Kapitel 3

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Reese

„Und was machst du jetzt noch so, Hähnchen?", fragt mich Willow, während wir zum Bus laufen. Ich hasse es, wenn sie mich so nennt und das tut sie andauernd. „Nicht viel und bitte hör auf mich so zu nennen!" „Das ist wirklich viel...", lacht sie. „Und nein, werde ich nicht. Du bist eben mein Hähnchen, was ist so schlimm daran?", kichert sie. Genervt stöhne ich auf, „Es ist demütigend.", versuche ich ihr zu erklären, aber wie immer spreche ich gegen eine Wand. Seufzend steigen wir in den überfüllten Bus voller Kinder. Plötzlich stolpere ich über einen Fuß und kann mich gerade noch so festhalten. Wütend starre ich das Kind an, was mir ein Bein gestellt hat, das nur dumm lacht, so wie der gesamte Bus. Herr Gott der ist vielleicht 11, wo bleibt der Respekt gegenüber den Älteren? Kopfschüttelnd gehe ich nach hinten und setze mich neben Willow. „Wieso trittst du dem Kind nicht mal in den Arsch?", fragt sie mich. „Du weißt, so bin ich nicht...", murmle ich vor mich hin und krame nach meinem Buch. „Reese... du solltest dir sowas nicht immer gefallen lassen!" „Hmpf...", mache ich nur und versuche mich auf mein Buch zu konzentrieren. Ich liebe sie, sie ist die einzige und beste Freundin die ich habe, doch ich würde niemals jemand anderen verletzen. Ich weiß einfach zu gut, wie demütigend und schmerzhaft sowas sein kann, nicht nur physisch, sondern auch psychisch. Also versinke ich in meinem Buch und vergesse die Welt um mich und somit auch die Zeit, denn gefühlte zwei Sekunden später, muss ich schon wieder aussteigen. Mit einer Umarmung verabschiede ich mich von Willow und steige aus. Zum Glück ist unser Haus nicht allzu weit von der Haltestelle entfernt. Ich stecke meine Kopfhörer in die Ohren und schlage mein Buch wieder auf, während ich nach Hause laufe. Der Gedanke, gleich die Haustür auf zu schließen und zu wissen, dass ich Jake heute vielleicht gar nicht mehr sehe, macht mich wirklich traurig. Als ich dann zu Hause angekommen bin, gehe ich erstmal in die Küche und suche im Kühlschrank etwas zu trinken. Jake muss heute irgendwann einkaufen gewesen sein, denn der Kühlschrank ist wieder randvoll. Erfreut stelle ich fest, dass Jake mir meine Lieblingserdbeermilch gekauft hat. Sofort greife ich danach und nehme drei tiefe Schlucke. Hm...
Ich stehe auf Getränke, in denen Milch enthalten ist. Langsam mache ich mich auf den Weg in mein Zimmer. Es liegt gegenüber von Jake's. Überall hängen Poster von Bands und Bilder, die ich irgendwann mal gemalt habe. Unter meiner Dachschräge ist mein Bett, das noch total unordentlich aussieht. Ich werfe meinen Rucksack auf meinen Schreibtischstuhl und schmeiße mich auf mein Bett. Komischerweise haftet der Geruch von Jake am Bett. War er in meinem Zimmer? Ich schüttle mit dem Kopf, denn das muss ich mir wohl eingebildet haben, was sollte er hier schon gemacht haben. Seufzend schleppe ich mich zu meinem Schreibtisch und fange an die Hausaufgaben zu machen.

~

Irgendwann habe ich mich ablenken lassen und stehe jetzt nun schon seit ein paar Stunden vor einem Bild, was ich einfach nicht fertigbekomme, denn irgendwas fehlt. Genervt lasse ich den Pinsel sinken und begebe mich nach unten in die Küche. Es ist schon spät und Jake ist noch nicht zu Hause. Traurig mache ich mir jetzt doch etwas zu essen, denn innerlich hatte ich gehofft, dass er vielleicht doch noch kommt. Ich schiebe das fertige Ofengemüse in den Ofen und setze mich auf unser Sofa im Wohnzimmer. Gelangweilt klicke ich durch die Kanäle und hoffe etwas Spannendes zu finden. Irgendwann finde ich eine Dokumentation über das Weltall, was ich mir interessiert ansehe.
Nach einigen Minuten, piept der Ofen und ich mache mir etwas von meinem Essen auf den Teller, mit dem ich mich ins Wohnzimmer setze.
Angespannt schaue ich auf die Uhr über dem Fernseher. 22Uhr... Langsam fange ich doch an mir Sorgen zu machen. Was, wenn etwas passiert ist? Was, wenn Jake und die anderen von Omegas angegriffen wurden? Plötzlich spüre ich eine extreme innere Unruhe und starre hektisch immer wieder zur Uhr. Auch eine gesamte Stunde später, ist er immer noch nicht da. Erschöpft streiche ich mir übers Gesicht und bringe mein dreckiges Geschirr in die Küche. Müde schlurfe ich die Treppe hinauf und mache mich im Bad bettfertig. Freudig krabble ich unter die kühle Decke und ziehe sie mir bis übers Kinn, doch die Hoffnung einfach ein zu schlafen und morgen früh Jake zu sehen zerplatzt, als ich nach 20 Minuten immer unruhiger werde und die Decke schon eklig warm wird.
Leichte Panik ergreift mich, denn ich bin alleine in diesem großen dunklen Haus, in einer Stadt voller Werwölfe, die mich nicht leiden können. Kleine Schweißperlen bilden sich auf meiner Stirn und ich spüre mein Herz gegen meinen Brustkorb hämmern.
Plötzlich höre ich Geräusche im Haus. Ängstlich ziehe ich mir meine Decke über den Kopf. Mein Atem geht unruhig und mein Herz fühlt sich an, als würde es gleich aus meiner Brust gerissen werden.
Die Tür zu meinem Zimmer wird aufgerissen und schnell kommt jemand auf mich zu. „Hey, Reese... was ist los?", fragt mich Jake und langsam ziehe ich die Decke von meinem Kopf. „Ich habe dein Herz rasen gehört, ist irgendwas passiert?", fragt er mich besorgt. Erleichtert falle ich ihm um den Hals und presse mich an ihn. Erst jetzt bemerke ich, dass Jake kein T-Shirt anhat und nur eine graue Jogginghose trägt. Weil ich das merkwürdige Kribbeln auf meiner Haut nicht mehr aushalte, löse ich mich von ihm und sehe in sein erschöpftes Gesicht. „Tut mir leid.", murmle ich und streiche fahrig meine Haare nach hinten. Stirnrunzelnd legt er eine Hand auf meine Stirn. „Du glühst ja! Ist irgendwas mit deinem Herzen?", fragt er mich sofort in Alarmbereitschaft.
„N-Nein... Ich konnte nur nicht einschlafen und habe mir Sorgen um dich gemacht.", flüstere ich in die Dunkelheit, die uns umgibt. „Das musst du doch nicht Reese...", murmelt er und streicht mir durch mein wildes Haar. „Rutsch mal.", fordert er mich auf. Sofort rutsche ich weiter an die Wand. Jake legt sich neben mich und schlingt ein Arm um mich. Wie auf Knopfdruck verschwinden meine Sorgen und ich spüre wie die Müdigkeit mich wie eine Welle überfällt. Gähnend reibe ich meine Nase an seiner glatten Brust. „Gab es Schwierigkeiten?", frage ich ihn leicht schmatzend und höre ihn leise lachen. „Nein, hat nur ein bisschen länger gedauert.", flüstert er und krault meinen Hinterkopf.
Hm... es ist toll, wenn er das tut. Seufzend vergrabe ich meinen Kopf an seinem Hals und sauge seinen wunderbaren Duft in meine Lungen.
Ich spüre, wie sein Herz plötzlich anfängt schneller zu schlagen.
Das muss wohl Einbildung sein, denn kurz drauf drifte ich schon in einen tiefen und erholsamen Schlaf.

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