Kapitel 50

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Song Empfehlung:
Awaken von Big Wild

Reese

Der Geruch nach heißen Waffeln liegt in der Luft. Entspannt lausche ich dem Gezwitscher der Vögel, das durch mein geöffnetes Fenster dringt.
Friedlich öffne ich meine Lider und sehe die Staubfusseln durch mein Zimmer fliegen, die durch das warme Sonnenlicht angestrahlt werden. Ich fühle mich so unfassbar entspannt. Langsam setze ich mich auf und sehe an mir hinab. Verwundert stelle ich fest, dass ich ein kariertes Hemd und eine blaue Jeans anhabe. Habe ich nicht geschlafen? Plötzlich erklingt ein glockenhelles Lachen, was ich schon seit so unendlich vielen Jahren nicht mehr vernommen habe. Wie die Stimme eines Engels. So einnehmend, erwärmend und beflügelnd. Sofort richte ich mich auf und laufe Richtung Flur. Als das Lachen wieder erkling, renne ich los. Die Treppen runter und schlittere den Rest über den Boden in die Küche. Was ich dann sehe, raubt mir jeglichen Atem und lässt mein Herz stillstehen. „Mam...", flüstere ich und sehe zu der wunderschönen Frau am Herd, die gerade etwas Teig in das Waffeleisen gibt. Um ihren Körper ist eine weiß-blau karierte Schürze gebunden. Ihre schwarzen wundervollen langen Haare sind zu einem unordentlichen Dutt zusammengebunden, aus dem schon einige Strähnen hinaus fallen. Sie dreht sich leicht zu mir und grinst mich breit an. „Hallo Schätzchen. Kannst du mir bitte mal das Tuch reichen?", sie deutet auf den Tisch, zu dem ich nun sehe.
Mein Vater sitzt dort, die Zeitung aufgeschlagen, die schwarze Brille auf der Nase und liest.
Was passiert hier?
In Trance laufe ich zum Tisch und reiche meiner Mutter das Tuch, lasse meinen Dad aber keine Sekunde aus den Augen. Jake ist das absolute Ebenbild von ihm. Jedoch hat er bereits weiße Strähnen zwischen seinen schwarzen Haaren und in seinem Gesicht sind bereits einige Falten zu sehen. Wie kann das sein?
Er ist vor über einem Jahr bei einem Autounfall ums Leben gekommen und Mam ist bereits seit Jahren tot. Und doch, entscheide ich mich zu vergewissern, dass sie wirklich hier sind. Also schlinge ich, ohne jegliche Vorwarnung meine Arme um Dad's Hals.
Überrascht sieht er zu mir, ehe er einen verwirrten Blick zu meiner Mutter schickt. „Was ist mit ihm?", flüstert er, legt jedoch ein Arm um mich. Sie zuck nur schmunzelnd mit den Schultern und widmet sich wieder den Waffeln.
„Du bist echt...", murmle ich erfreut. „Aber Natürlich, mein Junge. Ist alles okay?", fragend sieht er zu mir und ich löse mich leicht von ihm. Gleich drauf schlinge ich meine Arme von hinten um meine Mam und sauge tief ihren süßen Duft in die Nase. „Ihr seid es beide.", nun dreht sie sich um und streicht mir lieblich über die Stirn. „Schatz, hast du Fieber?", sie fühlt meine Temperatur und schüttelt aber dann den Kopf. „Ich... Nein, habe nur schlecht geträumt... Ihr wart beide t-tot.", murmle ich betrübt. „Oh Liebling. Es war nur ein böser Traum." Sie gibt mir noch einen Kuss auf den Kopf und löst sich dann wieder von mir. Daraufhin erklingen Schlüssel und die Tür wird geöffnet.
„Bin wieder zu Hause.", mein Herz scheint stehen zu bleiben, nur um danach wie wild in meiner Brust zu schlagen. Tausende Schmetterlinge schwirren durch meinen Bauch und eine angenehme Gänsehaut überfliegt meinen Körper. Schnell renne ich zur Tür und entdeck wie Jake gerade seine Jacke an den Haken hängt. Sofort laufe ich zu ihm und hüpfe ihn in die Arme. „Jake!", rufe ich erleichtert. Sogleich schlingen sich zwei große, kräftige Arme um meinen Körper. „Hey, Baby.", murmelt er und legt seine Lippen auf meine. Einfach so. Während unsere Eltern in der Küche sitzen und uns sehen können, doch ihnen scheint das nichts aus zu machen. Seine Lippen sind warm und so wunderbar weich. Träumerisch seufze ich auf.
Es ist so perfekt...
Langsam löse ich mich von ihm und sehe in die dunklen strahlenden Augen von Jake. „Wie war dein Tag?", fragend sehe ich zu ihm auf. „Jetzt perfekt.", nuschelt er und legt seine Lippen wieder auf meine. Kichernd verdrehe ich die Augen. „Kommt ihr beiden, die Waffeln sind fertig.", ruft unsere Mutter und zusammen gehen wir in die Küche.
Wir sitzen einfach am Esstisch, genießen die köstlichen Waffeln, unterhalten uns und lachen. Lachen über die bescheuerten Witze von Dad, die er immer macht, die lustigen Geschichten, die Jake auf dem Collage erlebt hat. Gespannt lausche ich seiner tiefen, einehmenden Stimme.
Und verliebe mich erneut in ihn. Immer und immer wieder.
„Lasst uns raus in den Garten gehen.", verkündet Dad und zusammen gehen wir nach draußen. Der Garten sieht anders aus als in meinen Erinnerungen. Es ist weit und breit nur saftig grüne Wiese und über uns ist ein traumhafter blauer Himmel zu sehen, der von einzelnen weißen fluffigen Wolken geziert ist. Keine Nachbarn, kein Wald. Keine Menschen, nur wir. Es sollte mich verstören, doch das tut es nicht, viel zu glücklich bin ich von dem Anblick meiner Familie.

~

Nach einiger Zeit liegen wir einfach auf der Wiese und schauen in den Himmel. Ich habe mich an die breite Brust von Jake gelegt. Wir liegen etwas abseits unserer Eltern. Sein betörender Duft steig mir in die Nase, den ich genüsslich in meine Lungen sauge. Mein Blick gleitet den Berg hinauf, auf dem ich einen Wolf erkennen kann. Weiß, mächtig und erhaben. Verwirrt ziehe ich eine Augenbraue hoch, als ich merke, dass er mich anstarrt.
„Ich... Ich komm gleich wieder.", murmle ich zu Jake, der nur zustimmend brummt, da er fast eingeschlafen ist. Bedacht laufe ich den Berg hinauf und mein volles, lockiges Haar wird vom Wind verweht. Noch einmal schaue ich auf das Haus nach unten und dann wieder zu dem Wolf. „Reese.", sagt er. „Wo...Woher kennst du meinen Namen?", unsicher sehe ich ihn an. „Setz dich neben mich.", fordert er. Gehorchend setze ich mich hin. „Ich bin Kaeso.", erstaunt sehe ich zu dem großen Wolf neben mir. „Bist... Bist du nicht tot?" „Ja.", sein Fell flattert wild im Wind, doch sein Blick ist geradeaus gerichtet. „Das alles ist nicht echt, nicht wahr?", flüstere ich und sehe sehnsuchtsvoll zu Mam und Dad, die sich lachend in den Armen liegen. „Nein, das ist es nicht...", murmelt er und schaut aufmerksam zu mir rüber. Schluckend schließe ich die Augen und lasse den Kopf hängen. „Bin... Bin ich tot?", ängstlich sehe ich zu ihm. „Nein. Noch... Noch bist du das nicht."
„Was ist das hier?"
„Eine Welt, zwischen dem Tod und dem Leben. Es hat für mich viel gekostet hier her zu gelangen. Jake hat dir ermöglicht hier zu sein...", erstaunt sehe ich ihn an. „Jake? Aber... wie??"
„Er muss seine ganze Kraft aufs Spiel gesetzt haben dich hier her zu bringen, so dass du nicht stirbst. Du warst schon auf der anderen Seite Reese. Doch Jake hat dich hier her gebracht, so dass sich dein Körper regenerieren kann. Alleine seine Liebe zu dir hat ihm das ermöglicht.", murmelt er. Angestrengt versuche ich das gehörte zu verarbeiten. „Ich muss zurück! Sofort!", erregt stehe ich auf. „Du kannst jeder Zeit zurück. Es liegt ganz bei dir, kleiner Wolf.", erklärt er mir.
„Aber... Aber wie? Ich will ja! Was muss ich tun?!"
„Mag sein, dass du zurück willst, aber du willst auch dies hier. Deine Eltern. Die offene, unbeschwerte Liebe zu Jake. Dein Herz hängt hier Reese. Du musst dich davon lösen, nur so kannst du wieder zurück."
„Aber..."
Kaeso sieht mich noch ein letztes Mal eindringlich an, ehe er verschwindet und an seiner Stelle hunderte weiße Schmetterlinge in die Luft schweben. „Nein! Ich...", erschöpft lasse ich mich auf die Wiese fallen und starre in den Himmel. Ich muss mich von der Vergangenheit trennen und damit abschließen. Abschließen mit dem Verlust meiner Mutter, mit dem Tod meines Vaters, über den ich nie hinweg kam und der Tatsache, dass Jake und ich es nie einfach haben werden.
Tausende Ängste lasten auf meinen Schultern, mit denen ich nun aufstehe und den Hügel wieder hinab gehe. Wie als wüssten sie Bescheid, stehen sie lächelnd vor mir und warten, warten auf den Abschied.
Tränen laufen mir über das Gesicht, als ich in das engelsgleiche Gesicht meiner Mutter sehe. „Oh mein Schatz.", schwach lächelnd nimmt sie mich in den Arm und drückt mich fest an sich. „Sei stark. Ich werde immer für dich da sein.", nickend löse ich mich von ihr und plötzlich verschwindet sie in einem blassen Nebel. Schmerzlich sehe ich zu meinem Vater. „Mein Sohn." Er legt eine Hand auf meine Schulter, die er kurz drückt und mich dann an sich zieht. Fest schlinge ich meine Arme um ihn. „Ich bin so stolz auf dich. Wir alle.", flüstert er noch, ehe er auch verschwindet. Mein Herz schmerzt so sehr, es scheint zu reißen, zu verbrennen und zu verbluten.
Voller Liebe sehe ich zu Jake. Schniefend wische ich mir über die Nase, ehe er seine kräftigen Arme um mich schlingt. „Weine nicht, nicht wegen mir. Wir sehen uns doch wieder.", sanft streicht er durch mein Haar. „Aber alles ist so kompliziert...", schluchze ich.
„Ich weiß... aber Reese, ich leide ohne dich. Du musst zurück. Bitte. Auch wenn du dich an dies hier nicht mehr erinnern wirst, sollst du wissen, dass du mich vervollständigst. Mich zu einem besseren Menschen machst. Du bist so viel mehr, als du denken magst. ", tapfer löse ich mich von ihm und sehe in seine schwarzen, strahlenden, mitternachts Augen. „Ich liebe dich... so sehr.", seufze ich. „Ich weiß, deswegen musst du zurück. Du wirst sie wiedersehen, irgendwann, wenn es an der Zeit ist, doch jetzt musst du leben. Lebe Reese und sei glücklich. Glücklich zusammen, mit mir.", lächelnd sieht er zu mir und dann spüre ich, wie meine Last hierbleibt und mein nun erleichterter Körper zurück, ins Leben gezogen wird.
Zurück zu ihm. Zu meiner zweiten Hälfte.

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