassen? Noch peinlicher wurde die Situation für mich, als Mikoto mich mehr oder weniger dazu brachte, mich an ihm anzulehnen. Und auch jetzt bemerkte ich wieder, dass sich zwei verschiedene Meinungen in meinem inneren Bewusstsein nicht vertragten. Mein Bewusstsein im Thema Arbeit und Leben kam mit meinen Gefühlen für den Roten König nicht klar.

Und nicht nur das. Mein Herz schlug schnell gegen meine Brust - es fühlte sich so an, als würde es herausspringen wollen. Ich war außerdem immer noch rot im Gesicht und hatte ein heftiges Kribbeln im Bauch. Und die Tatsache, dass er direkt hinter mir saß, machte es nicht besser. Ich bekam jedes mal aufs neue eine richtige Gänsehaut, wenn er sprach. Hoffentlich legte sich das bald wieder, ansonsten hatte ich ein extrem großes Problem. Aber... ich musste mir eingestehen, dass es mich irgendwie auch beruhigte, seine angenehme Wärme zu spüren. Und... das ich seit einer halben Stunde ungefähr nicht mehr so ganz nüchtern war und das kam äußerst selten vor. Vermutlich war das der Grund. Zumindest hoffte ich das...

☑[K] Zwischen Chaos, Ordnung & der Liebe✅Where stories live. Discover now