Kapitel 52

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Reese

„Jake?", brumme ich und öffne meine schweren Lider. „Reese? Reese?? Oh mein Gott, Reese!", erschöpft fahre ich mir übers Gesicht und richte mich leicht auf. Mein Körper fühlt sich gerädert an, schlapp und unglaublich müde. „Willow?", ich sehe in ein strahlendes Gesicht. „Reese!", seufzt sie und fällt mir um den Hals.
Ich habe nie darüber nachgedacht, wie es ist, nach so langer Zeit zu erwachen. Nie habe ich jemals daran gedacht, dass mir überhaupt sowas passiert. Zu wissen, dass all die Wochen, die ich mit Floyd verbracht habe, nur Halluzinationen, Gehirngespinste von mir waren, ist verstörend. Ich habe mir all die Unterhaltungen, die Drogen, die Berührungen nur zusammengereimt. Natürlich ist mir klar, wer hinter allem steckt. Jace. Es war so offensichtlich, dass es mich mit angsterfüllt, es nie bemerkt zu haben. Er hätte mich fast umgebracht!
War ich wirklich so geblendet, in der Annahme, dass in allen Menschen etwas Gutes steckt? Nie hätte ich auch nur damit gerechnet, er würde so weit gehen. Mir ein Mittel zu verabreichen, was mich körperlich und psychisch fast zerstört, ist absolut grausam. Alleine der Gedanke zu sterben und Jake zu verlassen, jagt mir so eine allumfassende Angst ein, dass ich genau in dem Moment anfangen könnte zu beben.
Deswegen ist alles was ich nach meinem Erwachen wollte, Jake zu sehen. Es kam mir vor als hätte ich ihn Jahrhunderte nicht berührt. Genau aus dem Grund bin ich mit Willow sofort zu ihm gefahren. Gegen ärztliche Anweisung.
Aus einem Gefühl raus, ganz tief in mir, wusste ich, dass ich jetzt unbedingt zu ihm musste. Es war eine Art Instinkt, doch nun bereue ich es. Jace hat es gesagt oder besser laut vorgelesen. Ich bin adoptiert. Meine größte Angst, Jakes Reaktion. Als ich damals den Zettel fand, verbrannte ich ihn sofort, zu groß war die Angst, Jake könnte ihn finden. Wie würde er reagieren? So oft stellte ich mir diese Frage. Auch, wenn es möglich wäre, das es Jake egal ist, hatte ich so unglaublich Angst, dass er mich verstoßen würde. Mich nicht mehr lieben könnte. Aber ich bin doch sein Bruder. Vielleicht nicht biologisch, aber mit dem Herzen. Die Person, die ich mehr als alles auf der Welt liebe. Nun stehe ich hier, in seinen Armen, höre die ohrenbetäubende Stimme von Jace und die darauffolgenden entsetzten Geräusche. Langsam und voller Angst löse ich mich von Jake und sehe ihm ins Gesicht. Doch dort ist keine Ablehnung, kein Entsetzen, kein Schock.
Nein, er ist nicht überrascht?
Er ist nicht... Er ist nicht... überrascht! Jace verfolgt das Spektakel zufrieden vor sich, stockt dann aber als er Jakes neutrales Gesicht sieht.
„Du wusstest es!", ruft er unerwartet. „Natürlich wusste ich es.", entsetzt löse ich mich von ihm und stolpere einige Meter von ihm weg.
„Wie-... Wieso?", flüstere ich unter Tränen. „Wir dachten alle es wäre besser, wenn wir dir nichts sagen.", murmelt er traurig.
„Weißt du was du mir damit angetan hast?", schluchzend gehe ich weiter nach hinten, nur um genug Abstand zwischen uns zu bringen. Hat er denn nur eine Ahnung wie viel ich auf mich genommen habe, um ihm dieses Geheimnis vor zu enthalten? Plötzlich ergreift Jace wieder das Wort. „Das wäre das erste Geheimnis, kommen wir doch zu deinem, Jake." Mein Bruder seufzt, sieht jedoch weiter nur zu mir und scheint Jace gar nicht zu beachten. „Die Familie Hale hat nämlich einen Omega in unsere Reihen geschleust.", entsetzt sehe ich zu Jake. Haben sie? Ich dachte Jake hasst Menschen, die zu einem Werwolf gemacht werden, dass sie wild und kaum zu bändigen sind. Ein aufgeregtes Murmeln geht durch die Leute. Jake schließt seine Augen.
„Du hast keine Ahnung, Galloway.", brüllt er und bestätigt damit die Aussage. „Wäre es nicht interessant zu wissen wer er ist?", lächelnd sieht er in die Runde. „Weißt du, ich habe mich extrem gewundert warum das Gift bei Reese so extrem angeschlagen hat, bis mir so einiges klar wurde.", und mit einmal bliebt mein Herz stehen. „Reese...", murmelt Jake und kommt auf mich zu, doch ich schrecke zurück. „Nein, sag mir nicht, dass das wahr ist.", flehend sehe ich zu ihm. Jake stockt, atmet tief ein, ehe er beginnt zu erzählen...
„Es war Frühling, unsere Eltern sind mit mir in den Wald gegangen. Als wir... als wir kleine Babyschreie hörten und da... da fanden wir dich. Unschuldig, alleine, verletzt, zerbrechlich. Du warst schrecklich krank Reese. Du wärst gestorben, hätte unser Vater dich nicht gebissen. Wir haben dich von der ersten Sekunde bedingungslos geliebt. Das hat nie was daran geändert, dass du kein gebürtiger Werwolf bist."
Es zerstörte einfach meine gesamte Welt. „Bitte Reese.", fleht er und will mich berühren, doch ich gehe weiter von ihm weg. „Fass mich nicht an.", flüstere ich. Genau in dem Moment zieht sich eine eisige Kälte um mein Herz, das es zum Erfrieren bringt. Wütend streiche ich mir die Tränen aus dem Gesicht. „Nun hast du was du willst. Es ändert rein gar nichts, dass ich Alpha bin und du nur ein Beta.", donnert er zu Jace und geht wütend auf ihn zu. „Ich will das Reese verbannt wird.", besteht er drauf.
„Er ist ein Omega, ein nichts, nicht einmal mit der Alpha Familie verwandt!"
„Er gehört zu mir!", knurrt er. Aufgeregt trete ich zwischen die beiden und sehe Jace ins Gesicht. „Wir kämpfen. Wenn ich gewinne gehst du und kommst nie wieder. Wenn du gewinnst gehe ich, freiwillig, ohne jemals wieder zu kommen." Ich halte ihm die Hand hin. „Nein! Kommt nicht in Frage, du wirst nicht kämpfen! Du lagst vor ein paar Stunden noch im Krankenhaus ohne jegliches Bewusstsein.", versucht mich Jake daran zu hindern. „Lass mich das tun.", sage ich zu ihm. „Nein, das kann ich nicht."
„Gut, einverstanden!", Jace schlägt in meine Hand und sofort verwandelt er sich. „Verdammt Reese!", brüllt Jake.

Jake

Was zum Teufel denkt er sich dabei? Mark zieht mich aus dem Weg. „Du musst ihn das machen lassen, er hat drauf eingeschlagen, so verlangt es das Gesetz.", brummt er und hält mich fest. Jace Wolf ist braun grau, kein besonders schöner Anblick. Nun verwandelt sich auch Reese. Schneeweiß steht er vor dem großen Wolf. Bitte Reese!
Und schon geht es los.
Jace versucht nach ihm zu schnappen doch zum Glück kann Reese ihm noch ausweichen. Sie umrunden sich bedacht, ehe Reese einen Satz zu ihm macht, doch Jace beißt ihn schmerzhaft am Genick. Schmerzerfüllt gehe ich in die Knie. „Was ist mit dir?", fragt mich Mark. „M-Mate.", keuche ich. „Stirbt er, stirbt auch ein Teil meiner Seele.", schmerzerfüllt halte ich mir die Brust. Konzentrier dich!
Ich schließe meine Augen und versuche ein wenig Macht von mir durch unsere Verbindung auf ihn zu übertragen. „Was tust du da?", fragt er mich und hockt sich neben mich. „Pscht!", knurre ich.
Ich kann spüren wie Reese stärker wird und schneller heilt. Trotzdem kratzt ihn Jace quer übers Fell und Reese heult schmerzerfüllt auf. Sofort muss ich vor Schmerzen keuchen. Reese stützt sich schwerfällig wieder auf und versucht einen Gegenangriff, der ihm auch glückt. Schnell beißt er ihm in den Hals und laut heult nun Jace auf. Zeig es ihm Reese!
Seine Krallen schneiden tief in sein Fell und Jace bleibt auf dem Boden liegen. Vorbei.
Reese verwandelt sich wieder zurück. Schnell renne ich zu ihm und reiche ihm seine Sachen, die er anzieht. Fest schlinge ich meine Arme um seinen Körper, doch er erwidert dies nicht. Im Augenwinkel sehe ich wie Jace sich zurück verwandelt und Henry zu ihm geht. „Geh, und komm nie wieder.", knurre ich und lasse meine roten Alpha Augen aufleuchten. „Geht nach Hause, wir besprechen den Rest morgen.", gehorchend verschwinden die Leute nach und nach.
„Ich werde mit ihm gehen.", kommt es plötzlich von Henry. „Er ist mein Bruder Jake. Meine Verantwortung. Doch ich komme wieder, versprochen.", schwach nicke ich, ehe ich mein Kopf wieder in Reese Halsbeuge vergrabe. „Es tut mir so unendlich leid.", murmle ich. Langsam löst er sich von mir und versucht auf zu stehen, bricht jedoch in sich zusammen. Schnell fange ich ihn auf und nehme ihm seinen Schmerz. Schwarze lange Adern ziehen sich über meinen Arm. „Trotzdem gehört er nicht in dieses Rudel.", brüllt Jace plötzlich so unfassbar wütend. „Doch. Er ist mein Mate.", murmle ich und sehe ihn dabei in die Augen. Erschrocken reißt er diese auf. „Was?", krächzt Jace, wird jedoch nur von Henry weggezogen. „Komm jetzt! Du hast genug Ärger gemacht!"
„Noch ein Geheimnis, Jake?"
„Es tut mir leid.", traurig und entschuldigend sehe ich zu ihm. Wir beide stehen auf und stützend halte ich ihn. Reese löst sich von mir und läuft humpelnd zum Auto, mit dem Willow gekommen ist. „Was tust du?", verwirrt sehe ich zu ihm. „Ich muss nachdenken Jake."
„Aber...", unterbrechend dreht er sich ruckartig um. „Nein! Du hast mir so viel verheimlicht! Das kann und werde ich dir nicht einfach so verzeihen!", und damit geht er, lässt mich hier stehen.
Aber ich hatte ihn doch gerade erst wieder und jetzt entgleitet er mir erneut?

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