Kapitel 12

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Reese

Der Schock steckt noch immer tief in mir. Erdolchen? Erdolchen?!
Erdolchen, verdammt!
Mir wird schlecht, wenn ich an morgen denke. Gerade sitze ich mit Jake im Auto und wir fahren wieder Richtung Heimat. Schon seit heute Morgen regnet es in einer Tour.
Müde starre ich durchs Fenster, zum düsteren Himmel über uns.
„Ich komme heute erst spät nach Hause.", höre ich Jake sagen.
„Wieso?", verwundert ziehe ich eine Augenbraue hoch und sehe zu ihm. „Henry schmeißt heute eine Party zu meiner ‚Verabschiedung'.", genervt seufzt er auf.
„D-Darf ich mit?"
„Nein."
„Was? Warum?!", mit großen Augen sehe ich ihn an. Ich wollte schon immer mal auf eine Party, doch Jake hat mich nie mitgenommen und davon, dass mich nie einer dazu eingeladen hat, brauche ich wohl gar nicht erst anfangen.
„Darum.", murrt er.
„Aber Jake!", schmollte ich und versuche ihn mit großen Augen an zu sehen.
Kurz wandern seine Augen zu mir, ehe er sie verdreht.
„Partys sind doch überhaupt nicht so dein Ding...", murmelt er. „Ich habe das nie behauptet, war nur noch nie auf einer.", gebe ich Schulter zuckend zu.
„Hmpf... Na gut, aber wehe ich sehe dich auch nur mit einem Schluck Alkohol! Du bist noch keine 18 und weit entfernt von 21.", belehrt er mich sträng, doch ich grinse nur breit.
„Klar! Danke.", sage ich erfreut und schaue wieder aus dem Fenster. Kurzerhand ziehe ich mein Handy raus und frage Willow, ob sie mich begleiten will. Glücklicherweise antwortet sie schnell und sagt zu.
Also, meine erste Party!

~

Kritisch betrachte ich mein weinrotes Hemd, was ich mit einer bequemen Jeans kombiniert habe.
Ich beuge mich nach unten und schlage die Hose zweimal um und meine weißen langen Socken kommen zum Vorschein. Zufrieden nicke ich und hänge mir noch die Kette um, die ich letztes Jahr von Jake zum Geburtstag bekommen habe.
Sie ist schlicht, nur ein kleiner Davidstern baumelt nach unten. Er erklärte mir, dass die meiner Mutter gehört hatte und ihre Familie jüdisch war. Interessiert habe ich ihm damals zugehört.
Seitdem hat sie für mich einen hohen emotionalen Wert und ich trage sie nicht oft, da ich immer tierische Angst habe sie zu verlieren, doch wollte ich sie heute tragen.
Schwachlächelnd betrachte ich sie durch meinen Spiegel und schlüpfe dann in meine schwarzen Converse.
Kurz sprühe ich noch etwas Haarspray in meine Locken, die mir ins Gesicht hängen, als es plötzlich an der Tür klingelt.
Breit grinsend gehe ich nach unten und öffne Willow die Tür. Wie als hätten wir uns abgesprochen, trägt sie ein weinrotes Kleid. Um ihre Schultern hängt eine blaue Jeansjacke.
„Du siehst toll aus!", sage ich und schließe sie in meine Arme. „Du auch Hähnchen.", grinst sie.
„Reese, wer ist da an der...", Jake kommt die Treppe runter und ist gerade dabei sein schwarzes Hemd zu zuknöpfen. Aus dem Augenwinkel sehe ich wie Willow errötet und schnell wo andere hinsieht. „Oh, sie kommt mit?", fragt er mich und irgendwie schwingt ein bisschen Enttäuschung in seiner Stimme mit.
Habe ich mir das gerade eingebildet?
„Äh, ja! Habe anscheinend vergessen dir Bescheid zu geben. Bist du soweit?", ich sehe wie er seinen letzten Knopf schließt und in seine Schuhe schlüpft.
„Ja...", murmelt er und geht an uns vorbei. Er hat ihr nicht mal ‚Hallo' gesagt, so ein Blödmann.
Ich rolle mit den Augen und schnappe mir meine Jeansjacke, damit das Outfit nun wirklich zu Willows passt. Schmunzelnd sieht sie mich an und wir gehen zu Jakes Pick Up, wo sich Willow auf mein Schoß setzen muss, weil Jake nur zwei Sitze hat. Grummelnd startet er den Wagen und wir fahren Richtung Henrys Haus.
Als wir ankommen hören wir schon die laute Musik. Sein Haus ist relativ groß und sehr modern.
Er wohnt noch bei seinen Eltern, soviel ich weiß. Henry ist wirklich korrekt, denn ich habe ihn nie etwas Böses hören oder tuen sehen. Jake hat nicht viele gute Freunde, aber die paar sind alle nett und behandeln mich auch gut. Was ich, wie ich gelernt habe, nicht selbstverständlich ist. „Denkst du dort sind welche aus unserer Schule?", fragt mich Willow flüsternd und Jake beobachtet uns mit hoch gezogener Augenbraue.
„Hm... ich weiß nicht. Ich hoffe nicht.", murmle ich und wir betreten das Haus. „Ah! Da ist er ja, der Mann des Abends.", ruft Henry laut und reicht Jake ein Bier, ehe er ihn kumpelhaft umarmt.
„Hey Reese.", begrüßt er mich und mischt sich dann mit Jake unter die jubelnden Leute, die wohl nur auf Jake gewartet haben. Einige werfen uns merkwürdige Blicke zu, besonders Willow, da sie riechen, dass sie ein Mensch ist.
„Komm, wir holen uns was zu trinken!", ruft sie laut aus und zieht mich zu einer Baar im Wohnzimmer, wo sehr viele Flaschen Alkohol stehen. Eigentlich hatte mir Jake befohlen nicht zu trinken, aber ein Schluck ist doch nicht schlimm, oder? Ohne groß drüber nach zu denken stürze ich mit Willow zwei Shot und nehme mir noch einen roten Plastikbecher und trinke daraus irgendwas extrem Ekelhaftes. Wer weiß, aber nach jedem Schluck wird es besser und der süßliche Orangensaft übertönt den bitteren Geschmack.
„Hey!", kommt es von hinten und ich sehe ein hübsches Mädchen, was mich anlächelt. Freundlich erwidere ich das Lächeln der Brünetten. Ihre grünen Augen schimmern leicht in dem kleinen Licht der Baar.
„Komm!", fordert sie plötzlich und zieht mich auf die Tanzfläche. Verwirrt sehe ich zu Willow, die mich nur auslacht.
Schnell stelle ich meinen Becher irgendwo ab und schon stehe ich mitten auf der Tanzfläche und das Mädchen tanzt. Unsicher versuche ich ihrer Bewegungen nach zu machen, doch nach einer Zeit scheine ich den Alkohol zu merken und bewege mich ganz automatisch zu den lauten Bässen, die aus den großen Boxen vom anderen Ende des Raumes dringen. Es macht wirklich Spaß und das Mädchen scheint mich zu mögen, denn sie lässt keine Gelegenheit aus mich zu berühren. Ein bisschen verwirrt bin ich schon, denn sie ist nicht ansatzweise meine Liga. Ich rücke die Gedanken erstmal nach hinten und genieße die Freude, die ich gerade verspüre. „Wie ist dein Name?", frage ich sie laut, um die Musik zu übertönen. „Mila.", sie lächelt und streicht ihre Haare nach hinten.
Versucht sie gerade ernsthaft zu flirten? Belustigt mustere ich sie. Sie trägt ein dunkelblaues Kleid, was ihr wirklich gut steht. Mutig greife ich nach ihrer Hüfte und ziehe sie noch ein wenig näher zu mir. Für mich hat es zwar überhaupt nichts Erregendes an sich, aber es macht wirklich Spaß!
Sie packt meine Hand und zieht mich zur Baar, wo wir ein paar Shots trinken und noch einen Becher Wodka mit... ist das Cola? Schulterzuckend kippe ich es in mich und spüre, wie ich mich immer beflügelter fühle. Lachend gehen wir wieder auf die Tanzfläche und dort sehe ich auch Willow, die mit einem... Mädchen?! tanzt. Sie sieht aus als hätte sie großen Spaß. Erfreut wende ich mein Blick wieder zu Mila, deren welligen Haare in dem dämmrigen Licht glitzern. Es läuft ein lautes und schnelles Lied an, was uns immer wieder in die Luft springen lässt.
Kurz danach gehen wir uns wieder was zu trinken holen und wieder und wieder und wieder.

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